Passentzug durch Land Tirol gekippt

© APA (Symbolbild)

Illegale österreichisch-türkische Doppelstaatsbürger stehen im Visier. Doch jetzt hat ein junger Tiroler den Entzug seiner Staats­bürgerschaft erfolgreich bekämpft.

Nicht erst seit dem Auftauchen von türkischen Wählerlisten in Österreich für das umstrittene Verfassungsreferendum im April des Vorjahres gibt es eine intensive Diskussion über illegale österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaften. In Tirol wird schon seit Jahren ein Auge darauf geworfen, schließlich stellten die Behörden schon immer wieder Ungereimheiten im Abgleich mit dem Personenstandsregister des türkischen Innenministeriums fest. Deshalb gab es bereits Dutzende Aberkennungen. Eine solche erfolgt automatisch, wenn eine ausländische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur österreichischen angenommen wird, ohne dass dazu die Zustimmung Österreichs vorliegt.

Jetzt hat aber ein junger Tiroler, dessen Vater aus der Türkei stammt, einen Aberkennungsbescheid des Landes erfolgreich bekämpft. Das Landesverwaltungsgericht kippte in einer jetzt vorliegenden Entscheidung vom 20. August die Vorgangsweise des Landes. Der Fall zeigt die vielfältigen Facetten der österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschaften auf. Und auch die Strategie der Türkei.

1997 beantragte der Vater des heute 33-jährigen Beschwerdeführers für sich und seine Familie die österreichische Staatsbürgerschaft. Voraussetzung dafür war das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband. Das erfolgte auch. Allerdings: Aus dem Familienregister geht hervor, dass der Vater am 2. Juni 2004 nach dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz wieder einen türkischen Pass erhielt. Und auch seine Familie. Kurios dabei: 2006 legten sie die türkische Staatsbürgerschaft wieder zurück. Doch das spielt für die Behörde keine Rolle. Wer einen anderen Pass annimmt, verliert den rotweißroten bekanntlich automatisch.

Obwohl der Vater von einem unerklärlichen Vorgang spricht, schloss das Land Tirol einen Fehler bzw. einen Irrtum der türkischen Behörden, des Generalkonsulates Salzburg, des türkischen Personenstandsregisters oder des türkischen Ministerrates aus. Weil sich die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine Ehegattin und seine Kinder erstreckt hat. Außerdem gab der Mann an, dass er einige Formulare beim Generalkonsulat unterschreiben musste, er sich aber heute nicht mehr sicher sei, „was ich unterschrieben habe“.

Im Mai 2017 erfolgte die bescheidmäßige Aberkennung. Doch der Sohn kann seit wenigen Tagen aufatmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht konnte er „sehr glaubwürdig und nachvollziehbar“ ausführen, dass er nie einem Antrag auf eine neuerliche Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft, der ihn selbst betroffen hätte, zugestimmt hat. Außerdem hat der Mann seinem Vater nie die Erlaubnis dazu erteilt.

Zusammenfassend stellt das LVwG deshalb fest, dass nicht aufklärbare Unklarheiten zu der Frage, „ob der Beschwerdeführer tatsächlich die türkische Staatsbürgerschaft neuerlich angenommen hat oder nicht, vorliegen“. Der Auszug aus dem Personenstandsregister sei im Vergleich mit den Inhalten der anderen Familienangehörigen unvollständig. Und sollte durch den Vater ein Antrag auf neuerlichen Erwerb eines türkischen Passes gestellt worden sein, hätte der noch minderjährige Sohn befragt werden müssen. Zudem hat dieser den Grundwehrdienst abgeleistet. Das wertet das Gericht als Indiz, dass der 33-Jährige nie beabsichtigt habe, türkischer Staatsangehöriger zu werden.

Jetzt obliegt es dem Land, mit einer Anzeige die österreichische Staatsbürgerschaft wieder festzustellen. 1800 Austro-Türken in Tirol, die auf den umstrittenen Wählerlisten aufscheinen, müssen jedoch noch zittern. Im Oktober wird das Landesverwaltungsgericht in einem Musterverfahren über einen Aberkennungsbescheid entscheiden. Ihnen droht ebenfalls der Passentzug.

Zum Artikel in der Tiroler Tageszeitung …

Erkenntnis des LVwG Tirol vom 20.08.2018 zur GZ LVwG-2017/17/1869

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