Independence and Efficiency (2): „Marsch der 1000 Roben“ (Webinar)

Vor einem Jahr haben tausende Richter und Richterinnen aus rund 20 Staaten Europas, darunter Österreich, in Warschau gegen die Vorgangsweise der polnischen Regierung protestiert, die Unabhängigkeit der Justiz weiter einzuschränken. Bedingt durch die Corona-Krise gibt es als Follow-up dieser Demonstration ein Webinar, welches von der größten polnischen Standesvertretung, IUSTITIA, gemeinsam mit den 4 größten europäischen …

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Independence and Efficiency (1): Unabhängigkeit der Gerichte vor Gericht

In Polen wurde das politische Element bei der Richterauswahl enorm gestärkt – auf Kosten der Individualrechte. In Österreich gibt es für die Bestellung der Richteramtsanwärter nicht einmal einen Personalsenat.

In einem Gastkommentar in der „Wiener Zeitung“ analysiert Universitätsprofessor Peter Hilpold (Universität Innsbruck) die aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof zur Situation der Justiz in Polen.  Dort steht derzeit im Zentrum der Kontroverse die Situation der Richterkandidaten für das Oberste Gericht in Polen, denen auf gesetzlicher Basis die Möglichkeit entzogen wurde, gegen Auswahlentscheidungen des Landesjustizrats Beschwerde einzulegen. Das politische Element bei der Richterauswahl wurde damit enorm gestärkt, die Individualrechte wurden zurückgedrängt. Eine bedenkliche Entwicklung, gegen die die polnische Rechtsordnung nun keine Handhabe mehr bietet.

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Rechnungshof bestätigt Kritik des Dachverbandes der Verwaltungsrichter an der ungenügenden Ausstattung des Bundesfinanzgerichtes

In seinem heute versendeten Bericht kritisiert der Rechnungshof (RH), dass die Aktenrückstände am Bundesfinanzgericht (BFG) seit Jahren anwachsen, sich die Dauer der Verfahren verlängert und eine positive Tendenz nicht erkennbar sei.

Der Rechnungshof bestätigt damit die seit Jahren vom Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) geübt Kritik an der ungenügenden personellen Ausstattung des BFG.  So sind derzeit mehr als 10% der insgesamt 226 Richterplanstellen unbesetzt, seit mehr als einem Jahr ist auch die Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Gerichts vakant. Ausschreibungen der offenen Stellen sind derzeit – entgegen den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen – derzeit nicht geplant.

Dazu kommt die ungenügende Ausstattung bei der Unterstützung der Richterschaft durch nichtrichterliches Personal: So steht im Vergleich zum BFG beim Bundesverwaltungsgericht jedem Richter/Richterin das Sechsfache (!) an Verwaltungspersonal zur Verfügung.

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Dürfen Gerichte nur durch ihre Urteile sprechen (2)?

Mit der Urteilsschelte im Fall „Grasser“ werden die Grenzen der Ligitation PR neu gezogen. 

Die Öffentlichkeitswirkung und Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen war in der Vergangenheit bereits wiederholt Thema eines „Maiforum“. Grund dafür waren Gerichtsurteile – wie etwa das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur 3. Landepiste am Flughafen Wien-, die zu persönlichen und unsachlichen Angriffen auf die Richterinnen und Richter selbst führten.

In einem Beitrag in der Wochenzeitschrift „Falter“ zeigt der Mediensprecher des Oberlandesgerichts Wien anhand des Fall „Grasser“ auf, warum sich die Justiz in der Öffentlichkeitsarbeit so schwertut und warum Gelassenheit alleine der Gegenseite mitunter zu viel Platz lässt. Der Beitrag macht einmal mehr deutlich, zwischen welchen Klippen die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz navigiert.

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EGMR Judikatur (Große Kammer) / Fehlerhafte Richterernennung verletzt Recht auf faires Verfahren

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt mit ihrer Entscheidung vom 01.12.2020 das Urteil der Vorinstanz vom 12. März 2019 (Az. 26374/118) zur Besetzung eines isländischen Berufungsgerichts, welche von der Isländischen Regierung bekämpft worden war. Damit wurde endgültig klargestellt, dass Verfahrensfehler bei der Ernennung von Richtern das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzen.

Zum Hintergrund

Der Antragssteller Gudmundur Andri Astradsson war im Jahr 2017 wegen Fahrens ohne gültigen Führerschein und unter Drogeneinfluss verurteilt worden. Er brachte gegen die Entscheidung beim neuen Berufungsgericht (gegründet im Januar 2018) Berufung ein. Richterin Arnfridur Einarsdottir war eine der Richterinnen, der der Fall Gudmundur zugeordnet waren. Mit dem Argument, dass es Unregelmäßigkeiten im Verfahren für ihre Ernennung gegeben habe, beantragte der Antragsteller, dass ihr der Fall entzogen werde. Sein Antrag wurde abgelehnt.

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Polen (3): Polnische Richtervereinigung ersucht um Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen in Europa!

