Bilanz über Justizpolitik: Reformbedarf zur Verringerung des Einflusses der Politik auf Justiz vor allem bei Postenbesetzungen

In der ZIB 2 wurde über die Justizpolitik der türkis-grünen Bundesregierung der ablaufenden Legislaturperiode Bilanz gezogen. Das Ansehen der Justiz sei im europäischen Vergleich grundsätzlich sehr hoch, doch sehe mehr als jeder Zweite zu viel Einfluss der Politik auf die Justiz. Das betreffe etwa die Postenbesetzungen wie beim Bundesverwaltungsgericht. Auch beim Thema Korruption und Transparenz habe sich Österreich verschlechtert.

Markus Thoma vom Dachverband der Verwaltungsrichter:innen sieht im Interview Verbesserungsbedarf vor allem bei jenen Vorhaben, die auch der Rule of Law Report 2024 der Europäischen Union anspricht, d.h.

  • eine Reform der Ernennungsverfahren für Präsident:innen und Vizepräsident:innen,
  • die Sicherstellung, dass die Politik die Ernennungsverfahren nicht verzögern kann, und 
  • die Verbesserung des Rechtschutzes im Ernennungsverfahren. 

Insgesamt müsse der Einfluss der Politik auf die Justiz verringert werden.

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Heinz Mayer ruft Zivilbevölkerung zu Mut zum Widerspruch auf

In seinem Gastkommentar im Standard skizziert der Verfassungsjurist Heinz Mayer anhand von drei Gesetzesvorhaben der Regierung in dieser Legislaturperiode die Erschwerung des Kampfes gegen die Korruption, die durch den Widerstand der Staatsanwaltschaften, Richter:innen und vor allem einer sehr wachen Zivilgesellschaft verhindert habe werden können. Indem sie sich massiv zu Wort gemeldet und auch auf die Verfassungswidrigkeiten hingewiesen haben, sei die Bekämpfung der Korruption zumindest nicht eingeschränkt worden und der Versuch, etwa durch zu kurze Begutachtungsfristen von wenigen Tagen die Korruptionsbekämpfung massiv zu erschweren und alle zu überrumpeln, zumindest derzeit misslungen.

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Einfluss der Politik auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte durch Reformen unterbunden werden

Markus Thoma, Präsident des Dachverbandes der Verwaltungsrichter:innen, weist im Interview mit dem Standard auf die Notwendigkeit von Reformen zur Reduktion der Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit hin. Dies betreffe insbesondere die Bereiche der Richter:innenernennung, vor allem auch in Leitungsfunktionen sowie der finanziellen Ausstattung und der Besoldung der Richter:innen.

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Ablehnende Stellungnahme des Dachverbandes zu einem richterlichen „Verhaltenskodex“ über das gesetzliche richterliche Dienst- und Disziplinarrecht hinaus

An manchen Landesverwaltungsgerichten wurde von dem/der Präsidenten/Präsidentin ein Entwurf eines „Verhaltenskodex für Gerichtsangehörige“ an die jeweiligen Richter:innen versendet, in dem Regeln über das Verhalten von Richter:innen aufgestellt werden. Dieser Entwurf ist nicht von der Richterschaft mitgetragen, ausgearbeitet oder beschlossen worden. Auch ist die Standesvertretung nicht einbezogen worden. Aus diesem Anlass sieht sich der Dachverband der Verwaltungsrichter:innen veranlasst, dazu eine Stellungnahme abzugeben und lehnt die Aufstellung von zusätzlichen Verhaltensregeln für Richter:innen ohne gesetzliche Grundlage und entgegen Europäischen Standards ab.

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Wie schlecht steht es um Österreichs Rechtsstaat?

