VfGH Judikatur / Mindestsicherung in Vorarlberg weitgehend sachlich gerechtfertigt

Übergangsregelung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte aber unsachlich geregelt. Fälle aus Niederösterreich wurden vertagt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Dezembersession Klarstellungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung getroffen. Bestimmungen über den Ersatz von Geld- durch Sachleistungen in der Vorarlberger Mindestsicherungsverordnung (MSV) sind ebensowenig zu beanstanden wie  eine von der Haushaltsgröße abhängige Staffelung der Leistungen für den Wohnbedarf oder die Berücksichtigung der Familienbeihilfe. Aufgehoben hat der VfGH allerdings eine Bestimmung über Übergangsfristen für Asyl- und subsidär Schutzberechtigte. Beratungen betreffend das niederösterreichische Mindestsicherungsgesetz hat der Gerichtshof vertagt.

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„Immer neue Vorschriften“

foto: andy urban

Der mit Jahresende scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, hat sich im Interview mit dem „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) kritisch zu den Verschärfungen in der Asylgesetzgebung und auch bei dem Vorhaben der Regierung zur Mindestsicherung geäußert.

Bei Asyl und Migration gebe es ein „stakkatoartiges Aufeinanderfolgenlassen von Novellen“. Das könne nicht funktionieren, weil „der Apparat, der diese Gesetze vollziehen soll, im Monats- oder Halbjahrestakt mit immer neuen Vorschriften konfrontiert ist“.

„Probleme werden wieder auftauchen“

Neue Gesetze sollten wohl den Eindruck vermitteln, dass Probleme gelöst werden – doch nach einiger Zeit würden die Probleme auch wieder auftauchen. Holzinger kritisiert auch, dass nach den Plänen der neuen Regierung der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in Asylsachen nicht mehr angerufen werden kann. In anderen Rechtsgebieten sei das möglich. Eine ähnliche Regelung habe zwischen 2008 und 2014 zu „einem dramatischen Anstieg der Fälle“, die beim VfGH landen, geführt.

In Sachen Einschränkungen bei der Mindestsicherung verweist Holzinger darauf, dass Fälle aus drei Bundesländern – Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg – derzeit beim VfGH anhängig sind. Und er geht davon aus, dass auch im Zuge der Neuregelungen der VfGH angerufen wird.

Kritik auch von VwGH

Der VwGH hatte die Regierungsvorhaben in Sachen Asyl bereits kurz vor Weihnachten vehement kritisiert. Kritik im Namen des Gerichtshofs ist eher ungewöhnlich, umso schwerer wiegt der Einwand des Höchstgerichts.

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EuGH: Mehr Rechte für anerkannte Umweltorganisationen

Der  Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat zur Frage der Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren entschieden, dass anerkannte Umweltorganisationen Parteienrechte einzuräumen sind und diese Bescheide, die gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstoßen, vor Gericht als Partei anfechten können.

Fehlende Umsetzung der Aarhus-Konvention

In Österreich fehlte bisher bei kleinen und mittelgroßen Bau- und Industrieprojekten, die das Wasserrecht, Abfallrecht oder Naturschutzrecht berühren, die Rechtsschutzmöglichkeit für Umweltorganisationen. Vor allem Artikel 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention, der eine gerichtliche Beschwerde- und Überprüfungsmöglichkeit der Öffentlichkeit für sämtliche Verstöße gegen das innerstaatliche Umweltrecht vorsieht, hat noch keinen Eingang in die heimische Rechtsordnung gefunden (siehe dazu: Lücken im innerstaatlichen Rechtsschutz).

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Tipp: Polen vor der Zerreißprobe (Dokumentation)

Roza Thun hat schon oft um ihr Land gekämpft. Als ehemalige Sprecherin der Studentenorganisation der Solidarnosc war sie wesentlich mitbeteiligt an der Wende 1989. Nach dem Fall des Kommunismus warb sie leidenschaftlich und erfolgreich für den polnischen EU-Beitritt. Dass sie im Jahr 2017 wieder auf die Straße gehen muss, hätte sie sich niemals träumen lassen. …

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Nicht nur Polen: Die EU hat ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit (2)

Mit der Justizreform erhält der Justizminister in Polen das Recht, jederzeit die Präsidenten der polnischen Gerichte sowie die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu entlassen. Außerdem stellen die Gesetze das Gremium von Richtern, das bisher unabhängig über die Ernennung und Beförderung von Richtern entscheidet, unter den direkten Einfluss der Mehrheitspartei im Parlament. Schließlich erhält der Justizminister die Möglichkeit, in bestimmten Fällen rechtskräftige Gerichtsurteile, die bis zu 20 Jahre zurückliegen, durch eine außerordentliche Klage vor dem Obersten Gericht anfechten zu können.

Mit der Unterstellung der Richter unter die politische Kontrolle der Mehrheitspartei im Parlament, werden das Prinzip der Gewaltenteilung und das Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben. Diese Grundsätze beruhen nicht nur Art 6 EMRK und Art 47 der EU-Grundrechtecharta, sondern sind auch in Art 9 der polnischen Verfassung festgelegt.

