EuGH: Kein Zweifel an der Unabhängigkeit der deutschen Verwaltungsgerichte

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte in einer Vorababfrage an den EuGH Zweifel an seiner eigenen „institutionellen Unabhängigkeit“ geltend gemacht und dazu ausgeführt, die rein „funktionelle“ Unabhängigkeit der Richter reiche nicht aus, „um ein Gericht vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren“. (Siehe dazu: Deutsches Verwaltungsgericht zweifelt an seiner Unabhängigkeit)

Dabei gehe es nicht nur um Weisungen, sondern auch um mittelbare Einflüsse, die eine Entscheidung der Richter steuern könnten. Letztlich entscheide immer das Justizministerium über die Planstellen und die Anzahl der Richter an einem Gericht sowie über dessen Ausstattung. Auch die Personalgrundakten eines jeden Richters würden beim Hessischen Ministerium der Justiz geführt, Auslandsdienstreisen eines Richters, z.B. im Rahmen des Europäischen Netzwerks zur justiziellen Fortbildung (EJTN), müssten vom Ministerium angeordnet werden.

Auch werde die äußere und innere Organisation vom Ministerium mit der Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften und anderen Rechtsakten vorgeben. Das Ministerium bestimme im Wege eines zentralen Dienstleisters die Kommunikationswege (Telefon, Fax, Internet und mehr) und die EDV-Ausstattung der Gerichte. Dieser Dienstleister sei auch mit der Wartung der IT-Infrastruktur betraut, mit der Folge, dass die Verwaltung auf alle Daten der Gerichte letztendlich zugreifen könne, auch wenn sie es in der Praxis vielleicht nicht tue.

Zweifel nicht ausreichend begründet

Der Europäische Gerichtshof teilte die vom Verwaltungsgericht Wiesbaden geäußerten Zweifel in Bezug auf seine eigene Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive nicht, wobei der Gerichtshof die geäußerten Zweifel (nur) unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens prüfte.

Unter Heranziehung seiner Rechtsprechung zum Begriff „Gericht“ im Sinne des Unionsrechts und insbesondere zur Unabhängigkeit, die erforderlich ist, um als solches angesehen zu werden, stellte der Gerichtshof fest, dass die Gesichtspunkte, die das Verwaltungsgericht Wiesbaden zur Begründung seiner Zweifel darlegte, für sich genommen nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass dieses Gericht nicht unabhängig ist (C-272/19 vom 9. Juli 2020).

Teilen mit: