Coronaregeln in Bayern: Ausgangsbeschränkung war unverhältnismäßig

Seit den Lockdowns im Jahr 2020 wurde viel über Freiheit und Grundrechte gesprochen. In einer letzte Woche veröffentlichten Entscheidung hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die damals in Bayern geltenden Ausgangssperren für rechtswidrig erklärt.

Bayerns umstrittene Corona-Regeln aus dem März 2020 waren unverhältnismäßig scharf. Die damalige Ausgangsbeschränkung – also das Verbot, die eigene Wohnung ohne einen triftigen Grund zu verlassen – sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, hieß es. Die Richter wiesen damit eine Revision der Staatsregierung gegen ein vorheriges Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zurück.

Bloßes Sitzen auf Parkbank war verboten

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Ehemalige EGMR-Richterin: Reform der EMRK nicht erforderlich

In einem Interview in der „Kleinen Zeitung“ spricht sich Eli­sa­beth Stei­ner, von 2001 bis 2015 Ös­ter­reichs Rich­te­rin am Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te, gegen Re­form­wün­sche an der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on aus.

Die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on sei ein un­glaub­lich bahn­bre­chen­der Text, sie sei in den 1950er-Jah­ren ent­stan­den und nach wie vor einer der größ­ten Mei­len­stei­ne der Mensch­heits­ge­schich­te, so Steiner. Eine Reform der EMRK, die sie nicht für erforderlich halte, wäre schon deshalb ein langwieriger Prozess, weil die EMRK als völ­ker­recht­li­cher Ver­trag nur durch die 46 Vertragsstaaten geändert werden könne, die alle an einen Tisch kom­men und sich mit all ihren un­ter­schied­li­chen Rechts- und Wer­te­vor­stel­lun­gen auf eine Än­de­rung ei­ni­gen müssten.

Dass die EMRK so stark von Rich­ter­sprü­chen ge­prägt ist, liege im Wesen der Kon­ven­ti­on. Die un­ter­schied­lichs­te Mei­nun­gen, Kul­tu­ren und Rechts­sys­te­me der Mitgliedsstaaten müssten auf einen Nenner gebracht werden. Das sei Aufgabe der Rich­ter.

Li­ving In­stru­ment“ zur Weiterentwicklung der Konvention

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Dieselgate“: EuGH räumt anerkannten Umweltvereinigungen Klagerecht gegen EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge mit verbotenen „Abschalteinrichtungen“ ein

Die Deutsche Umwelthilfe hatte vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht die Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts angefochten, mit der für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen die Verwendung einer Software zur Verringerung des Recyclings von Schadstoffen nach Maßgabe der Außentemperatur genehmigt wurde.

Nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe stellte ein solches Thermofenster eine gemäß dem Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung dar.

Die Bundesrepublik Deutschland machte geltend, dass die Deutsche Umwelthilfe für eine Anfechtung der streitigen Entscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung geändert wird, nicht klagebefugt und ihre Klage daher unzulässig sei. Im Übrigen sei das in Rede stehende Thermofenster mit dem Unionsrecht vereinbar.

Auslegung des Übereinkommens von Aarhus über Zugang zu Informationen, Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten

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Österreich fällt in Rechtsstaat-Index aus den Top Ten

Laut dem Rule of Law Index geht die Rechtsstaatlichkeit weltweit zurück. Österreich schneidet bei Korruption und Transparenz vergleichsweise schlecht ab

Die Welt befindet sich in einer tiefen Rezession – nicht wirtschaftlich, sondern rechtsstaatlich. Laut dem Rule of Law Index 2022 nahm die Rechtsstaatlichkeit global das fünfte Jahr in Folge ab. Der Index, der am Mittwoch veröffentlicht wurde und vom World Justice Project auf Basis umfassender Umfragen erstellt wird, weist heuer in 61 Prozent der Staaten einen Rückgang aus – auch in Österreich.