In einem offenen Brief fordert die polnische Richtervereinigung „Justitia“ die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge auf, gegen die Angriffe auf Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit von Gerichten in den EU Mitgliedstaaten entsprechend vorzugehen. Gleichzeitig ersucht die Richtervereinigung alle europäischen Richterinnen und Richter, diesen Appell zu unterstützen. Der Brief an die EU-Kommission kann unter folgenden Link unterzeichnet …

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Polen (2): Selbst im Gefängnis

Über die Zerstörung des polnischen Justizsystems als Zerstörung der europäischen Rechtsordnung.

Der Warschauer Richter Igor Tuleya war ein scharfer Kritiker der Justizreformen in seinem Land. Jetzt wurde er von seinem Amt suspendiert und seine Bezüge gekürzt. In einem auf www.verfassungsblog.de veröffentlichten Brief nimmt er zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung. Hier der Brief auf Deutsch (automatisierte Übersetzung, gekürzt):

„Im Dezember 2016 fand unter besonderen Umständen eine Abstimmung über den Haushalt im polnischen Unterhaus des Parlaments, dem Sejm, statt. Oppositionsabgeordnete wurden daran gehindert, an Parlamentsdebatten teilzunehmen. Die Debatte wurde vom Plenarsaal in den sogenannten Säulensaal (ein kleinerer Versammlungssaal) verlagert. Die Oppositionsmitglieder wurden physisch daran gehindert, sich dem Podium zu nähern und so absichtlich am Sprechen gehindert. All dies war im Voraus von der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ geplant worden. Mehrere Abgeordnete übermittelten eine Mitteilung, dass der Sprecher des Sejm (der unteren Kammer des polnischen Parlaments) und seine untergeordneten Beamten damit eine strafbare Handlung begangen hatten.

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Polen (1): Europäische Richter fordern Europäischen Rat zu entschlossenen Maßnahmen gegen polnische Rechtsstaatkrise auf

Angesichts der weiter eskalierenden Krise in Polen haben die vier größten Europäischen Richtervereinigungen ein Schreiben an den derzeitigen Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, geschickt.

Grund für das Schreiben ist die Tatsache, dass jene Disziplinarkammer, welche in Polen Entscheidungen über Strafen und Suspendierungen von Richtern trifft -entgegen der ausdrücklichen Anordnung des EuGH vom 8.4.2020 – ihre Verfahren gegen missliebige Richterinnen und Richter weiter fortführt. Die Richtervereinigungen verweisen dazu auf aktuelle Entscheidungen der Disziplinarkammer vom November 2020, mit denen Richter von ihrem Amt suspendiert und gleichzeitig ihre Bezüge gekürzt wurden.

Da nach den Informationen der Richtervereinigungen viele weitere polnische Richterinnen und Richter missbräuchliche Disziplinar- oder Strafverfahren zu befürchten haben, würde die Entscheidungen der Disziplinarkammer, die entgegen der Anordnung des EuGH in der Rechtssache C-791/19 ihre Tätigkeit weiter fortzusetzt, zu schweren, nicht wieder gutzumachenden Schäden am gesamten polnischen Justizsystem führen.

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RZ Editorial 11/20: Trübe Aussichten

Der Titel dieses Editorials bezieht sich nicht auf einen herbstlichen Wetterbericht, sondern die Situation in der österreichischen Gerichtsbarkeit. Die Anfallszahlen des Jahres 2019, wo COVID-19 noch kein Thema war, wiesen bereits einen Personalbedarf von mehr als 70 Richter*innen aus. von Christian Haider Nach einem Frühjahr im Notbetrieb und einem Sommer, wo viele hofften, dass das …

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OSZE: Funktionieren der Gerichtsbarkeit in pandemiebedingten Notstandssituationen

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat einen umfassenden Bericht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Tätigkeit der Rechtssysteme in den 57 Teilnehmerstaaten in Europa, Zentralasien und Nordamerika veröffentlicht. Der Bericht gibt einen ersten Überblick darüber, wie Gerichte in den einzelnen Staaten auf die durch die Pandemie bedingten Notstandssituationen reagierten.

Gleichgelagerte Problemstellungen für alle Justizsysteme

Im Bericht werden jene Problemstellungen zusammengefasst, welche von den Justizsystemen in praktisch allen Teilnehmerstaaten zu bewältigen sind. Dabei geht es etwa um die Frage, wer innerstaatlich für die Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Richter, des Gerichtspersonals und der Verfahrensbeteiligten verantwortlich ist, wie bei einer teilweisen oder vollständigen Schließung der Gerichte die Priorisierung der Verfahren und der Umgang mit Rückständen erfolgt, wie die Datensicherheit bei Videokonferenzen und bei der Anwendung anderer IT-Lösungen gewährleistet wird und ganz allgemein, wie unter Pandemiebedingungen die Einhaltung der Grundsätze des fairen Verfahrens gewährleistet werden kann. Zur Veranschaulichung der Fragestellungen verweist der Bericht dazu auf konkrete Beispiele aus den verschiedenen Justizsystemen.

Notstandsgesetzgebung als rechtsstaatliches Problem

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