Judikatur VfGH / Symbole-Gesetz: Die erwartete Verwendung eines verbotenen Symbols allein ist nicht ausreichend, um eine Versammlung zu untersagen

Die Landespolizeidirektion Wien hatte eine im März 2021 angezeigte „Kundgebung für Frieden und Demokratie in Kurdistan“ untersagt, da die öffentliche Zurschaustellung der vom Symbole-Gesetz verbotenen Symbole der PKK (Kurdischen Arbeiterpartei) zu erwarten sei und dieses Verbot auch von der Versammlungsbehörde zu beachten sei.

Die Beschwerde beim VfGH richtete sich gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, in dem dieses die Untersagung für rechtmäßig befunden hatte. Das Verwaltungsgericht Wien war davon ausgegangen, dass das Symbole-Gesetz ein unmittelbar wirksames, auch von der Versammlungsbehörde zu beachtendes Verbot enthalte. Das Verbot nach dem Symbole-Gesetz, ein bestimmtes Symbol zu verwenden, habe für die Untersagung einer Versammlung eine bestimmte Indizwirkung.

Den Rest des Beitrags lesen »

Judikatur VfGH / COVID-19-Schutzmaßnahmen: Lockdown für ungeimpfte/nicht genesene Personen im November 2021 war gerechtfertigt

Auch Zugangsregel für Nachtgastronomie verstieß nicht gegen Gleichheitsgrundsatz.

Die vom 15. bis zum 21. November 2021 geltende 5. COVID-19-Schutz­maßnahmenverordnung, die einen Lockdown für ungeimpfte und nicht genesene Personen sowie einen 2G-Nachweis für bestimmte Orte vorsah, war weder gesetz- noch verfassungswidrig. Er war sachlich gerechtfertigt und hat nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, stellte der Verfassungsgerichtshof in seinen jüngst veröffentlichten Erkenntnissen fest. Auch die Regelung für die Nachtgastronomie vom Sommer 2021 bestand vor dem VfGH.

Im April wird vom VfGH über den zweiten, längeren Lockdown für ungeimpfte Personen im vergangenen Winter beraten.

Durch Lockdown wurde Überlastung des Gesundheitssystems vermieden

Den Rest des Beitrags lesen »

Judikatur VwGH / Maskenpflicht: Die Behörde ist berechtigt, ärztliche Atteste zu überprüfen

Im vorliegenden Fall nahm im Jänner 2021 ein Mann an einer Versammlung teil, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, obwohl bei der Versammlung der Mindestabstand nicht eingehalten werden konnte. Als ihn die zuständige Bezirkshauptmannschaft zur Rechtfertigung aufforderte, legte der Mann ein ärztliches Attest vom September 2020 vor, wonach ihm aus gesundheitlichen Gründen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht zumutbar gewesen sei. Die Behörde hegte jedoch Zweifel an diesem Attest.

Laut Auskunft der Ärztekammer für die Steiermark seien nämlich Atteste des Arztes, der das Attest des Mannes ausgestellt hatte, ab Oktober 2020 jedenfalls ungültig, weil ihm ab diesem Zeitpunkt die Ausübung des Arztberufes untersagt worden sei. Hinsichtlich jener Atteste, die vor der Berufsuntersagung ausgestellt worden seien (wie das des Mannes), bestünden aufgrund des Umstandes, wie man die Atteste des Arztes im Internet habe bestellen können, und auch aufgrund öffentlicher Aussagen des Arztes erhebliche Zweifel, ob die Atteste den Anforderungen des § 55 Ärztegesetzes entsprechen.

Den Rest des Beitrags lesen »

EuGH weist Klagen Ungarns und Polens gegen den Rechtsstaatsmechanismus ab

Das Plenum des Gerichtshofs weist die Klagen Ungarns und Polens gegen den Konditionalitätsmechanismus ab, der den Erhalt von Mitteln aus dem Unionshaushalt davon abhängig macht, dass die Mitgliedstaaten die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit einhalten. Der EuGH entschied, dass dieser Mechanismus, die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen, auf einer geeigneten Rechtsgrundlage erlassen wurde, mit dem Verfahren nach Art. 7 EUV vereinbar ist und insbesondere im Einklang mit den Grenzen der Zuständigkeiten der Union sowie mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit steht.

Am 16. Dezember 2020 erließen das Parlament und der Rat die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092, mit der eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union bei Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat eingeführt wird. Zur Erreichung dieses Ziels kann der Rat nach der genannten Verordnung auf Vorschlag der Kommission Schutzmaßnahmen wie etwa die Aussetzung der zulasten des Haushalts der Union gehenden Zahlungen oder die Aussetzung der Genehmigung eines oder mehrerer aus Haushaltsmitteln der Union finanzierter Programme treffen.

Den Rest des Beitrags lesen »

Judikatur VfGH / VfGG: Wiederaufnahme des Verfahrens bei Parteianträgen auf Normenkontrolle wird zulässig

Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmung des § 34 Verfassungsgerichtshofgesetz (VfGG), welche die Wiederaufnahme des Verfahrens bei Parteianträgen auf Normenkontrolle für unzulässig erklärt hat, wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsprinzips als verfassungswidrig aufgehoben (G 229/2021 vom 15.12.2021).

Besondere Bedeutung der Normenkontrolle für individuellen Rechtsschutz

Der Gerichtshof sieht keine sachliche Rechtfertigung dafür, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zwar im Verfahren nach der ZPO vor den ordentlichen Gerichten vorzusehen, nicht aber auch im Verfahren vor dem VfGH, in dem subsidiär ebenfalls die ZPO anzuwenden ist, da das Rechtsschutzinteresse in allen Verfahren gleichartig ist.

