Ehemalige EGMR-Richterin: Reform der EMRK nicht erforderlich

In einem Interview in der „Kleinen Zeitung“ spricht sich Eli­sa­beth Stei­ner, von 2001 bis 2015 Ös­ter­reichs Rich­te­rin am Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te, gegen Re­form­wün­sche an der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on aus.

Die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on sei ein un­glaub­lich bahn­bre­chen­der Text, sie sei in den 1950er-Jah­ren ent­stan­den und nach wie vor einer der größ­ten Mei­len­stei­ne der Mensch­heits­ge­schich­te, so Steiner. Eine Reform der EMRK, die sie nicht für erforderlich halte, wäre schon deshalb ein langwieriger Prozess, weil die EMRK als völ­ker­recht­li­cher Ver­trag nur durch die 46 Vertragsstaaten geändert werden könne, die alle an einen Tisch kom­men und sich mit all ihren un­ter­schied­li­chen Rechts- und Wer­te­vor­stel­lun­gen auf eine Än­de­rung ei­ni­gen müssten.

Dass die EMRK so stark von Rich­ter­sprü­chen ge­prägt ist, liege im Wesen der Kon­ven­ti­on. Die un­ter­schied­lichs­te Mei­nun­gen, Kul­tu­ren und Rechts­sys­te­me der Mitgliedsstaaten müssten auf einen Nenner gebracht werden. Das sei Aufgabe der Rich­ter.

Li­ving In­stru­ment“ zur Weiterentwicklung der Konvention

Die EMRK sei über ihren his­to­ri­schen Kern hin­aus­ge­wach­sen, so Steiner weiter. Nie­mand habe in den 1950er-Jah­ren die Ent­wick­lun­gen von heute gekannt, zum Bei­spiel die Frage nach sau­be­rer Luft, sau­be­rem Was­ser usw. Des­halb gebe es im Wort­laut der EMRK keine Be­stim­mun­gen für Um­welt­schutz. Trotz­dem habe das Ge­richt Men­schen unter dem Titel der EMRK ge­schützt, die von Emis­sio­nen und Im­mis­sio­nen be­trof­fen waren. Es sei das In­stru­ment des „li­ving in­stru­ment“ ent­wi­ckelt worden: Der Text werde den Er­for­der­nis­sen und Be­din­gun­gen der Ge­gen­wart angepasst. Das habe man eben zum Bei­spiel beim Um­welt­schutz ge­macht – unter dem Titel des Schut­zes von Pri­vat- und Fa­mi­li­en­le­ben, das in der EMRK ge­schützt ist.

Sie halte diese Vorgangsweise nicht für eine An­ma­ßung der Rich­te­rin­nen und Rich­ter, da die Vertragsstaaten damals die Entwicklungen nicht vorhersehen konnten und es diese The­men da­mals schlicht noch nicht gegen habe. Au­ßer­dem komme das Ge­richt nur sub­si­di­är zum Zug – wenn es in den Staa­ten selbst kei­nen Rechts­schutz mehr gebe.  Mehr als 90 Pro­zent der Fälle weise der Ge­richts­hof zu­rück.

Hier das ganze Interview in der „Kleinen Zeitung“ lesen…

Teilen mit: