Polen (2): EuGH stoppt Zwangspensionierung von Richtern

Das Gebäude des Obersten polnischen Gerichts in Warschau © Czarek Sokolowski/AP/dpa

Die Anordnung gilt rückwirkend, auch Nachbesetzungen dürfen nicht mehr erfolgen

Polen muss die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern mit sofortiger Wirkung stoppen. Eine entsprechende einstweilige Anordnung erließ der Europäische Gerichtshof (EuGH) vergangenen Freitag in Luxemburg. Die Anordnung gilt sogar rückwirkend für die bereits pensionierten Richter des polnischen obersten Gerichts.

Die einstweilige Anordnung war Anfang des Monats von der EU-Kommission in Brüssel beantragt worden. Die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständige Behörde ist der Ansicht, dass mit den Zwangspensionierungen gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen wird. Es werde insbesondere auch das Prinzip der Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben, heißt es in Brüssel.

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Polen (1): Präsident ignoriert Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts

 

Der Oberste Gerichtshof in Warschau © Kacper Pempel/Reuters

Trotz einer Klage der Europäischen Kommission wurden an Polens Oberstem Gericht Richterstellen neu besetzt.

Präsident Andrzej Duda ernannte 27 weitere Richter. Das Präsidialamt in Warschau erklärte, die Ernennungen seien im öffentlichen Interesse und stünden im Einklang mit der Verfassung. Kritiker werfen Duda vor, vollendete Tatsachen zu schaffen und so die Unterordnung der Justiz unter die politische Führung voranzutreiben.

Der Präsident setzte sich damit über eine Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts hinweg, das sich dafür ausgesprochen hatte, vor der Vereidigung neuer Richter zunächst eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.

Die regierende nationalkonservative PiS-Partei hatte die Justizreform mit der Begründung angestoßen, Richter aus der kommunistischen Ära müssten ersetzt werden. Viele der Richter am Verfassungsgericht wurden gezwungen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, halten dies aber für verfassungswidrig. Unterstützt von der Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts setzte die Behörde die Nominierung neuer Richter bis zu einer Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs aus.

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Polen und der Rechtsstaat: Aufsässigen Richtern das Fürchten lehren

In einem Beitrag in der deutschen Tageszeitung „DIE WELT“ beschreibt der Journalist  Bartosz T. Wielinski, Leiter des Auslandsressorts der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza,“ die Situation der polnischen Richter: Ziel der Regierungspartei sei es, Richter austauschen und ihrem politischen Einfluss unterstellen. Ein bewährtes Mittel dazu sei deren persönliche Diffamierung. Medienberichte, die beweisen sollen, dass richterliche Urteile von durch und durch korrupten Menschen gefällt werden, gebe es praktisch ununterbrochen seit 2016.

Richter als Vaterlandsverräter

Letzte Woche habe der Parteivorsitzende Kaczynski einen neuen Begriff geprägt. Auf dem Parteikonvent habe er den Gegnern seiner Partei und Regierung „Oikophobie“ vorgeworfen – Hass auf das Eigene. Dieses Mal sei der Vorwurf nicht an die Adresse von Oppositionspolitikern oder kritischen Intellektuellen gegangen, Kaczynski habe diesen Begriff in Bezug auf polnische Richter verwendet. Laut Kaczynski sei das die Krankheit, unter der die polnischen Richter leiden.

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CCJE Opinions (4): Die Bewertung der Arbeit von Richtern

In der Stellungnahme Nr. 17 (2014) beschäftigt sich der Beirat der europäischen Richter (CCJE) mit dem Spannungsfeld zwischen einer adäquaten Beurteilung von Richtern und deren Unabhängigkeit.  

Als  Grundregel gilt bei jeder individuellen  Beurteilung von Richtern die umfassende Achtung der richterlichen Unabhängigkeit. Wirkt sich eine individuelle Beurteilung auf die Beförderung, das Gehalt oder den Ruhestand des Richters aus oder  führt  sie gar  zu seiner Amtsenthebung,  besteht die Gefahr, dass der beurteilte Richter nicht auf der Grundlage einer objektiven Auslegung des Sachverhalts und des Rechts Recht spricht, sondern in einer Weise vorgeht, um den Beurteilern zu gefallen. Somit ist die Beurteilung von Richtern durch Angehörige der Legislative oder Exekutive  des  Staates besonders  problematisch.

