VfGH Judikatur / Anspruch auf Entscheidung in angemessener Frist: Entscheidung innerhalb angemessener Frist darf nicht mangels Vorlage eines Gutachtens verzögert werden

Die vom Verfassungsgerichtshof in einem Bedarfsprüfungsverfahren nach dem Apothekengesetz festgelegten Ermittlungs- und Entscheidungspflichten dürften auch in anderen Rechtsgebieten von Relevanz sein. 

In seiner Entscheidung vom 14.12.2022, E3150/2021, hat der Verfassungsgerichtshof abermals die Verpflichtung der Behörden betont, innerhalb angemessener Frist zu entscheiden. Der Gerichtshof hat zugleich ausgesprochen, dass selbst das Fehlen eines – im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen – Bedarfsprüfungs-Gutachtens die Behörde nicht von der Verpflichtung entbindet, ein Verfahren zügig abzuschließen. Um eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 Abs 1 EMRK durch überlange Verfahrensdauer zu vermeiden, hat die Behörde die Entscheidungsgrundlagen erforderlichenfalls auf andere geeignete Weise zu ermitteln.

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Verwaltung – „Selbstverblödung des Staates“

Warum Österreichs Verwaltung Gefahr läuft, massiv an Qualität zu verlieren. Eine Initiative fordert Maßnahmen.

Im vorigen Sommer beschrieb der der Jurist und Organisationsentwickler Wolfgang Gratz in einem langen Beitrag für die „Wiener Zeitung“ die „hohen Kosten der Banalisierung des Regierens„. Der Verwaltungsexperte sezierte darin den schleichenden Qualitätsverlust der Ministerialbürokratie und seine Ursachen, speziell durch das Primat der Parteipolitik in Österreich. Am Ende des Textes schrieb Gratz: „Es wäre wünschenswert, dass sich einige kundige Menschen zusammentun, deren Besorgnis und Empörung groß genug ist, um das Risiko eines Engagements einzugehen.“ Wenige Tage danach erhielt der Autor zwei Anrufe.

Etwas mehr als ein halbes Jahr später präsentierte Gratz mit 15 weiteren namhaften Proponentinnen und Proponenten die „Initiative bessere Verwaltung„, darunter sind ehemalige Spitzenbeamte wie Manfred Matzka, Thomas Wieser, Clemens Jabloner, Elisabeth Dearing sowie einige Forscher und Forscherinnen. Gemeinsam formulierten sie in sieben Kapiteln rund 50 konkrete Vorschläge. Deren Aufbereitung dem Verwaltungsmanagement entlehnt: Erst wurde der Status quo beschrieben und analysiert, im zweiten Schritt dann Ziele definiert und im dritten Schritt konkrete Maßnahmen angeführt. So sieht gute Verwaltung aus.

Chronisch schwaches Krisenmanagement

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Neue Klimaklage: Zwölf Kinder und Jugendliche klagen beim VfGH gegen das unzureichende Klimaschutzgesetz

Weil Kinderrechte im aktuellen Klimaschutzgesetz in Österreich nicht berücksichtigt werden, sei dieses verfassungswidrig, heißt es zum Hintergrund der Klage vor dem Verfassungsgerichtshof.

Die Kinderrechte sind in Österreich seit 2011 in der Verfassung verankert – und mit ihnen auch die Generationengerechtigkeit. „Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit“, heißt es dort.

Diese Gerechtigkeit sehen zwölf Kinder und Jugendliche verletzt – und bringen vor dem Verfassungsgerichtshof den Antrag ein, Bestimmungen des aktuellen Klimaschutzgesetzes als unzureichend aufzuheben. Vertreten werden sie dabei von der Anwältin Michaela Krömer, die auch schon andere Klimaklagen eingereicht hat. „Wir haben ein Klimaschutzgesetz, das seinen Namen nicht verdient und verfassungswidrig ist, weil es die Rechte der Kinder verletzt“, sagte Krömer bei einem Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten am Dienstag. Unterstützt wird die Klimaklage von Fridays for Future und vom neu gegründeten Verein Claw – Initiative für Klimarecht.

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Rechtsstaatlichkeit: EU friert Gelder für Ungarn ein

Erstmals wurde von der EU der sogenannte „Rechtsstaatsmechanismus“ aktiviert und aus Sorge, dass in Ungarn EU-Gelder wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung veruntreut werden, bis auf Weiteres Förderungen in der Höhe von 6,3 Milliarden Euro blockiert.

