EuGH: Recht auf Zugang zu Dokumenten  im Zusammenhang mit Geschäftsgeheimnissen  

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteilen vom 22.01.2020 das Recht auf Zugang zu Dokumenten bestätigt, die in den Akten zu einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind.

Gleichzeitig stellte er klar, dass ein Widerspruch gegen einen solchen Zugang Erläuterungen zu Art, Gegenstand und Tragweite der Daten enthalten müsse, deren Verbreitung geschäftliche Interessen beeinträchtigen würde (Az.: C-175/18 P und C-178/18 P).

Unternehmen fordert Vertraulichkeit aller Dokumente im Genehmigungsverfahren

Konkret ging um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), mit denen gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu mehreren Dokumenten, nämlich zu Berichten über toxikologische Prüfungen und zu einem Bericht über eine klinische Prüfung, gewährt wurde, die von den Rechtsmittelführerinnen, PTC Therapeutics International und MSD Animal Health Innovation und Intervet International, im Rahmen ihrer Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zweier Arzneimittel vorgelegt worden waren.

Bei dem einen Arzneimittel handelte es sich um ein Humanarzneimittel (Az.: C-175/18 P), bei dem anderen um ein Tierarzneimittel (Az.: C-178/18 P). Die EMA beschloss in beiden Fällen, nachdem sie das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel genehmigt hatte, den Inhalt der erwähnten Berichte Dritten vorbehaltlich einiger Schwärzungen zugänglich zu machen. Die Rechtsmittelführerinnen meinten, dass für diese Berichte in ihrer Gesamtheit eine Vermutung der Vertraulichkeit bestehen müsse. Die EMA vertrat dagegen die Ansicht, dass die genannten Berichte mit Ausnahme der bereits unkenntlich gemachten Informationen keinen vertraulichen Charakter aufwiesen. Das Gericht der Europäischen Union wies die Klagen auf Nichtigerklärung der EMA-Beschlüsse zurück. .

Keine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit

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Informationsfreiheit: „Transparenz“-Register wird öffentlich

Im Sommer 2019 wurde mit dem EU-Finanz-Anpassungsgesetz auch das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG) geändert. Damit wird die 5. Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/843) in Österreich umgesetzt. Ziel ist die Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Viele relevante Änderungen zum WiEReG sind aber erst heuer in Kraft getreten.

Mit dem Register werden in Österreich erstmals die wahren wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, Stiftungen, Vereinen und Trusts in einem einheitlichen Register erfasst. Das Register wird durch die beim Bundesminister für Finanzen eingerichtete Registerbehörde geführt. Als gesetzliche Dienstleisterin bedient sich die Registerbehörde der Bundesanstalt Statistik Austria, die das Register auf Basis des Unternehmensregisters betreibt.

Neuerungen ab Jänner 2020:

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Kumulationsprinzip kommt vor VfGH: Strafdrohungen für Praxis zu unklar?

Verwaltungsgericht Steiermark ruft nochmals die Höchstgerichte an.

Die türkis-grüne Koalition könnte mit einem der vielen Vorhaben im Regierungsprogramm bald unter Zeitdruck kommen. Es geht um die Reform des umstrittenen Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht, die von den Koalitionsparteien auf Seite 14 ihres Programms für den Zeitraum bis 2024 angekündigt wurde. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark, das durch die erfolgreiche Einschaltung des EU-Gerichtshofs das Prinzip bereits sturmreif geschossen hat, will aber jetzt konkrete Taten sehen.

Nach dem Kumulationsprinzip sind bei Verstößen gegen das Verwaltungsstrafrecht Strafen in so großer Zahl zu verhängen, wie der betreffende Tatbestand verwirklicht wurde. Das kann zu absurden Folgen führen, wie der im Vorjahr vom EuGH entschiedene Fall Maksimovic (C-64/18) gezeigt hat: Vier Manager von Andritz wurden zu Geldstrafen von insgesamt 20 Millionen Euro verurteilt – und, sollten sie nicht zahlen, zu mehr als neun Jahren Ersatzfreiheitsstrafe.

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Polen: Unterstützung aus Europa für den „Marsch der tausend Roben“ gegen Justizreform

Tausende Richter und Richterinnen, Juristen und Juristinnen und andere Bürger bzw. Bürgerinnen aus rund 20 Staaten Europas, darunter Österreich, haben am Freitag in Warschau gegen Gesetzespläne der polnischen Regierung protestiert, die die Unabhängigkeit der Justiz weiter einschränken könnten.

Der als „Marsch der tausend Roben“ angekündigte Solidaritätsmarsch durch das Stadtzentrum vom Obersten Gerichtshof zum Parlamentsgebäude richtete sich nach Angaben der polnischen Richtervereinigung Iustitia gegen Pläne der rechtskonservativen polnischen Regierung zur „Disziplinierung“ von Richtern.

Gegner kritisieren Regierungsplan

Die vom Parlament noch nicht endgültig beschlossene Gesetzesvorlage soll nach Ansicht der Gegner und Gegnerinnen dazu dienen, polnische Richter bzw. Richterinnen zu bestrafen, die sich kritisch über die Justizreformen der Regierung äußern.

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Deutschland: Verwaltungsgerichte ordnen Rückholung von IS-Familien an

Oberverwaltungsgericht Berlin

Dutzende Deutsche, die sich einst der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen hatten, leben in kurdischen Lagern in Syrien. Die Kurden fordern die Rückholung der Kämpfer und ihrer Angehörigen. Doch Deutschland und andere westliche Staaten tun sich damit schwer. Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht entschieden hatte, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, Angehörige von IS-Kämpfern nach Deutschland zurückzuholen, hat nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine dagegen erhobene Beschwerde des Auswärtigen Amts zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Mit dem Beschluss wird das Außenministerium aufgefordert, die Identität dreier minderjähriger Kinder in einem syrischen Flüchtlingslager feststellen zu lassen und sie und ihre Mutter danach nach Deutschland bringen zu lassen, sagte eine Gerichtssprecherin. In der Eilentscheidung heißt es, die aus Niedersachsen stammende Mutter und die Kinder könnten sich auf die im Grundgesetz verankerte staatliche Schutzpflicht berufen. Die Familie lebe derzeit in dem Flüchtlingslager Al-Haul. Die Zustände dort seien eine Bedrohung für das Leben der Kinder. Daher müsse der deutsche Staat tätig werden.

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Europäische Arbeitsbehörde nimmt ihre Tätigkeit auf

Die neue EU-Agentur European Labour Authority (ELA) soll dazu beitragen, die Fairness und das gegenseitige Vertrauen im Binnenmarkt zu fördern, indem sie sicherstellt, dass die arbeitsrechtlichen Vorschriften der EU in fairer, einfacher und wirksamer Weise durchgesetzt werden.

Die Behörde hat ihre Tätigkeit zunächst in Brüssel aufgenommen, endgültiger Sitz wird Bratislava (Slowakei) sein, wo bis zum Jahr 2024 bis zu 140 Mitarbeiter beschäftigt sein sollen.

Die ELA als neues Werkzeug gegen Sozialdumping

Laut der Europäischen Kommission arbeiten oder leben 17 Mio. Unionsbürger – davon 11,8 Mio. im erwerbsfähigen Alter – in einem anderen Mitgliedstaat der EU als ihrem Heimatstaat (das sind doppelt so viele als noch vor zehn Jahren) und jeden Tag überschreiten 1,4 Mio. davon eine EU-Binnengrenze, um an ihren Arbeitsort zu gelangen.

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EuGH: Frankreich wegen systematischer Luftverschmutzung verurteilt

Über Jahre hat Frankreich die Grenzwerte für Stickstoffdioxide in der Luft überschritten – und wurde dafür jetzt verurteilt.

Frankreich hat jahrelang systematisch gegen EU-Vorgaben für saubere Luft verstoßen. Das urteilte jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Damit gibt das Gericht der EU-Kommission Recht, die wegen erhöhter NO2-Werte Klage gegen Frankreich erhoben hatte.

Dem Urteil nach habe Frankreich über Jahre keine wirksamen Maßnahmen umgesetzt, um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid schnellstmöglich einzuhalten, befanden die Luxemburger Richter (Rechtssache C-636/18). Bei der Klage ging es um zwölf Ballungsgebiete, darunter auch die Städte Paris, Marseille und Straßburg.

