Polen: Richter fordern Unterstützung von EU-Kommission gegen Disziplinarmaßnahmen

Konstytucja: in Polen tragen viele Demonstranten gegen die Gleichschaltung des Justizsystems die Verfassung mit. – (c) imago/ZUMA Press (Artur Widak)

In einem Brief an den Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, fordert der Präsident der Polnischen Richtervereinigung „Justizia“die EU auf, geeignete Maßnahmen gegen die Versuche der polnischen Regierung zu unternehmen, die Richter durch Disziplinarverfahren unter Druck zu setzen.

Unabhängigkeit der Gerichte wird bezweifelt

Die Disziplinargerichtsbarkeit war im Zuge der umstrittenen Justizreform neu organisiert, u.a. war eine neue  Disziplinarkammer beim  Obersten Gerichts eingerichtet worden. Vor die neuen Disziplinarkammern sollen Richter gezogen werden, deren Urteile juristische Zweifel auf sich gezogen haben. So wurde im September 2018 vom neuen Oberdisziplinarrichter ein Disziplinarverfahren gegen zwei Bezirksrichter aus Warschau und Łódź eingeleitet, die es gewagt hatten, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) wegen bestimmter Paragrafen der Justizreform anzurufen. Sie hatten beim EuGH sinngemäß angefragt, inwiefern ihre Bezirksgerichte noch als unabhängige Gerichte im Sinne der EU-Charta gelten könnten, wenn ihnen neuerdings eine regierungshörige Disziplinarkommission drohe. Beide haben zur Untermauerung Urteile eingereicht, wegen derer sich die Regierung an ihnen nun rächen könnte.

Disziplinarverfahren verletzen Rechtsstaatlichkeit

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Umstrittene Justizreform in Ungarn: Österreich als Vorbild genannt

Mit Sorge verfolgt das EU-Parlament die von Ungarn beschlossene Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte, da die Unabhängigkeit der neuen Gerichte durch die Möglichkeit politischer Einflussnahme nicht gewährleistet erscheint. Dort beruft man sich jedoch auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich und Bayern als Vorbilder.

Neue Verwaltungsgerichte ab 2020

In Ungarn wurde beginnend mit 1997 bis zum Jahr 2011 eine starke richterliche Selbstverwaltung entwickelt. Wesentliche Aufgaben der Justizverwaltung waren einem von der Vollversammlung der Richter gewählten Justizrat übertragen. Der Rechtsschutz gegenüber behördlichen Entscheidungen (Art 47 Grundrechtecharta) wurde von den Zivilgerichten übernommen. Dort wurden, ähnlich wie in Tschechien oder Rumänien, eigene Abteilungen für Verwaltungsrecht eingerichtet.

Durch eine Änderung des Grundgesetzes wurde im Juni 2018 ein neues System von spezialisierten Verwaltungsgerichten eingeführt. Ab Jänner 2020 werden damit ein neues Oberstes Verwaltungsgericht – mit Sitz in Esztergom und nicht in Budapest – und 8 Verwaltungsgerichte erster Instanz eingerichtet.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen folgende Punkte der Reform:

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Wiener Bezirksgerichten fehlen Mitarbeiter

In den Wiener Bezirksgerichten fehlen Mitarbeiter. Einsparungen, Pensionierungen und attraktive Jobs außerhalb der Justiz tragen dazu bei, dass sich wichtige Entscheidungen in den Bezirksgerichten immer mehr verzögern. Am meisten betroffen ist der Kanzleibereich.

Eine Erbschaft, die sich verzögert, wird verschmerzbar sein. Steht aber für eine alleinerziehende Mutter die Entscheidung zum Unterhaltsgeld aus, bedeutet jeder Tag Wartezeit Ungemach. Entscheidungen der Bezirksgerichte betreffen aber nicht nur Private, sondern etwa auch den Wirtschaftsstandort. Eine Firma, die drei Monate auf einen Grundbucheintrag warten muss, wird Wien schnell wieder den Rücken kehren. Es ist also im Interesse vieler, dass es in den Bezirksgerichten so wenig Verzögerungen wie möglich gibt.