Österreich befindet sich in Sachen Rechtsstaatlichkeit traditionellerweise im weltweiten Spitzenfeld, verlor im Vergleich zum Vorjahr allerdings zwei Plätze und liegt nun auf Rang elf. Die Spitzenpositionen belegen die nordeuropäischen Länder Dänemark, Norwegen und Finnland. Deutschland rangiert auf Platz sechs. Dahinter reiht sich mit Neuseeland der einzige nichteuropäische Staat in den Top Ten ein.

Gute Noten bekommt Österreich im Bereich der Strafjustiz. Vergleichsweise schlecht sieht es dagegen in den Kategorien „Abwesenheit von Korruption“ und „Offene Regierung“ aus. Dort belegt Österreich weltweit nur den 18. bzw. den 20. Platz. Wenig Korruption sieht der Index hierzulande bei Justiz und Polizei. Nachholbedarf wird dagegen bei Verwaltung und Gesetzgebung deutlich.

„Wenig überraschend“

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Mehr als 900 Covid-Anträge vor Höchstgericht

85 Prozent sind erledigt – der Verfassungsgerichtshof entschied meist, als die Regelung gar nicht mehr in Kraft war.

Lockdown für Ungeimpfte, 2G-Regel, Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote, zuletzt die Finanzhilfen: Österreichs Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist seit Beginn der Covid-19-Pandemie mit Prüfungsverfahren zu diesem Thema gefordert. Konkret seien seit April 2020 rund 920 Fälle mit Covid-19-Bezug eingegangen, heißt es auf Nachfrage der „Wiener Zeitung“ vom VfGH. 85 Prozent seien bereits erledigt – in nur etwa 15 Prozent der Fälle waren die Antragsteller laut VfGH erfolgreich. Einige Anträge wurden auch aus formalen Gründen zurückgewiesen.

Zu den prominentesten Fällen, in denen erfolgreich im Sinne der Antragsteller entschieden wurde, zählen wohl die Corona-Ausgangs-Verordnung und die 400-Quadratmeter-Verordnung: Diese waren laut VfGH teils gesetzeswidrig. Konkret jene Teile, die das Betreten des öffentlichen Raumes und die Nutzung der Öffis unter nur vier Bedingungen zugelassen haben: zum Zweck der Berufsarbeit, um Hilfe zu holen, um dringende Besorgungen zu erledigen oder Spaziergänge zu unternehmen. Auch die Verpflichtung, Gründe für das ausnahmsweise Betreten des öffentlichen Raumes bei einer Polizeikontrolle glaubhaft zu machen, ging laut VfGH über die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen hinaus.

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Umweltrecht international: Erstes Ökosystem in Europa erhält Rechtspersönlichkeit

Die Salzwasserlagune „Mar Menor“ an der spanischen Mittelmeer-Küste ist seit Jahren durch Wirtschaft und Tourismus belastet. Umweltschützer feiern nun einen Erfolg: Die Lagune hat als erstes Ökosystem Europas eine eigene Rechtspersönlichkeit mit einklagbaren Rechten erhalten.

Schutz als Ökosystem

Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahren und der Veröffentlichung im Gesetzesblatt können Bürger und Bürgerinnen – auch wenn sie nicht selbst betroffen sind – die Justiz wegen einer vermuteten Verletzung von Rechten der größten Salzwasserlagune Europas anrufen. Dabei geht es um den Schutz der Lagune als Ökosystem. Ein Komitee aus sechs Vertretern und Vertreterinnen der Behörden und sieben der Gesellschaft soll den Schutz, den Erhalt und die Gesundung der Lagune überwachen.

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Digitale Überwachung (2): UN-Menschenrechtskommissar gegen Unterwanderung verschlüsselter Messenger

Der UN-Menschenrechtskommissar sieht im Einsatz der Überwachungstechnologie einen Paradigmenwechsel, der „erhebliche Risiken“ für Grundrechte mit sich bringe.

Ungeachtet der Urteile des EuGH zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung laufen auf europäischer Ebene Vorarbeiten zur nächste Variante der anlasslosen Massenüberwachung. Messenger-Hersteller sollen künftig in ihren Apps laufend nach Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) scannen und Gefundenes an die Behörden melden müssen. In der breiteren Öffentlichkeit wird dieses Unterfangen unter dem Begriff „Chatkontrolle“ diskutiert.

