Die Deutsche Umwelthilfe hatte vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht die Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts angefochten, mit der für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen die Verwendung einer Software zur Verringerung des Recyclings von Schadstoffen nach Maßgabe der Außentemperatur genehmigt wurde.
Nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe stellte ein solches Thermofenster eine gemäß dem Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung dar.
Die Bundesrepublik Deutschland machte geltend, dass die Deutsche Umwelthilfe für eine Anfechtung der streitigen Entscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung geändert wird, nicht klagebefugt und ihre Klage daher unzulässig sei. Im Übrigen sei das in Rede stehende Thermofenster mit dem Unionsrecht vereinbar.
Auslegung des Übereinkommens von Aarhus über Zugang zu Informationen, Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten
Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat den EuGH einerseits um die Auslegung des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Verbindung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ersucht und andererseits um die Auslegung der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge.
Umweltvereinigungen müssen die Möglichkeit haben, die Beachtung bestimmter Vorschriften des Unionsumweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen
Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil vom 08.11.2022, Rechtssache C-873/19, fest, dass das Übereinkommen von Aarhus in Verbindung mit der Charta dahin auszulegen ist, dass es einer Umweltvereinigung, die nach nationalem Recht zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt ist, nicht verwehrt werden darf, eine Verwaltungsentscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wird, die möglicherweise gegen das Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, verstößt, vor einem innerstaatlichen Gericht anzufechten.
Das Übereinkommen von Aarhus verpflichtet nämlich in Verbindung mit der Charta die Mitgliedstaaten dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz zu gewährleisten, und verbietet es ihnen, Umweltvereinigungen jede Möglichkeit zu nehmen, die Beachtung bestimmter Vorschriften des Unionsumweltrechts überprüfen zu lassen.
Zweitens erinnert der Gerichtshof, was das fragliche Thermofenster betrifft, daran, dass er in Bezug auf ein identisches Thermofenster bereits entschieden hat, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern erfolgt, eine „Abschalteinrichtung“ darstellt.
Hier geht’s zur Presseaussendung des EuGH …
Hier geht’s zum Urteil des EuGH vom 08.11.2022 …
Siehe dazu: Umwelthilfe fordert Rückruf von fünf Millionen Diesel-Autos …
Und: Zulassungsbehörden könnten jederzeit den Betrieb manipulierter Fahrzeuge verbieten …