Rechtsstaatsprinzip ist das Rückgrat der Europäischen Union

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Nicht nur Polen: Die EU hat ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit (1)

„… ich stehe auf dem Standpunkt, dass souveräne Staaten – und Europa sollte ein Europa souveräner Staaten sein – das absolute Recht haben, ihr Gerichtswesen zu reformieren“ wird Polens neuer Premier Mateusz Morawieck   in den Medien zitiert. „Wir können nicht hinnehmen, dass die EU in Budgetfragen über jede Dezimalstelle intensiv diskutiert, aber schwere und systematische Verstöße von Mitgliedstaaten wie Polen gegen fundamentale Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte nicht anspricht“, erklärte dagegen der französische Präsident, Emmanuel Macron.

Jetzt hat die EU-Kommission gegen Polen  wegen der Unterminierung der Gewaltenteilung ein Grundrechtsverfahren eingeleitet. Die Entwicklung in Polen ist aber nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die die gesamte Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union in Frage stellen könnte.

Ungarn macht den Anfang

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Mindestsicherung für Asylberechtigte: LVwG Oberösterreich legt Verfahren EuGH vor

Schwerpunkt Migration

Im Sommer 2016 hatte der oberösterreichische Landtag die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte beschlossen. Um zu entscheiden, ob die Kürzung der Mindestsicherung für befristet Asylberechtigte unionsrechtskonform ist, hat das Landesverwaltungsgericht nun den Europäischen Gerichtshof um Klärung grundsätzlicher Fragen gebeten.

Verhältnis von Leistungskürzungen und Statusrichtlinie

Konkret geht es um die Auslegung der sogenannten Statusrichtlinie.  

Nach dieser müssen die Mitgliedstaaten Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten Sozialhilfe zukommen lassen, bei subsidiär Schutzberechtigten kann diese auf „Kernleistungen“ beschränkt werden. Bei den Asylberechtigten wird jedoch im Hinblick auf Sozialleistungen nicht explizit zwischen befristetem und unbefristetem Status unterschieden. Daher soll nun der EuGH klären, ob befristet Asylberechtigte so zu behandeln sind wie subsidiär Schutzberechtigte oder eben wie Personen mit dauerhaftem Asylstatus.

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Asylverfahren: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Sonderregelungen

Schwerpunkt Migration

Sowohl die im Regierungsprogramm vorgesehene Verkürzung der Beschwerdefristen  als auch der Ausschluss der außerordentlichen Revision in Asylverfahren stoßen auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken.  Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in einer Reihe von Entscheidungen auf das von der Verfassung vorgegebene Erfordernis eines möglichst einheitlichen Verfahrensrechts für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hingewiesen.  Vom VwGVG abweichende Regelungen dürfen daher nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes „unerlässlich“ sind (Art 136. Abs. 2 B-VG).  

Verwaltungsgerichtshof gegen Sonderregelungen

In einer Presseaussendung weist der Gerichtshof darauf hin, dass es mit der 2012 beschlossenen Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform gelungen ist, ein für alle Verwaltungsmaterien einheitliches Rechtsschutzsystem zu schaffen, indem der  Verwaltungsgerichtshof sicherstellt, dass das Verwaltungsrecht nach einheitlichen Grundsätzen vollzogen wird.

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Regierungsprogramm (6): Kommt der gläserne Bürger?

Die neue Bundesregierung plant ein großflächiges Überwachungspaket mit Bundestrojaner und Datenspeicherung. Dazu sollen in den kommenden Jahren eine Reihe von Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Gesichtsfelderkennung sowie den Einsatz von Drohnen. Außerdem soll eine „Überwachung internetbasierter Kommunikation“ ermöglicht werden.

Das dürfte bedeuten, dass ein sogenannter „Bundestrojaner“ zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um eine Spionagesoftware, die auf die Smartphones von Verdächtigen gespielt wird, um deren Inhalte auszulesen. Provider sollen dazu verpflichtet werden, Geräte klar einem Nutzer zuzuordnen, außerdem können Staatsanwälte bei einem Verdacht die Speicherung der Internet- und Mobilfunkdaten anordnen. Der Zugriff ist dann nach einem richterlichen Beschluss möglich.

Staat als „ungebremster Datensammler“

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Regierungsprogramm (5): Keine Informationsfreiheit im Koalitionspakt

Die SPÖ-ÖVP-Koalition ist mit der Aufhebung des Amtsgeheimnisses und der Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes gescheitert.

Im neuen Regierungsprogramm ist davon auch keine Rede. Und das, obwohl sich beide Regierungsparteien im Wahlkampf noch dafür ausgesprochen hatten.

Der Politologe Sickinger erinnert in einem Beitrag im „Standard“ daran, dass sich Kurz – damals Integrationsstaatssekretär – 2013 als erster Regierungspolitiker offensiv für eine Initiative für mehr Transparenz und die Aufhebung des Amtsgeheimnisses ausgesprochen hatte. Auch in das Programm der JVP sei das auf Kurz’ Wunsch hin aufgenommen worden.

Angesichts des Plans der Regierung, die Verwaltung zu modernisieren, hätte es aus Sickingers Sicht jedenfalls durchaus Sinn ergeben, eine transparentere Verwaltung zum Ziel zu erklären.

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