Unter dem Motto „Unabhängig statt lenkbar“ veranstalteten die Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien am 19. Mai 1999 einen Aktions- und Informationstag. Anlaß war einmal mehr die Absicht des Landes Wien, schwere Eingriffe in die Unabhängigkeit der Senatsmitglieder vorzubereiten.
Zur Vorgeschichte: Der Verfassungsgerichtshof hat mit mehreren Entscheidungen das Ende der bis dato üblichen befristeten Bestelldauer von UVS-Mitgliedern eingeläutet. Bevor das Land Wien diese Vorgabe nun legistisch umsetzt, sollen bewährte Mitglieder auf Grundlage der noch geltenden – nicht MRK-konformen – Regelung aus dem Senat entfernt werden. Zur Durchsetzung dieses Vorhabens wurde sogar der Gesetzgeber bemüht. Das in der Landtagssitzung vom 28. April 1999 novellierte Wiener UVS-Gesetz stellt durch eine komplizierte Übergangsregelung sicher, daß sich fünf Mitglieder, deren Bestelldauer an einem bestimmten Stichtag endet, einem Wiederbestellungsverfahren unterziehen müssen, während alle anderen Senatsmitglieder, unabhängig von der Dauer ihrer Zugehörigkeit zum UVS, als unbefristet bestellt gelten sollen. Daß bei den Wiederbestellungen sachgerecht vorgegangen wird, ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten. Schon in der Vergangenheit mußten Mitglieder, die Elternkarenzurlaub in Anspruch genommen haben oder für Standesinteressen eingetreten sind, unter dem Vorwand „nicht meßbarer“ oder „zu geringer Arbeitsleistung“ ihren Abschied nehmen. In den anstehenden Fällen ortet das Land Wien plötzlich einen Rückgang des Arbeitsanfalles, der einer Wiederbestellung aller fünf Senatsmitglieder entgegenstehe. Während ein eilig erstellter Revisionsbericht mit fragwürdigem Zahlenmaterial dieses Argument absichern soll, wurde unter den Entscheidungsträgern bereits vor Ende der Ausschreibungsfrist der Name jenes Mitgliedes kolportiert, das von der „Einsparung“ jedenfalls betroffen sein soll. Dabei scheint der Umstand, daß dieses Mitglied hochqualifizert ist keine, daß es hingegen wiederholt Mißstände im Umgang mit richterlicher Unabhängigkeit – auch vor dem Verfassungsgerichtshof – angeprangert hat, die alles entscheidende Rolle zu spielen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die völlig unzureichende dienstrechtliche Stellung aller Senatsmitglieder für den Fall, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate in Landesverwaltungsgerichten aufgehen. Das nunmehr beschlossene Dienstrecht eröffnet dem Magistrat der Stadt Wien die Möglichkeit, UVS-Mitglieder, die nicht zu Verwaltungsrichtern ernannt werden, nach Ermessen zu kündigen.
Gründe genug also für die Standes- und Personalvertretung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien im Rahmen eines Aktionstages zu protestieren und die politisch Verantwortlichen zu einer Diskussion einzuladen. Während LAAbg. Dr. Ulm für die kleine Regierungspartei einräumte, daß die beschlossenen Regelungen nicht alle Vorstellungen der ÖVP zur Stärkung der Unabhängigkeit der UVS-Mitglieder verwirklichten, hat es die Wiener SPÖ vorgezogen, von der Entsendung eines Vertreters Abstand zu nehmen. Jutta Sander vom Grünen Klub und Marco Smoliner von den Liberalen erklärten sich mit den Anliegen der protestierenden UVS-Mitglieder solidarisch und verwiesen auf ihre langjährigen Forderungen, endlich auch in Wien eine unabhängige Kontrolle der Verwaltung zuzulassen. Der ehemalige Justizminister Dr. Harald Ofner zeigte sich – wie er besonders betonte – als Rechtsanwalt betroffen darüber, mit welchen Methoden das Land Wien versucht, Einfluß auf eine zur Unabhängigkeit verpflichteten Kontrollinstanz zu nehmen. Der Generalsekretär des UVS-Vereines Mag. Hans Pichler bekundete „die selbstverständliche Bereitschaft, bei den von der zuständigen Stadträtin Mag. Renate Brauner in Aussicht gestellten Gesprächen eine akzeptable Lösung zu vereinbaren“, ohne an seiner Entschlossenheit Zweifel aufkommen zu lassen: “Die Absichten des Landes Wien rühren an der Substanz der richterlichen Unabhängigkeit. Wenn hier kein Umdenken erfolgt, ist es unsere Pflicht alle zu Gebote stehenden Mittel des Widerstandes einzusetzen, um der Rechtsstaatlichkeit auch in diesem Bereich zum Durchbruch zu verhelfen.“
Seitens des Vereins der Verwaltungsrichter nahm Hofrat Dr. Zens an der Veranstaltung teil, die Österreichische Juristenkommission war durch ihren Präsidenten Dr. Machacek vertreten.
Letzte Zweifel an der Berechtigung der von den UVS-Mitgliedern gehegten Befürchtungen waren spätestens nach einer im Rahmenprogramm erfolgten Verlesung von „Texten zur Unabhängigkeit“ ausgeräumt. Die gelungene Gegenüberstellung von verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben mit Originalzitaten von maßgeblichen Entscheidungsträgern machte deutlich, wie schwer es dem Land Wien in der Vergangenheit gefallen ist, eine unabhängige Kontrollinstanz, die ihrem Namen gerecht wird, zu akzeptieren.
Am eindrucksvollsten wurde das Motto des Aktionstages jedoch durch eine im Veranstaltungsbereich ausgestellte Skulptur versinnbildlicht: Ein überlebensgroßer Rathausmann hat einen Richter am Gängel.