Kommission beklagt seit Jahren Missstände

Die EU-Kommission beklagte seit Jahren in Ungarn Korruption, autoritäre Tendenzen sowie den Abbau von Rechtsstaat und Medienfreiheit. Der Rechtsstaatsmechanismus zielt allerdings ausschließlich auf solche Missstände ab, derentwegen EU-Gelder in den falschen Taschen landen könnten. Gefährden diese Defizite die ordnungsgemäße Verwendung, kann Brüssel Fördermittel zurückhalten. Im April eröffnete die Behörde das Verfahren gegen Ungarn; im September drohte Haushaltskommissar Johannes Hahn, 7,5 Milliarden Euro einzufrieren, wenn Ungarn nicht bis 19. November 17 Reformen umsetzt, die den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft verbessern.

Vor zwei Wochen stellte Hahn fest, dass die 17 Versprechen unzureichend erfüllt worden seien. Daher schlug er den EU-Finanzministern vor, die Milliarden tatsächlich zurückzuhalten. Diese Entscheidung musste mit einer sogenannten qualifizierten Mehrheit getroffen werden, was in etwa einer Zweidrittelschwelle entspricht.

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EuGH: Öffentliche Einsicht in Transparenzregister ohne Darlegung eines berechtigten Interesses unzulässig

Mit Urteil vom 22. November 2022 hat der Europäische Gerichtshof die öffentliche Einsicht in die Register der wirtschaftlichen Eigentümer für unzulässig erklärt, da hierdurch gegen EU-Grundrechte verstoßen wird (Rechtssachen C‑37/20 und C‑601/20)

Die sog. 5. EU-Geldwäscherichtlinie war als Reaktion auf den Skandal rund um die „Panama Papers“ zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erlassen worden, um die Transparenz des wirtschaftlichen und finanziellen Umfelds der EU durch die Schaffung der öffentlichen Einsicht in die Register der wirtschaftlichen Eigentümer zu verbessern.

Ursprünglich waren personenbezogenen Daten von wirtschaftlichen Eigentümern nur für zuständige Behörden und zentrale Meldestellen und einem spezifisch genannten Kreis von Berechtigten zugänglich, die ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten. Die Änderung durch die 5. EU-Geldwäscherichtlinie sah im Sinne einer effektiveren Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung vor, dass allen Mitgliedern der Öffentlichkeit Zugang zu den Transparenzregistern und somit zu personenbezogenen Daten der wirtschaftlichen Eigentümer gewährt wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse dargelegt werden muss.

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Coronaregeln in Bayern: Ausgangsbeschränkung war unverhältnismäßig

Seit den Lockdowns im Jahr 2020 wurde viel über Freiheit und Grundrechte gesprochen. In einer letzte Woche veröffentlichten Entscheidung hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die damals in Bayern geltenden Ausgangssperren für rechtswidrig erklärt.

Bayerns umstrittene Corona-Regeln aus dem März 2020 waren unverhältnismäßig scharf. Die damalige Ausgangsbeschränkung – also das Verbot, die eigene Wohnung ohne einen triftigen Grund zu verlassen – sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, hieß es. Die Richter wiesen damit eine Revision der Staatsregierung gegen ein vorheriges Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zurück.

Bloßes Sitzen auf Parkbank war verboten

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Ehemalige EGMR-Richterin: Reform der EMRK nicht erforderlich

In einem Interview in der „Kleinen Zeitung“ spricht sich Eli­sa­beth Stei­ner, von 2001 bis 2015 Ös­ter­reichs Rich­te­rin am Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te, gegen Re­form­wün­sche an der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on aus.

Die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on sei ein un­glaub­lich bahn­bre­chen­der Text, sie sei in den 1950er-Jah­ren ent­stan­den und nach wie vor einer der größ­ten Mei­len­stei­ne der Mensch­heits­ge­schich­te, so Steiner. Eine Reform der EMRK, die sie nicht für erforderlich halte, wäre schon deshalb ein langwieriger Prozess, weil die EMRK als völ­ker­recht­li­cher Ver­trag nur durch die 46 Vertragsstaaten geändert werden könne, die alle an einen Tisch kom­men und sich mit all ihren un­ter­schied­li­chen Rechts- und Wer­te­vor­stel­lun­gen auf eine Än­de­rung ei­ni­gen müssten.

Dass die EMRK so stark von Rich­ter­sprü­chen ge­prägt ist, liege im Wesen der Kon­ven­ti­on. Die un­ter­schied­lichs­te Mei­nun­gen, Kul­tu­ren und Rechts­sys­te­me der Mitgliedsstaaten müssten auf einen Nenner gebracht werden. Das sei Aufgabe der Rich­ter.