Doch die Realität sieht anders aus. „Wir sind im Justizbereich, wenn ich eine funktionierende Justiz haben will, wie sie bisher funktioniert, zwei Minuten nach zwölf. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas tun“, sagte Gerhard Scheucher, Vorsitzender des Zentralausschusses Beamte und Vertragsbedienstete Justiz in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Schon heuer wird demnach in Wien das Bezirksgericht Liesing betroffen sein. Spätestens 2020 würden mehrere Dienststellen nicht mehr zu halten sein.

Viele Mitarbeiter gehen in Pension


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Matejka: Wer Europäische Menschenrechtskonvention infrage stellt, stellt Rechtsstaat infrage

Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, hat am Donnerstag in der „ZiB 2“ des ORF die Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zum Rechtsstaat scharf kritisiert. Kickl habe nicht nur das Legalitätsprinzip infrage gestellt, sondern auch die Menschenrechtskonvention. „Wer sie infrage stellt, stellt auch unseren Rechtsstaat infrage“, sagte sie und sah die Gefahr eines Angriffs auf den Rechtsstaat. (Siehe dazu:  „Recht muss Politik folgen, nicht Politik dem Recht“)

Die Kritik am Innenminister „teile nicht nur ich, sondern auch sehr, sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die über diese Äußerungen des Herrn Innenministers sehr empört und eigentlich schockiert waren“, sagte Matejka.  Kickl hatte im ORF-„Report“ am Dienstag angekündigt, Grundregeln wie die Menschenrechtskonvention hinterfragen zu wollen. Und er ergänzte: „Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“

Vollziehung und Rechtsprechung nicht auf Zuruf der Politik

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Präsidentenbesetzung am LVwG Burgenland: Auswahlverfahren abgebrochen

Das Verfahren zur Neubesetzung des Präsidentenamts am Landesverwaltungsgericht (LVwG) startet neu. Das hat die rot-blaue Landesregierung am Dienstag beschlossen. Die Regierung folgt einer Empfehlung der Objektivierungskommission, die seit Juli 2018 Kandidaten für die Nachfolge des amtierenden LVwG-Präsidenten Manfred Grauszer gesichtet und befragt hatte.

Aber statt eine mit einem Reihungsvorschlag verbundene Empfehlung an die Regierung zu senden, die den unbefristeten Top-Job vergibt (Mindestgehalt: 6.008,90 Euro brutto), empfiehlt die mehrheitlich aus weisungsgebundenen Landesbeamten bestehende fünfköpfige Kommission unter dem Vorsitz von Landesgerichtspräsidenten Karl Mitterhöfer nun den „Abbruch“ des bisherigen Verfahrens und die Neuausschreibung. Auch das Gesetz, in dem das Bestellungsverfahren geregelt ist, solle überarbeitet werden.

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Solidarität mit Rechtsanwälten*innen sowie Richtern*innen in der Türkei

Der Präsident der Türkischen Richtervereinigung wurde letzten Freitag zu einer 10jährigen Haftstrafe verurteilt.

Das Strafverfahren – welches von einigen Richter/innen-Kollegen der Vereinigungen beobachtet wurde – war in keiner Weise ein rechtsstaatlich geführtes Verfahren.

Anbei ist die Stellungnahme der 4 Richtervereinigungen („Plattform für eine unabhängige Justiz in der Türkei“) dazu.

Die österreichische Plattform für die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei lädt ein zur Pressekonferenz

 Zeit: Donnerstag, 24. Jänner 2019, 10.00 Uhr

Ort:  Pressezentrum des Österreichischen Journalistenclubs (ÖJC),

        1010 Wien, Blutgasse 3

 

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Keine Nebentätigkeiten mehr für Verfassungsrichter?