In einem Interview der Wochenzeitung Die Zeit wurde Ex-Justizminister Clemens Jabloner zu Postenschacher und politischen Interventionen zugunsten der Mächtigen befragt. Er führte im Wesentlichen aus:

Seine Ernennung zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes im Jahr 1993 während der rot-schwarzen Regierung unter SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky sei sicher eine politische Entscheidung gewesen. Ob sein Name auch auf einem Sideletter zur Koalitionsvereinbarung gestanden sei, wisse er nicht. Bei einer Postenbesetzung sei eine gewisse politische Komponente nicht zu vermeiden, die Teil des demokratischen Gesamtgefüges sei. Als Mitglied der Besetzungskommission aus Höchstrichtern, Experten und Vertretern des Bundeskanzleramts und Justizministeriums für die Auswahl der Nachfolge der Leitungsposition des BVwG wolle er dies nicht kommentieren. Aber er meinte:

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Wie die Regierung mit Richterposten umgeht, ist eines Rechtsstaats unwürdig

In diesem Kommentar im Standard wird erneut auf schärfste kritisiert, dass Postenbesetzungen von der Regierung „ausgeschnapst“ würden. So wurde daran erinnert, dass die Leitungsposition des Bundesverwaltungsgerichts über ein Jahr nicht nachbesetzt worden sei und auch nun die offenen Posten für Verwaltungsrichter offenbar als politische Verhandlungsmasse missbraucht werde. Die Richterstellen würden aus politischem Kalkül monatelang unbesetzt lassen und mit Personalentscheidungen für andere staatliche Stellen verknüpft. Diese Verknüpfungen gerade bei Verwaltungsgerichten vorzunehmen, deren ureigene Aufgabe es sei, gerade Behörden, Landesregierungen und Ministerinnen zu kontrollieren, sei untragbar.

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Dachverband fordert verfassungsmäßiges Vorgehen der Regierung und rasche Besetzungen

Die Besetzung von 11 ausstehenden Richter:innenposten stehe seit April an und werde – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – nicht von der Bundesregierung beschlossen. Damit werde die Funktionsweise des Gerichts beeinflusst, indem Verfahren länger dauern, kritisiert Markus Thoma im Namen des Dachverbands der Verwaltungsrichter:innen erneut in einem Interview auf PULS 24. Dies könne beispielsweise Asylverfahren, aber auch UVP-Verfahren betreffen.

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Untätigkeit der Regierung bei Nachbesetzungen von RichterInnen beim BVwG

Im heutigen Ö1 Morgenjournal wird berichtet, dass elf RichterInnenposten beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) auf ihre Nachbesetzung warten. Markus Thoma, Sprecher für den Dachverband der VerwaltungsrichterInnen, kritisiert dies und führt aus, dass aus Gründen, die überhaupt nichts mit dem Gericht zu tun haben, die Auswahl- und Ernennungsentscheidungen schlichtweg nicht vorgenommen werden. Es könne nicht sein, dass das Funktionieren der Gerichte letztlich von einer Untätigkeit der Exekutive beeinflusst werde. Er verweist auch auf den Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024, in welchem die EU-Kommission die politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen in der Justiz und die erheblichen Verzögerungen bei den Ernennungen durch die Regierung neuerlich kritisiert hat.

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Stellungnahme des Dachverbandes zum Bericht der Europäischen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2024

Der jüngst erschienene Bericht der Europäischen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2024 hält in seinem Länderkapitel zur Lage in Österreich einleitend fest, „[d]ie Justiz in Österreich wird weiterhin als sehr unabhängig wahrgenommen und das Justizsystem funktioniert effizient. Während die jüngsten Reformen der Ernennungsverfahren für den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und der Richteramtsanwärter:innen umgesetzt …

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EU-Rechtstaatlichkeitsbericht 2024 kritisiert Österreich erneut wegen politischer Einflussnahme auf Postenbesetzungen in der Justiz

In dem heute von der EU-Kommission veröffentlichten EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024 wird erneut die politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen in Österreichs Justiz kritisiert und moniert, dass es „keine Fortschritte bei der Beteiligung der Justiz an der Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte“ gegeben habe. Die lange Verzögerung vor der Ernennung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts weise auf die anhaltende Bedenken hin. Bestimmte Herausforderungen bestehen in Bezug auf den Zugang zur Justiz im Zusammenhang mit hohen Gerichtsgebühren und in Bezug auf den Zugang zu Rechtsberatung in Verwaltungssachen, wobei einige Schritte unternommen werden, um letztere zu beheben.

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