In einem aktuellen Bericht widmet sich der UN-Menschenrechtskommissar generell der Frage des „Rechts auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter“, einen zentralen Teil nehmen dabei aber die Ideen zu diesen offiziell „Client Side Scanning“ genannten Konzepten ein. Das Verdikt fällt dabei geradezu vernichtend aus, wie netzpolitik.org berichtet. „Client Side Scanning“ stelle geradezu einen „Paradigmenwechsel“ in Hinblick auf die Privatsphäre, aber auch andere Grundrechte dar – würde es doch im Gegensatz zu anderen Maßnahmen wirklich alle Menschen betreffen.

Fehlalarme und Selbstzensur

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Digitale Überwachung (1): EuGH hält auch deutsche Version der Vorratsdatenspeicherung nicht mit Unionsrecht vereinbar

Der EuGH hat bereits wiederholt entschieden, dass die generelle Vorratsdatenspeicherung auf nationaler Ebene mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation nicht vereinbar ist. Jetzt hat es auch die deutsche Regelung getroffen (EuGH vom 20.09.2022, Rs. C-793/19, C-794/19 u.a.).

Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten entgegensteht, es sei denn, es liegt eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vor. Damit bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, die auf eine lange Reihe von Urteilen zu den Regelungen anderer EU-Staaten zurückblicken kann.

Der EuGH beanstandet an den einschlägigen deutschen Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG), dass Verkehrs- und Standortdaten, die zehn bzw. vier Wochen lang gespeichert werden, sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben – etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, Aufenthaltsorte, ausgeübte Tätigkeiten und soziale Beziehungen – zulassen und es insbesondere möglich wird, ein Profil dieser Personen zu erstellen.

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Ungarn: “Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte”

Das Parlament verurteilt die „vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung“, die europäischen Werte zu untergraben, und fordert Ergebnisse im Artikel-7-Verfahren.

Das Fehlen entschlossener Maßnahmen der EU habe „zu einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen“ sowie zur Entstehung eines „hybriden Systems der Wahlautokratie“, d.h. eines Verfassungssystems, in dem zwar Wahlen stattfinden, aber demokratische Normen und Standards nicht eingehalten werden, so die Abgeordneten.

Der Bericht, der am Donnerstag mit 433 Ja-Stimmen, 123 Nein-Stimmen und 28 Enthaltungen angenommen wurde, baut auf der Entschließung auf, mit der das Parlament 2018 das Verfahren nach Artikel 7 eingeleitet hat, um einen Überblick über die Entwicklungen in den vom Parlament identifizierten 12 Problembereichen zu vermitteln. So wird aufgezeigt, wie sich die in Artikel 2 der EU-Verträge verankerten Werte, einschließlich der Demokratie und der Grundrechte im Land, seit 2018 weiter verschlechtert haben, und zwar durch die „vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung“, verschärft durch die Untätigkeit der EU.

EU-Institutionen müssen handeln und auch zur Rechenschaft gezogen werden

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Europäische Richter klagen Europäischen Rat wegen Polen

Normalerweise werden Klagen an Richter herangetragen, diesmal ist es umgekehrt: In einer beispiellosen Aktion wenden sich Richterinnen und Richter aus ganz Europa an ein Gericht, und zwar kein geringeres als den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg. Vier europäische Richterorganisationen haben sich zusammengefunden, um dort den Europäischen Rat zu klagen.

Hintergrund der Klage der Vereinigung Europäischer Verwaltungsrichter (AEAJ), der Europäischen Richtervereinigung (EAJ), der Rechters voor Rechters (Richter für Richter) und der Magistrats Européens pour la Democratie et les Libertés (MEDEL) ist die unzureichende Unabhängigkeit der Justiz in Polen. Darauf hat auch bereits der EuGH in mehreren Urteilen hingewiesen. Als Abhilfe wollte die EU die Auszahlung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität unter anderem an die Bedingung binden, dass der Zugriff der Politik auf die Gerichte in Polen zurückgenommen wird. Genau das hat nämlich der EuGH verlangt.

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