©VfGH/Doris Kucera

Die NEOS  beantragen im Nationalrat ein Verbot für VfGH-Mitglieder andere Berufe auszuüben.

Bereits in der Vergangenheit sorgten politische oder wirtschaftliche Beziehungen von Richterinnen und  Richtern am Verfassungsgerichtshof immer wieder für Debatten. Der Nationalrat beschloss  daher Ende 2014 eine neue Transparenzregelung für das Höchstgericht:

Sämtliche Nebentätigkeiten von Beteiligungen an Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, Beteiligungen an sonstigen Unternehmen, Aufsichtsratstätigkeiten bis zu Gutachtertätigkeiten müssen veröffentlicht werden. Außerdem wurde gesetzlich verankert, dass sich Verfassungsrichter enthalten und von einem Ersatzmitglied vertreten lassen müssen, wenn sie aufgrund ihres Nebenjobs befangen sein könnten.

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Präsidentenbesetzung am LVwG Burgenland: Büroleiterin des Landeshauptmannes zieht Bewerbung zurück

In der vieldiskutierten Causa rund um die Nachbesetzung des Präsidentenpostens am Landesverwaltungsgericht gibt es eine überraschende Wendung: Die Büroleiterin des Landeshauptmannes zieht ihre Bewerbung zurück.

Das „Auswahlverfahren“ für die Präsidentenbesetzung war Gegenstand kritischer Berichterstattung in den Medien, da der Anschein einer „Freunderlwirtschaft“ bestehe. Auch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs hatte mit scharfen Worten kritisiert, wie der scheidende burgenländische Landeshauptmann eine neue Gerichtspräsidentin einsetzen wollte. (Siehe dazu: Österreich darf nicht Polen werden)

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FÜNF JAHRE VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT IN ÖSTERREICH – EINE BILANZ

von Siegfried Königshofer

 (Erweiterte und aktualisierte Fassung eines Beitrages, der für den „Menschenrechtsbefund 2018“, der Österreichischen Liga für Menschrechte verfasst wurde.)

Die als „Jahrhundertreform“ bezeichnet Einrichtung der Verwaltungsgerichte durch die B-VG Novelle 2012 brachte die längst überfällige Modernisierung des Rechtsschutzes im öffentlichen Recht wie er in den meisten Mitgliedsstaaten der EU bereits Standard ist. Ein Entwicklung, die vor allem auf die Beschlussfassung der  EU-Grundrechtecharta durch das Europäische Parlament im Jahr 2002 zurückzuführen ist, welche – als Vorauswirkung – alle Beitrittswerber ab dem Jahr 2004 verpflichtete, einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen einzurichten.[1] Und es war auch der Streit der beiden Höchstgerichte öffentlichen Rechts über die Auslegung von Art 47 der EU-Grundrechtecharta in UVP-Verfahren, welcher die Einrichtung der Verwaltungsgerichte in Österreich ganz wesentlich beschleunigte.

Seit 5 Jahren arbeiten die Verwaltungsgerichte nun. Ein geeigneter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen.

Hohe Akzeptanz, hohe „Rechtsmittelfestigkeit“ der Entscheidungen

 

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RZ Editorial 12/18: Die Ruhe vor dem Sturm?

2018 war ein hartes, schwieriges Jahr für die österreichische Justiz.

von Mag. Christian Haider

 

Das heurige Frühjahr war in der gesamten Justiz von der Sorge geprägt, dass die massiven Einsparungen im Justizbudget das Funktionieren der Gerichtsbarkeit beeinträchtigen oder gar gefährden könnten. Auch wenn die von allen Bedienstetengruppen getragenen Proteste Erfolg zeigten und die schlimmsten Spitzen ab geschliffen werden konnten, blieb dennoch ein harter, spürbarer Sparkurs bestehen, der nach wie vor negative Auswirkungen zeigt, trotz aller Bemühungen, die vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen.

Leider besteht kein Grund, die Einschätzungen aus dem Frühjahr neu zu bewerten oder zu revidieren.

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