Qualität vor Quantität

Aber selbst wenn die Beurteilung  von anderen Richtern vorgenommen wird, kann die Gefährdung  der  richterlichen Unabhängigkeit  nicht  gänzlich von  der Hand  gewiesen werden. Die Unabhängigkeit setzt nicht nur voraus, vor ungebührlichem Einfluss von außen geschützt zu sein,  sondern auch vor ungebührlichem Einfluss, der sich in bestimmten Situationen aus der Haltung anderer Richter ergeben kann, einschließlich der Präsidenten von Gerichten.

Der CCJE warnt ausdrücklich davor, die Beurteilungsergebnisse nur in Form von Punkten, Zahlen, Prozenten oder der Anzahl an ergangenen Entscheidungen auszudrücken. All diese Methoden können einen falschen Eindruck von Objektivität und Sicherheit entstehen lassen, wenn sie ohne weitere Erläuterung und Beurteilung angewandt werden.

Hier die Empfehlungen zur Bewertung der Arbeit von Richter (auszugsweise):

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VwG Wien: Das unsichtbare Gericht

„Justice Must Not Only be Done, but Must be Seen to be Done“

Das Ministerkomitees des Europarates, genauer gesagt die „ Europäische Kommission für Effektivität in der Justiz“ (CEPEJ), hat in einer Arbeitsgruppe Leitlinien für die innere und äußere Ausgestaltung von Gerichten entwickelt und diese mit Interviews von Praktikern sowie mit Gestaltungsbeispielen illustriert.

Die Leitlinien betonen, dass die Architektur des Gebäudes auf die besondere Konflikt- und Stresssituation der Parteien vor Gericht Rücksicht nehmen sollte, die durch die Konfrontation der Parteien vor Gericht oder eine richterliche Entscheidung hervorgerufen werden kann (siehe dazu: Was bei der Architektur von Gerichtsgebäuden bedacht werden sollte – Leitlinien des Europarates).

Dies alles scheint nach Auffassung des Magistrats der Stadt Wien für das Wiener Verwaltungsgericht nicht zu gelten.

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Entschließungsantrag zur „Verbesserung der Unabhängigkeit, Qualität und Transparenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ eingebracht

Letzte Woche wurden von den Abgeordneten der „Neos“ im Parlament ein Entschließungsantrag eingebracht, welcher auf die aktuellen Diskussionen über Richterbesetzungen Bezug nimmt, aber auch auf Mängel und Verbesserungspotentiale hinweist, die sich in den vergangenen Jahren  herauskristallisiert haben.

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist nach Auffassung der Abgeordneten eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen nötig, um die Unabhängigkeit, Professionalität und Transparenz der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten.

Umsetzung der „GRECO“-Maßnahmen gefordert

Die wichtigsten Schritte wären die Einführung eines spezifischen Ausbildungslehrganges für Richter_innen der Verwaltungsgerichte, die Stärkung der Personalsenate bzw. Personalausschüsse bei deren Auswahl, sowie die Transparenz der Auswahlentscheidung. Der Evaluierungsbericht der Group Of States Against Corruption (GRECO) des Europarates betone die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ausdrücklich. (Siehe dazu: „Greco“ fordert für Verwaltungsrichter einheitliches Dienstrecht und verbindliche Besetzungsvorschläge)

 

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Angleichung der Auswahl, Ausbildung und Dienstvoraussetzungen von Verwaltungsrichter_innen an jene der ordentlichen Richter_innen vorsieht, sowie Vereinheitlichungen im Dienstrecht der Landesverwaltungsrichter_innen und die Einführung eines transparenten Auswahlprozesses enthält.

Der Gesetzesentwurf soll dabei u.a. folgende Punkte beinhalten:

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Justiz und Demokratie: Rechtsstaat unter Druck

Kölner Silvesternacht, Asylverfahren, Dieselskandal: Nicht nur in Polen und Ungarn, auch in Deutschland wachsen Zweifel an der Bedeutung des Rechts und der Rolle der Justiz in modernen Demokratien. Was ist zu tun?

