Verwaltungsgericht Hannover: Corona-Maßnahmen der Justizverwaltung unterliegen Umweltinformationsgesetzen

Das Verwaltungsgericht Hannover hob einen Bescheid des niedersächsischen Justizministeriums auf, mit welchem einem Journalisten der Zugang zu den die Justiz betreffenden Corona-Erlässen verweigert wurde. Da sich das Coronavirus maßgeblich über die Luft verbreite, stellten diese Erlässe, welche unter anderem auf die Reduzierung der Aerosolbelastung der Luft in allen Bereichen abzielten, in denen sich Justizbedienstete und oder Besucher der Justiz aufhalten, Umweltinformationen dar.

Öffentliches Interesse an der Kontrolle des Regierungshandelns

Der Antragsteller, ein Journalist, hatte beim niedersächsischen Justizministerium den Zugang zu sämtlichen an die Landesjustizbehörden gerichteten Erlässe zum Umgang mit der Corona Pandemie beantragt. Den Antrag stützte der Journalist u.a. auf das niedersächsische Umweltinformationsgesetz.

Er machte geltend, zur Zeit erlebe die Öffentlichkeit erhebliche Einschränkungen des gewöhnlichen Betriebs des Gerichtswesens. Es bestehe daher ein akutes Bedürfnis zur inhaltlichen Kenntnisnahme der Erlässe. Nur so könne eine sachgerechte Auseinandersetzung der Medien und der Öffentlichkeit mit den aus den Erlässen folgenden Einschränkungen für das Justizwesen erfolgen. Die Öffentlichkeit habe ein Interesse an der Kontrolle des Regierungshandelns. Dies diene der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, des Grundrechtes auf Zugang zu den Gerichten, des Rechtes auf effektiven Rechtsschutz sowie dem Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren.

Das niedersächsische Justizministerium lehnte den Antrag mit Bescheid ab. Bei den streitigen Erlässen handle sich um innerdienstliche Vorgänge, die zum Gebrauch in der niedersächsischen Justiz bestimmt seien und im übrigen weder Umweltinformationen noch Verbraucherinformationen enthielten.

Begriff der Umweltinformation weit ausgelegt

Das Verwaltungsgericht Hannover vertrat dagegen die Auffassung, der erforderliche Bezug zur Luft und damit zur Umwelt sei bei den ministeriellen Erlassen gegeben. Mit den Erlässen bezwecke das Justizministerium unter anderem die Reduzierung der Aerosolbelastung der Luft in allen Bereichen, in denen sich Justizbedienstete und oder Besucher der Justiz aufhalten. Damit sei die Möglichkeit der Beeinträchtigung des Umweltbestandteils Luft durch die Erlässe nicht eine nur theoretische, eher fernliegende Möglichkeit (BVerwG, Urteil v. 27.11.2014, 7 C 12.13), vielmehr seien die Auswirkungen der Erlässe auf die Zusammensetzung der Luft evident.

Nach Auffassung des Gerichts betreffe der geltend gemachte Übermittlungsanspruch Umweltinformationen im Sinne der Umweltinformationsgesetze der Länder. Der Begriff der Umweltinformationen sei nach der Rechtsprechung des BVerwG weit auszulegen (BVerwG, Urteil v. 20.2.2017, 7 C 31.15). Umweltinformationen seien danach alle Daten über Maßnahmen und Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile, also auch auf die Luft, auswirken können, § 2 Abs. 3 Nr. 3a NUIG.

Die Subsumtion einer Maßnahme unter den Begriff der Umweltinformation setze nicht voraus, dass eine Maßnahme oder Erlass den Schutz der Luft als solchen bezwecke, es reiche ein sachlicher Bezug zum Umweltbestandteil Luft. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Umweltinformationsgesetze, die in Angelegenheiten des Umweltschutzes eine hohe Transparenz zwischen Bürger und Staat schaffen sollten.

Diese Sichtweise entspricht nach Auffassung des Gerichts auch der Umweltinformationsrichtlinie der EU 2003/4/EG, die einen erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen vorsehe, um so einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an für die Umwelt bedeutsamen Entscheidungen zu ermöglichen.

Der Antragsteller habe das Recht auf eine originäre, vollständige Information, die nur durch direkte Einsichtnahme möglich ist. Der Antragsteller dürfe nicht nur auf Pressemitteilungen und Informationen auf der Website des Justizministeriums verwiesen werden, da Pressemitteilungen auf der Website regelmäßig lediglich Zusammenfassungen der ergriffenen Maßnahmen abbildeten.

Hier geht’s zur Presseaussendung des Verwaltungsgerichts Hannover …

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