Niederländisches Gericht hat grundsätzliche Zweifel an der Unabhängigkeit der polnischen Justiz

Beeinflusst Polen mit seiner seit Jahren vorangetriebenen Justizreform seine Gerichte so sehr, dass diese nicht mehr richtig unabhängig sind? Ein Ersuchen aus den Niederlanden könnte Warschau letztlich auch politisch in die Bredouille bringen.

Polen droht neuer Ärger wegen seiner umstrittenen Justizreform. Wie ein Sprecher des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bestätigte, hat sich ein Amsterdamer Gericht mit brisanten Fragen zur Auslegung von EU-Recht an die höchsten europäischen Richter gewandt. Sie sollen entscheiden, ob grundsätzliche Zweifel an der Unabhängigkeit der polnischen Justiz ein allgemeines Vollstreckungsverbot für Europäische Haftbefehle aus Polen rechtfertigen könnten.

„Seit 2007 steht die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte und dadurch das Recht auf einen ehrlichen Prozess immer stärker unter Druck“, teilte das Amsterdamer Gericht zu seinem Vorabentscheidungsersuchen mit. Die Entwicklungen in den vergangenen Jahren wirkten sich so stark auf die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte aus, dass diese nicht mehr unabhängig von der polnischen Regierung und dem polnischen Parlament sein könnten.

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Corona-Krise: Umstrittene Maskentragepflicht

Coronavirus

Die 8. Novelle der COVID-19-Lockerungsverordnung brachte die Verpflichtung zum Tragen von Masken beim Betreten der Kundenbereiche bestimmter Geschäfte (Apotheken, Lebensmitteleinzelhandel, Banken, Post etc).

Nach Medienberichten wird die rechtliche Qualität der Maskentragepflicht von Verfassungsexperten unterschiedlich beurteilt. Während der ehemalige VfGH-Richter Rudolf Müller und der Verfassungsjurist Heinz Mayer erklärten, die aktuell gültige Maskenverordnung dürfte gesetzwidrig sein, halten es die Verfassungsrechtler Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk für möglich, dass diese Verordnung des Gesundheitsministers nicht aufgehoben wird. (Siehe dazu: Juristen beurteilen neue Maskenverordnung unterschiedlich)

Die Begründung der Regierung, dass Lebensmittelgeschäfte für viele Menschen unvermeidbar sind, auch wenn sie sich vor Ansteckung fürchten, sei „nicht ganz unplausibel“, sagte Öhlinger. Ob die Regierungsargumente für den VfGH ausreichen, sei „eine Wertungsfrage, die man nicht vorhersagen kann“.

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LVwG Steiermark: COVID-19 Sperre von Autowaschanlagen war rechtswidrig 

Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 hatte im April die Polizeibehörde in Graz Selbstbedienungs-Autowaschanlagen gesperrt. Grundlage dafür war die mittlerweile außer Kraft getretene „Betretungsverordnung“ des Gesundheitsministers. Das betroffene Unternehmen erhob dagegen mehrere Maßnahmenbeschwerden an das Landesverwaltungsgericht Steiermark. Gestern gab das Gericht diesen Beschwerden Folge und erklärte die Sperre der Waschanlagen für rechtswidrig.  Das Verwaltungsgericht stellte …

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (4):  Unzulässige Ungleichbehandlung von Bau- und Gartenmärkten und großen Handelsbetrieben in der COVID-19-Maßnahmenverordnung

Bei den schrittweisen Lockerungen war die die vorgenommene Ungleichbehandlung von Geschäften unzulässig.

Die Regierung hatte bei der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen zwischen Handelsunternehmen unterschieden. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche unter 400 Quadratmeter durften bereits nach zwei Wochen wieder aufsperren, Baumärkte und Gartencenter ebenfalls. Größere und andere Geschäfte mussten geschlossen bleiben.

Fehlende Dokumentation

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (3):  Individualantrag kann auch gegen außerkraftgetretene Bestimmung zulässig sein

Auf Grund der Tragweite der gegen die Corona-Pandemie ergriffenen behördlichen Maßnahmen und der damit verbunden Grundrechtseingriffe erwies sich das Fehlen eines raschen und effektiven Rechtsschutzes gegen diese Maßnahmen in Österreich als zunehmend  problematisch.