Li­ving In­stru­ment“ zur Weiterentwicklung der Konvention

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Dieselgate“: EuGH räumt anerkannten Umweltvereinigungen Klagerecht gegen EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge mit verbotenen „Abschalteinrichtungen“ ein

Die Deutsche Umwelthilfe hatte vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht die Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts angefochten, mit der für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen die Verwendung einer Software zur Verringerung des Recyclings von Schadstoffen nach Maßgabe der Außentemperatur genehmigt wurde.

Nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe stellte ein solches Thermofenster eine gemäß dem Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung dar.

Die Bundesrepublik Deutschland machte geltend, dass die Deutsche Umwelthilfe für eine Anfechtung der streitigen Entscheidung, mit der eine EG-Typgenehmigung geändert wird, nicht klagebefugt und ihre Klage daher unzulässig sei. Im Übrigen sei das in Rede stehende Thermofenster mit dem Unionsrecht vereinbar.

Auslegung des Übereinkommens von Aarhus über Zugang zu Informationen, Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten

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Österreich fällt in Rechtsstaat-Index aus den Top Ten

Laut dem Rule of Law Index geht die Rechtsstaatlichkeit weltweit zurück. Österreich schneidet bei Korruption und Transparenz vergleichsweise schlecht ab

Die Welt befindet sich in einer tiefen Rezession – nicht wirtschaftlich, sondern rechtsstaatlich. Laut dem Rule of Law Index 2022 nahm die Rechtsstaatlichkeit global das fünfte Jahr in Folge ab. Der Index, der am Mittwoch veröffentlicht wurde und vom World Justice Project auf Basis umfassender Umfragen erstellt wird, weist heuer in 61 Prozent der Staaten einen Rückgang aus – auch in Österreich.

Österreich befindet sich in Sachen Rechtsstaatlichkeit traditionellerweise im weltweiten Spitzenfeld, verlor im Vergleich zum Vorjahr allerdings zwei Plätze und liegt nun auf Rang elf. Die Spitzenpositionen belegen die nordeuropäischen Länder Dänemark, Norwegen und Finnland. Deutschland rangiert auf Platz sechs. Dahinter reiht sich mit Neuseeland der einzige nichteuropäische Staat in den Top Ten ein.

Gute Noten bekommt Österreich im Bereich der Strafjustiz. Vergleichsweise schlecht sieht es dagegen in den Kategorien „Abwesenheit von Korruption“ und „Offene Regierung“ aus. Dort belegt Österreich weltweit nur den 18. bzw. den 20. Platz. Wenig Korruption sieht der Index hierzulande bei Justiz und Polizei. Nachholbedarf wird dagegen bei Verwaltung und Gesetzgebung deutlich.

„Wenig überraschend“

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Mehr als 900 Covid-Anträge vor Höchstgericht

85 Prozent sind erledigt – der Verfassungsgerichtshof entschied meist, als die Regelung gar nicht mehr in Kraft war.

Lockdown für Ungeimpfte, 2G-Regel, Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote, zuletzt die Finanzhilfen: Österreichs Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist seit Beginn der Covid-19-Pandemie mit Prüfungsverfahren zu diesem Thema gefordert. Konkret seien seit April 2020 rund 920 Fälle mit Covid-19-Bezug eingegangen, heißt es auf Nachfrage der „Wiener Zeitung“ vom VfGH. 85 Prozent seien bereits erledigt – in nur etwa 15 Prozent der Fälle waren die Antragsteller laut VfGH erfolgreich. Einige Anträge wurden auch aus formalen Gründen zurückgewiesen.

Zu den prominentesten Fällen, in denen erfolgreich im Sinne der Antragsteller entschieden wurde, zählen wohl die Corona-Ausgangs-Verordnung und die 400-Quadratmeter-Verordnung: Diese waren laut VfGH teils gesetzeswidrig. Konkret jene Teile, die das Betreten des öffentlichen Raumes und die Nutzung der Öffis unter nur vier Bedingungen zugelassen haben: zum Zweck der Berufsarbeit, um Hilfe zu holen, um dringende Besorgungen zu erledigen oder Spaziergänge zu unternehmen. Auch die Verpflichtung, Gründe für das ausnahmsweise Betreten des öffentlichen Raumes bei einer Polizeikontrolle glaubhaft zu machen, ging laut VfGH über die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen hinaus.

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