VfGH Judikatur / Anspruch auf Entscheidung in angemessener Frist: Entscheidung innerhalb angemessener Frist darf nicht mangels Vorlage eines Gutachtens verzögert werden

Die vom Verfassungsgerichtshof in einem Bedarfsprüfungsverfahren nach dem Apothekengesetz festgelegten Ermittlungs- und Entscheidungspflichten dürften auch in anderen Rechtsgebieten von Relevanz sein. 

In seiner Entscheidung vom 14.12.2022, E3150/2021, hat der Verfassungsgerichtshof abermals die Verpflichtung der Behörden betont, innerhalb angemessener Frist zu entscheiden. Der Gerichtshof hat zugleich ausgesprochen, dass selbst das Fehlen eines – im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen – Bedarfsprüfungs-Gutachtens die Behörde nicht von der Verpflichtung entbindet, ein Verfahren zügig abzuschließen. Um eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 Abs 1 EMRK durch überlange Verfahrensdauer zu vermeiden, hat die Behörde die Entscheidungsgrundlagen erforderlichenfalls auf andere geeignete Weise zu ermitteln.

Im Beschwerdeverfahren hatte die gesamte Verfahrensdauer (vom Konzessionsansuchen vom 7. Juli 2016, über den abweisenden Bescheid der Behörde vom 10. September 2020 bis zum Erkenntnis des LVwG  5. Juli 2021) fünf Jahre betragen. Dem Einwand des LVwG, wonach die Verzögerung vorrangig auf die Untätigkeit der Apothekerkammer bei Erstellung des nach §10 Abs 7 Apothekengesetz einzuholenden Gutachtens zurückzuführen sei, hielt der VfGH entgegen, dass die Behörde im Lichte ihrer Pflicht zur Entscheidung in angemessener Zeit nach Art 6 EMRK lediglich verpflichtet sei, ein „Gutachten“ der Apothekerkammer zur Frage des Bedarfes (unter Setzung einer angemessenen Frist) anzufordern. Eine Untätigkeit der Apothekerkammer binnen der gesetzten Frist entbinde die Behörde nicht von der Pflicht zum zügigen Abschluss des Verfahrens, indem sie erforderlichenfalls die Entscheidungsgrundlagen auf andere geeignete Weise ermittelt.

Der Verfassungsgerichtshof führt dazu weiter aus, er verkenne nicht, dass sich Bedarfsprüfungen nach §10 Apothekengesetz durch eine „gewisse Komplexität“ auszeichnen, diesfalls sei es Aufgabe der Behörde, durch präzise Erhebungsaufträge zur schleunigen Erledigung des Verfahrens beizutragen.

Auswirkungen über das Apothekenrecht hinaus?

Vermutlich wird diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch für andere Rechtsgebiete, in denen Gutachten einzuholen sind, beachtlich sein. Nicht nur für die Behörden, sondern im Hinblick auf die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur meritorischeren Entscheidung, auch für diese. Ob es im Bedarfsprüfungsverfahren nach dem Apothekengesetz tatsächlich gelingen kann, durch präzise Erhebungsaufträge an die Apothekerkammer zur „schleunigen Erledigung des Verfahrens beizutragen“ wird die Praxis zeigen.

Siehe dazu auch: Verfassungsgerichtshof bringt Behörden auf Trab …

Hier geht’s zur Entscheidung des VfGH E3150/2021 vom 14.12.2022 …

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