Von Andreas Voßkuhle

(Dieser Text ist eine gekürzte und leicht bearbeitete Fassung des Vortrags, den Bundesverfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle unter dem Titel „Rechtsstaat und Demokratie“ zur Eröffnung des Juristentages in Leipzig gehalten hat.)

Der demokratische Rechtsstaat ist uns sehr vertraut, er ist aber nicht selbstverständlich. Rechtsstaat und Demokratie haben sich in Deutschland vielmehr ungleichzeitig entwickelt und stehen seit je in einem wechselhaften Spannungs- und Ergänzungsverhältnis. Beide Prinzipien finden aber zusammen im Dienste der Freiheitsidee. Die Demokratie sichert die Selbstbestimmung des Volkes, indem sie die Bildung, Legitimation und Kontrolle derjenigen Organe organisiert, die staatliche Herrschaftsgewalt gegenüber dem Bürger ausüben. Der Rechtsstaat beantwortet hingegen die Fragen nach Inhalt, Umfang und Verfahrensweise staatlicher Tätigkeit. Er zielt auf Begrenzung und Bindung staatlicher Herrschaftsgewalt im Interesse der Sicherung individueller Freiheit – insbesondere durch die Anerkennung der Grundrechte, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Individualrechtsschutzes durch unabhängige Gerichte.

Das Wort Demokratie ist erst aufgrund der Einschränkung des Mehrheitsprinzips durch Gewaltenteilung und mehrheitenfeste Grundrechte, also durch Machtkontrolle, geadelt worden

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Einheitliche Richterausbildung wäre ein Irrweg

Die Diskussionen rund um die Ausbildung von Verwaltungsrichterinnen und –richtern in Österreich reißen nicht ab. In einem Gastbeitrag in der „Presse“ nimmt der Präsident des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, Patrick Segalla,  aus seiner Sicht dazu Stellung.

Berufserfahrung ist unerlässlich

Segalla hält die Auffassung, nur die Ausbildung zu Justizrichtern sei eine quasi allgemeingültige „naturgegebene“ Voraussetzung für ein Richteramt und davon dürfe man nicht abweichen, für sachlich nicht gerechtfertigt. Er verweist dazu auf die Berufslaufbahnen von Verwaltungsrichterinnen und –richtern in anderen europäischen Ländern, die häufig ganz bewusst auf Personen zurückgreifen, die über eine andere juristische Berufserfahrung verfügen. Hingegen würde die ordentliche Gerichtsbarkeit in der Regel Juristinnen und Juristen mit abgeschlossenem Studium aber ohne Berufserfahrung aufnehmen und diese intern ausbilden.

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CCJE Opinion (3): Aus- und Fortbildung für Richter

In der Stellungnahme Nr. 4 (2003) betont der Beirat der Europäischen Richter die besondere Bedeutung der richterlichen Aus- und Fortbildung, da die Richterschaft immer mehr als der höchste Garant für das demokratische Funktionieren der Institutionen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene angesehen wird.

Die Ausbildung angehender Richter vor der Übernahme ihrer Posten und die Fortbildung sind daher von besonderer Wichtigkeit. Denn nur eine geeignete Ausbildung ermöglicht nach Auffassung des CCJE die unparteiliche und kompetente Ausübung der richterlichen Funktionen sowie den Schutz der Richter vor unangebrachten Einflüssen.

Hier die Empfehlungen der Opinion Nr. 4 (auszugsweise) :

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Richtersein ist eine Sache des Charakters

Der Rechtsstaat kann nur so gut sein wie seine Richter. Jüngste Diskussionen rücken die Gerichtsbarkeit in ein schiefes Licht.

In einem lesenswerten Beitrag nimmt die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, zu den Diskussionen der letzten Wochen Stellung, die über Kandidaten für Richterämter geführt wurden (siehe dazu: Umstrittene Richterernennung).

Sie betont vehement das Erfordernis der notwendigen charakterlichen Eignung für das Amt, welche genau geprüft werden muss. Griss tritt in diesem Zusammenhang für eine einheitliche Richterausbildung ein. Diese hätte bereits ab dem Zeitpunkt stattfinden müssen, ab dem die Schaffung der Verwaltungsgerichte feststand. (Siehe dazu: Forderungen der Standesvertretungen der VerwaltungsrichterInnen an die Bundesregierung und die Landesregierungen zur Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform).

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