Im Urteil heißt es wörtlich: „Der Zeitraum der Überschreitung, die zwölf französische Ballungsräume und Luftqualitätsgebiete betrifft, hätte so kurz wie möglich sein müssen.“

Auch Deutschland droht eine Verurteilung

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Standortentwicklungsgesetz: Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich

Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) hatte bereits im Sommer 2018 in seiner Stellungnahme zum Ministerialentwurf eines Standort-Entwicklungsgesetzes auf gravierende rechtliche Mängel hingewiesen.

Nun hat die EU-Kommission wegen dieses Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Auch die EU-Behörde sieht Rechtsschutzdefizite und ortet „problematische Aspekte“ im Umweltrecht.

Die EU-Kommission kritisiert vor allem einen Hauptpunkt des Standortgesetzes, nämlich die erhöhte Genehmigungspflicht („Rechtsvermutung der Genehmigung“). Diese sieht vor, dass eine Behörde – bei besonderem öffentlichen Interesse, das von einem Beirat bestätigt wird – nach zwölf Monaten eine Entscheidung über ein Projekt fällen kann.

Dadurch sieht es die EU-Kommission nicht als gesichert an, dass alle Umweltauswirkungen berücksichtigt werden. Das sieht aber wiederum die EU-UVP-Richtlinie vor.

Mangelnder Rechtsschutz

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EuGH:  Facebook kann zum Löschen von „Hasspostings“ gezwungen werden

Dado Ruvic/REUTERS

Auf gerichtliche Anordnung muss Facebook „Hasspostings“ nicht nur für Nutzer in der EU unzugänglich machen oder löschen, sondern weltweit.

So der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einer aktuellen Entscheidung  (C-18/18).

Auch wortgleiche Äußerungen betroffen

Onlinedienste wie Facebook können gezwungen werden, bei für rechtswidrig erklärten Kommentaren weitere wortgleiche Äußerungen zu suchen und diese ebenfalls zu sperren oder zu löschen. Unter Umständen gilt dies sogar für Informationen sinngleichen Inhalts. Nach Auffassung des Gerichtshofs steht das EU-Recht entsprechenden Entscheidungen nationaler Gerichte nicht entgegen. Unter Berücksichtigung des relevanten internationalen Rechts könne sogar eine weltweite Löschung der Beiträge veranlasst werden.

Damit geht der EuGH über die Position des Generalanwalts hinaus, der sich ursprünglich dagegen ausgesprochen hatte, Facebook eine Pflicht aufzuerlegen, auch sinngleiche Kommentare dritter Nutzer zu löschen, hieß es in seinem Schlussplädoyer. Dies könne schon wegen der Kosten von Facebook nicht verlangt werden. Außerdem sei die Meinungs- und Informationsfreiheit in Gefahr, wenn Facebook zur Löschung solcher Drittkommentare verpflichtet würde.

Kein Verstoß gegen EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

 

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EuGH bestätigt die Bedenken des LVwG Steiermark hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen bei Arbeitskräfteüberlassung

Das LVwG Steiermark hegte berechtigte Zweifel an der Vereinbarkeit der Strafbestimmungen des AVRAG im Zusammenhang mit der Arbeitskräftüberlassung, entschied der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren.

Auch wenn den Gerichten ein gewisser Ermessensspielraum bei der Strafbemessung eingeräumt wird, wird dieser jedoch durch das Zusammenspiel von Kumulationsprinzip, strafsatzändernden Umständen und hohen Mindeststrafen so stark eingeschränkt, dass sich selbst bei Verhängung der niedrigsten möglichen Strafe eine sehr hohe Gesamtstrafe ergibt. Dies ist mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen nicht vereinbar.

Weiters wollte das vorlegende Gericht wissen, ob die Möglichkeit der Verhängung einer mehrjährigen Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe für ein fahrlässig begangenes Verwaltungsdelikt mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht. Schließlich wurde auch der Beschwerdekostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe für den Fall der Abweisung der Beschwerde gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG in Frage gestellt. Auch diese Bedenken teilt der Gerichtshof.

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