Judikatur VfGH / Symbole-Gesetz: Die erwartete Verwendung eines verbotenen Symbols allein ist nicht ausreichend, um eine Versammlung zu untersagen

Die Landespolizeidirektion Wien hatte eine im März 2021 angezeigte „Kundgebung für Frieden und Demokratie in Kurdistan“ untersagt, da die öffentliche Zurschaustellung der vom Symbole-Gesetz verbotenen Symbole der PKK (Kurdischen Arbeiterpartei) zu erwarten sei und dieses Verbot auch von der Versammlungsbehörde zu beachten sei.

Die Beschwerde beim VfGH richtete sich gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, in dem dieses die Untersagung für rechtmäßig befunden hatte. Das Verwaltungsgericht Wien war davon ausgegangen, dass das Symbole-Gesetz ein unmittelbar wirksames, auch von der Versammlungsbehörde zu beachtendes Verbot enthalte. Das Verbot nach dem Symbole-Gesetz, ein bestimmtes Symbol zu verwenden, habe für die Untersagung einer Versammlung eine bestimmte Indizwirkung.

Gegen das gesetzliche Verbot, bestimmte Symbole öffentlich zur Schau zu stellen, bestehen, so der VfGH, an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein solches Verbot greife zwar in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung ein, doch sei der Eingriff zulässig, wenn er in einer demokratischen Gesellschaft u.a. im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder der Aufrechterhaltung der Ordnung oder zum Schutz der Rechte anderer notwendig ist (Art. 10 Abs. 2 EMRK).

Nur spezifische Verwendung des Symbols für verfassungswidrige Zwecke ist strafbar

Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der Verbreitung demokratiegefährdender Ideologien dadurch entgegenzuwirken, dass die Verwendung einschlägiger Symbole untersagt wird. Vor dem Hintergrund des Art. 10 EMRK müsse ein solches Verbot allerdings so verstanden werden, dass allein die spezifische Verwendung des Symbols für verfassungswidrige Zwecke – nämlich das Propagieren oder Gutheißen des verpönten Gedankengutes – verboten und strafbar ist.

Ein solches Verbot reiche aber für sich allein nicht aus, die Untersagung einer Versammlung zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hätte nicht nur prüfen müssen, ob mit der Verwendung der Fahne der PKK tatsächlich verpönte Ziele dieser Bewegung verfolgt werden. Es hätte insbesondere auch berücksichtigen müssen, dass das (verbotene) Symbol als Stilmittel des Protests gegen das Symbole-Gesetz verwendet werden sollte. Da diese Prüfung unterblieben ist, hat das Verwaltungsgericht durch seine Entscheidung das Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. (E 3120/2021)

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Symbole-Gesetz an sich

In einem weiteren Verfahren hat der Gerichtshof die Behandlung einer gegen das Symbole-Gesetz gerichteten Beschwerde abgelehnt. Der Beschwerdeführer war in einem Verwaltungsstrafverfahren schuldig erkannt worden, in sozialen Netzwerken Fotos veröffentlicht zu haben, auf denen er mit dem „Wolfsgruß“, dem Handzeichen der Gruppierung „Graue Wölfe“, zu sehen ist.

Der Gerichtshof wies dazu auf sein Erkenntnis zu E 3120/202 hin, in dem er bereits festgestellt hatte, dass gegen das Symbole-Gesetz an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Zur Beantwortung der Frage, ob die angefochtene Bestrafung im Einzelnen dem Gesetz entspricht, seien spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen. (E 2113/2021)

Hier geht’s zum Erkenntnis E 3120/2021 vom 08.03.2022 …

und hier zum Beschluss E 2113/2021 vom 08.03.2022 …

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