Judikatur VwGH / Türkisch-österreichische Doppelstaatsbürger

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte eine Entscheidung des LVwG Salzburg vom 19.06.2018 und damit den Verlust der österreischen Staatbürgerschaft für einen türkisch-österreichischen Doppelbürger.

Dieser am Montag veröffentlichte Entscheid ist deswegen brisant, weil er erstmals letztinstanzlich bestätigt, dass die vorgelegten Namenslisten unbekannter Herkunft vor Gericht glaubwürdig als türkische Wählerevidenz interpretiert werden können.

Basis für die Entscheidung des Landes war eine vom Innenministerium übermittelte türkische Wählerevidenzliste für den Amtsbereich des türkischen Generalkonsulates in Salzburg. Im Rahmen der Beweiswürdigung legte das Landesverwaltungsgericht dar, dass nur eine türkische Behörde eine solche Liste von 29.602 Datensätzen anlegen könne, sodass es sich bei dieser Liste um eine türkische Wählerevidenz handle. Für eine versehentliche „antraglose“ Wiederverleihung gebe es auch keine Anhaltspunkte.

Fehlende Mitwirkung des Betroffenen ausschlaggebend

Passentzug durch Land Tirol gekippt

© APA (Symbolbild)

Illegale österreichisch-türkische Doppelstaatsbürger stehen im Visier. Doch jetzt hat ein junger Tiroler den Entzug seiner Staats­bürgerschaft erfolgreich bekämpft.

Nicht erst seit dem Auftauchen von türkischen Wählerlisten in Österreich für das umstrittene Verfassungsreferendum im April des Vorjahres gibt es eine intensive Diskussion über illegale österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaften. In Tirol wird schon seit Jahren ein Auge darauf geworfen, schließlich stellten die Behörden schon immer wieder Ungereimheiten im Abgleich mit dem Personenstandsregister des türkischen Innenministeriums fest. Deshalb gab es bereits Dutzende Aberkennungen. Eine solche erfolgt automatisch, wenn eine ausländische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur österreichischen angenommen wird, ohne dass dazu die Zustimmung Österreichs vorliegt.

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Judikatur VwGH / Unterschiedliche verantwortliche Beauftragte nach § 9 Abs. 2 VStG

Der VwGH hatte in einem Revisionsfall die Frage zu beurteilen, ob die Bestellung eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG zusätzlich vom Einlangen einer Meldung bei der in der Spezialvorschrift genannten Stelle abhängt, im Konkreten der zentralen Koordinationsstelle gem. § 7j Abs. 1 AVRAG.

Zwischen der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis der vertretungsbefugten Organe nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG (mit der Konsequenz des Fortfalls der Verantwortlichkeit der übrigen vertretungsbefugten Organe) und der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG aus dem Kreis der „anderen [nicht vertretungsbefugten] Personen“ (mit der Konsequenz des originären Entstehens der Verantwortlichkeit dieser anderen Person unter gleichzeitigem Fortfall derjenigen der vertretungsbefugten Organe) ist strikt zu unterscheiden.

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Umweltrecht (2): „Klimaklage“ gegen Europäische Union

Die Welle der Klimaklagen hat auch die Europäische Union erreicht: Zehn Familien aus Europa, Kenia und Fidschi rufen das Gericht der Europäischen Union wegen zu schwacher CO2-Minderungsziele an.

Basis der Klagen ist unter anderem die Charta der Grundrechte, die seit dem Vertrag von Lissabon 2009 Teil des EU-Rechts ist. In der Klage wird detailliert vorgetragen, dass die Kläger alle vom Klimawandel betroffen und in ihren Menschenrechten verletzt sind.

Durch die schwachen Klimaziele – Verringerung der Emissionen um 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 – würden die Grundrechte der Klägerfamilien verletzt. Auf diese könnten sich auch Menschen außerhalb der EU berufen, wenn sie durch Rechtsakte der EU betroffen sind. Insbesondere gehe es um die Grundrechte auf Leben und Gesundheit, auf das Wohl der Kinder sowie auf Eigentum und Berufsfreiheit.

Klage gegen Europäischen Rat und EU-Parlament

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Umweltrecht (1): „Klimaklagen“ gegen Regierungen und Unternehmen

Der Klimawandel und seine Folge beschäftigen zunehmend auch die Gerichte. Laut einem Bericht, der im Rahmen des  „United Nations Environment Programme“ veröffentlich wurde, sind bis März 2017 mehr als 900 „Klimaklagen“ in 24 Ländern der Erde dokumentiert.

Gegenstand der Klagen sind vor allem strengere Klimaziele bzw. Schadenersatz wegen der Folgen des Klimawandels.

Hier ein Überblick über die drei prominentesten Fälle:

„Citizens vs. the government of the Netherlands“

Im Sommer 2015 klagten 900 holländische Bürgerinnen und Bürger, vertreten durch die „Urgenda Foundation“ auf Verschärfung der Maßnahmen gegen Treibhausgase. Es handelte sich weltweit um das erste Verfahren von Bürgerinnen und Bürgern, welches wegen des Klimawandels gegen die eigene Regierung geführt – und gewonnen wurde.

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Nach Gerichtsurteilen droht Tausenden die Ausbürgerung

Vier richtungsweisende Urteile sind bereits ergangen. Sie geben womöglich den Startschuss für eine Serie an Aberkennungen von Staatsbürgerschaften.

Auf eine konkrete Zahl will sich Werner Sedlak nicht festlegen. Auf die Frage, wie viele Fälle in den kommenden Monaten entschieden werden, sagt der Leiter der Wiener Behörde für Staatsbürgerschaftsangelegenheiten (MA 35) nur so viel: „Es sind sehr viele.“
Sehr viele Österreicher mit türkischen Wurzeln müssen sich in Wien derzeit also darauf gefasst machen, bald eine Nachricht von der Behörde zu bekommen, die ihr Leben gravierend verändern wird.

Nicht mehr Österreicher

So war es auch bei Herrn XY, wie er in der Gerichtsentscheidung vom 1. August 2018 genannt wird, die dem 56-Jährigen am Mittwoch zugestellt worden ist. Herr XY kam vor 31 Jahren als 25-Jähriger nach Österreich und lebt seither hier. Seit 27 Jahren ist er österreichischer Staatsbürger. Oder war es: „Republik Türkei / staatenlos“ steht oben links auf dem schriftlichen Urteil des Landesverwaltungsgerichts Wien, das die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft bestätigt.

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Türkische Doppelstaatsbürger: VwGH zum Beweiswert des türkischen Personenstandregisters

In der dem Revisionsverfahren zugrunde liegenden Rechtssache hatte die Wiener Landesregierung festgestellt, dass die Betroffenen die österreichische Staatsbürgerschaft durch den (Wieder)Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 1987 verloren hätten. Die Behörde stützte ihre Entscheidung über den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft auf den ihr vorliegenden Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister, in dem eine Doppelstaatsbürgerschaft vermerkt war.

Das Verwaltungsgericht Wien gab den dagegen erhoben Beschwerden statt und hob die angefochtenen Bescheide auf. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes hätten die Mitbeteiligten die türkische Staatsangehörigkeit nicht im Jahre 1987 wiedererworben. Dagegen erhob die Wiener Landesregierung Amtsrevision.

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Verwaltungsgericht Wien: Weitere Bestimmung des Organisationsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben

Das Land Wien muss nun schon zum dritten Mal (!) das Organisationsgesetz über des Verwaltungsgericht reparieren: Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen über den Geschäftsverteilungsausschuss ebenso aufgehoben hat wie die weitreichenden Kompetenzen der Rechtspfleger erweist sich nun auch die Zusammensetzung des Disziplinarausschuss des Gerichtes als verfassungswidrig (G 29/2018-14 vom 14. Juni 2018).

Der Wiener Organisationsgesetzgeber hatte vorgesehen, dass nur einer der Richter dieses Ausschusses von der Vollversammlung gewählt wird, der Ausschussvorsitzende war vom Präsidenten bestimmt worden, ein Richter von der Personalvertretung in den Ausschuss entsendet worden. Diese Zusammensetzung wurde vom Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien im Rahmen anhängiger Disziplinarverfahren selbst angefochten.

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EuGH: Keine Abschiebung vor Gerichtsentscheid

EU-Staaten dürfen abgelehnte Asylbewerber erst dann ausweisen, wenn ein Gericht über ihre Rechtsmittel entschieden hat.

Menschen, deren Antrag auf einen Flüchtlingsstatus abgelehnt wird, dürfen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem EU-Land bleiben, bis ein Gericht über ihren Einspruch entschieden hat. EU-Staaten müssten einen „wirksamen Rechtsbehelf“ mit aufschiebender Wirkung gewähren, entschied der EuGH diese Woche in Luxemburg (Rechtssache C-181/16).

Konkret ging es um einen Mann aus Togo, der 2011 in Belgien internationalen Schutz beantragt hatte. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag 2014 ab und wies den Mann an, das Staatsgebiet zu verlassen. Der EuGH sollte prüfen, ob die Ausweisungsentscheidung vor Ausschöpfung des Rechtswegs legal ist.

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VwGH Judikatur / Auskunftspflicht: Grundsatzentscheidungen zum Auskunftsrecht, zur Säumnis und zur Erlangung eines Verweigerungsbescheides

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Verfahren eine Klarstellung zu den Grenzen der Auskunftsverweigerung durch Behörden vorgenommen.

Vor allem gegenüber Medien seien Ausnahmen von der Auskunftspflicht eng auszulegen, so der Gerichtshof. Daher darf der Wiener Magistrat gegenüber einem recherchierenden Medium nicht pauschal die Antworten mit der Begründung verweigern, dass er bei einzelnen Vorgängen zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Weiters stellt der Gerichtshof fest, dass das Auskunftsrecht gegenüber Behörden auch den Zugang zu Dokumenten umfassen kann.

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