Den der Verfassungsgerichtshof hatte bisher Individualanträge gegen Gesetze, die von Betroffenen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken erhoben wurden, immer dann zurückgewiesen, wenn die angefochtene Bestimmung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits außer Kraft getreten war, weil durch das Außerkrafttreten das Ziel des Verfahrens, die rechtswidrige Norm ohne Verzug aus dem Rechtsbestand zu entfernen, schon erreicht war.

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (2):  Entfall der Entschädigung für Verdienstentgang ist verfassungskonform

Es ist verfassungskonform, wenn das COVID-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 – keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbots geschlossen wurden.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz vom März 2020 sieht für Unternehmen, die von einem Betretungsverbot für Betriebsstätten betroffen sind (Verordnung BGBl. II 96/2020), keinen Anspruch auf Entschädigung vor. Dagegen hatten sich Unternehmen in Wien zur Wehr gesetzt.

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (1):  Betretungsverbot teilweise gesetzeswidrig

Allgemeines Betretungsverbot von öffentlichen Orten  war gesetzlich nicht gedeckt

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in zusätzlich angesetzten Beratungen weitere Entscheidungen über Fälle getroffen, die sich gegen Gesetze bzw. Verordnungen im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen richten, die Entscheidungen wurden heute veröffentlicht.

Behörden an Grundrechte gebunden

Gegen § 2 COVID-19-Maßnahmengesetzes bestehen, so der VfGH, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Bestimmung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für allfällige Betretungsverbote bietet  und damit dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip entspricht. Die Entscheidung, ob  bzw. welche Maßnahmen per Verordnung gegen  COVID-19 getroffen werden, überträgt das Gesetz zwar an die zuständigen Behörden. Bei dieser Entscheidung sind die Behörden  jedoch an die Grundrechte gebunden,  insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit. Einschränkungen dieses Rechtes sind nur dann zulässig, wenn sie einem legitimen öffentlichen Interesse (wie dem Gesundheitsschutz) dienen und verhältnismäßig sind.

Generelles Ausgangsverbot von COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt

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Judikatur VfGH / Betretungsverbot: Individualantrag gegen das Betretungsverbot ist unzulässig, wenn bereits ein Strafverfahren anhängig ist

In seiner ersten Entscheidung über die Covid-19-Maßnahmen der Regierung hat der Verfassungsgerichtshof einen Individualantrag gegen das Betretungsverbot für öffentliche Orte zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, die gegen die Ausgangsbeschränkungen angekämpft hatte, muss einen anderen Weg wählen, um eine inhaltliche Entscheidung bekommen zu können (V 361/2020 vom 8. Juni 2020).

Die Schülerin war knapp nach Beginn des Lockdowns am 16. März als Mitfahrerin in einem Pkw und damit auf engstem Raum mit zwei weiteren Personen unterwegs, die nicht im selben Haushalt lebten. Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg verhängte gegen die unter 18-Jährige eine Geldstrafe von 500 Euro. Somit ist bereits ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die junge Frau anhängig.

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Deutschland: Bundesverfassungsgericht verweist Corona-Kläger an die Verwaltungsgerichte

Für die nachträgliche Prüfung der vielen Corona-Verbote in Deutschland sind in erster Linie die Verwaltungsgerichte zuständig. Das stellt das Bundesverfassungsgericht in einem letzte Woche veröffentlichten Beschluss klar.

Dass die meisten Verbote inzwischen nicht mehr gelten, stehe dem nicht entgegen, teilte das Gericht in Karlsruhe mit. Ein Normenkontrollantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht sei dennoch zulässig. (Az. 1 BvR 990/20)

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Deutschland: Datenbank über Rechtsakte und Gerichtsentscheidungen zu Corona-Maßnahmen

Unter dem Titel „Lex Corona“ wurde in Deutschland eine Datenbank kostenlos online gestellt.

Die Bearbeiter dieses „Wiki“ wollen damit eine Übersicht über die in Deutschland im Zusammenhang mit der Corona-Krise erlassenen Rechtsakte (Gesetze, Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen etc.) und Gerichtsentscheidungen bieten.

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