Den Rest des Beitrags lesen »

VfGH Judikatur / AuslBG: Mitwirkung der Sozialpartner bei Ausländerbeschäftigung aufgehoben

Höchstgericht kippt Mitwirkung der Sozialpartner bei Ausländerbeschäftigung

Sozialpartner werden beim AMS entmachtet. VfGH kippt die Mitbestimmung von ÖGB, Wirtschaftskammer und Co bei Beschäftigungsbewilligungen. Aufgehobene Regelung kann aber vorerst weiter gelten.

Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das am Dienstag bekanntgeworden ist, wird für politischen Wirbel sorgen. Das Höchstgericht hat die Mitbestimmung der Sozialpartner bei der Vergabe von Beschäftigungserlaubnissen an Drittstaatsangehörige gekippt.

Den Rest des Beitrags lesen »

Meinungsfreiheit: EGMR stärkt Anonymität im Netz

Österreichische Gerichte zwangen eine Zeitung rechtswidrig, die Identität von Nutzern ihres Online-Forums nach beißender Kritik an einer politischen Partei preiszugeben.

„Abschreckende Wirkung“ auf öffentliche Debatte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass Österreich mit nationalen Urteilen zur Herausgabe persönlicher Daten von Nutzern eines Online-Diskussionsforums der Zeitung „Standard“ gegen die in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Meinungsfreiheit verstoßen hat. Die Straßburger Richter betonten, dass eine Pflicht zur Offenlegung von Informationen über die User „eine abschreckende Wirkung“ auf die öffentliche Debatte hätte.

In der Auseinandersetzung ging es um die Preisgabe der Identität von drei Foren-Teilnehmern, deren Beiträge aus den Jahren 2011 bis 2013 unter anderem den österreichischen Rechtspopulisten Herbert Kickl (FPÖ) sowie die Freiheitlichen in Kärnten, eine Landesgruppe der FPÖ, zu Klagen veranlasst hatten. Die Verlagsgesellschaft hatte die Kommentare, in denen rechtsgerichtete Politiker mit Korruption oder Neonazis in Verbindung gebracht wurden, zwar geprüft und entfernt. Sie weigerte sich aber, die persönlichen Daten der Verfasser der Postings preiszugeben.

Offene Diskussion fördern

Den Rest des Beitrags lesen »

Corona als Stresstest für den Rechtsstaat

Eilverfahren vor dem VfGH stehen angesichts der geplanten Impfpflicht zunehmend in Diskussion.

Schnell soll es gehen, am besten immer schneller, aber die Entscheidung darf dann bloß nicht unüberlegt sein – vor allem nicht, wenn sie vom Höchstgericht kommt: Die Einführung von Eilverfahren vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) steht aktuell angesichts der zahlreichen Covid-19-Maßnahmen, die diesen beschäftigen, zunehmend in Diskussion.

Zuletzt hat die oberösterreichische FPÖ diese gefordert, und zwar, um die für 1. Februar 2022 geplante Impfpflicht auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen. Bereits im Vorjahr, zu Beginn der Pandemie in Österreich, brachten die Neos einen diesbezüglichen Antrag im Nationalrat ein. Und auch der Präsident des Rechtsanwaltskammertages Rupert Wolff plädierte nach Erlass der ersten Covid-19-Maßnahmengesetze dafür.

Den Rest des Beitrags lesen »

VwGH Judikatur / Richterdienstrecht: Revision gegen Dienstbeurteilung durch Personalsenat zulässig; keine Parteistellung des Personalsenats vor dem Höchstgericht 

Die Entscheidungen eines Personalsenats eines Verwaltungsgerichts (hier: BFG) können mit Revision beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden, auch wenn dies im Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz nicht ausdrücklich normiert ist (VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007, Ro 2021/09/0030).

Dienstbeurteilung eines Personalsenats erfolgt als „Beschluss“

Der Personalsenat des Bundesfinanzgerichts hatte für den Revisionswerber für das Kalenderjahr 2020 von Amtswegen eine Dienstbeschreibung durchgeführt und festgestellt, „unter Berücksichtigung der Kriterien des § 54 Abs. 1 RStDG“ habe sich die Gesamtbeurteilung „nicht entsprechend“ ergeben. Gemäß § 55 Abs. 2 RStDG könne der Richter gegen die Gesamtbeurteilung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung Beschwerde an den Personalsenat des übergeordneten Gerichtshofes erheben. Da für das Bundesfinanzgericht kein Personalsenat eines übergeordneten Gerichtshofes bestehe, sei gegen diese Mitteilung ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Den Rest des Beitrags lesen »

Judikatur VfGH / Epidemiegesetz: Keine finanzielle Vergütung bei Absonderung nach telefonischer Empfehlung durch „Gesundheitsnummer 1450“

Nach dem Epidemiegesetz besteht ein Anspruch auf Vergütung für entstandene Vermögensnachteile nur, wenn der Betroffene gemäß § 7 EpidemieG 1950 behördlich abgesondert wurde. Eine freiwillige Absonderung nach telefonischer Empfehlung durch einen Mitarbeiter vom Bürgerservice der „Gesundheitsnummer 1450“ führt zu keinem Anspruch auf Entschädigung, weil diese nicht hoheitlich tätig ist (VfGH 06.10.2021, E 221/2021 ua).

Freiwillige Absonderung liegt auch vor, wenn sie nach staatlicher Empfehlung erfolgt

Gemäß § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 können zur Verhütung der Weiterverbreitung von COVID-19 kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.

Den Rest des Beitrags lesen »