„Unabhängigkeit der Justiz gefährdet“

Gerichtspräsident Kolonovits: „Dass die Mitglieder sich selbst ihren Präsidenten aussuchen, ist unvorstellbar.“

Ein Beirat des Europarats aus Richtern sieht den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien nicht genug vor Druck von außen geschützt.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.04.2019)

Wien. Der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz vor übermäßigem Druck könnte in mancher Hinsicht gefährdet sein: Zu diesem Schluss kommt der Beirat europäischer Richter (CCJE) beim Europarat nach einer Analyse des Landesverwaltungsgerichts Wien. Der Beirat aus Richtern aus den 47 Europaratsstaaten hat sich konkret die Position des Präsidenten und dessen Stellvertreterin angesehen. Das Expertengremium vermisst eine saubere Trennung zwischen der Landesregierung und dem Gericht, das die Rechtmäßigkeit der Verwaltung kontrollieren soll.

Der Beirat kritisiert, dass der Präsident im freien Ermessen und ohne richterliche Mitwirkungsmöglichkeit von der Wiener Landesregierung bestellt wird. Dabei sei es für die Unabhängigkeit der Gerichte wichtig, dass die Richter unabhängig von der Exekutive und der Legislative vorzugsweise von einem Justizrat bestellt werde; ein solcher existiert in unterschiedlicher Ausformung in der Mehrzahl der europäischen Staaten, nicht aber in Deutschland und Österreich.

Gerügt wird auch der Umstand, dass der Präsident nicht auf dieselbe Weise bestellt wird wie die Mitglieder des Gerichts, zu deren Ernennung bereits bestellte Richter Vorschläge erstatten.

 

Auch wäre es nach Ansicht des Beirats von Vorteil, wenn der Präsident bereits vor seiner Bestellung Rechtsprechungserfahrung gesammelt haben müsste (was für die Bestellung einfacher Mitglieder allerdings nicht gilt).

Das Europarats-Gremium stößt sich weiters daran, dass der Präsident weitreichende Befugnisse etwa in Hinblick auf die Ressourcen und deren Zuweisung habe, ohne dass sichergestellt wäre, dass der Chef des Gerichts dabei keinen Weisungen der Landesregierung unterliege. Das ist in der Bundesverfassung seit einem einschlägigen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2000 nur für das Verhältnis zwischen Bundeskanzler und Präsident des Verwaltungsgerichtshofs sichergestellt und gilt nur bei einigen wenigen Landesverwaltungsgerichten, nicht aber in Wien.

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