„Immer neue Vorschriften“

foto: andy urban

Der mit Jahresende scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, hat sich im Interview mit dem „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) kritisch zu den Verschärfungen in der Asylgesetzgebung und auch bei dem Vorhaben der Regierung zur Mindestsicherung geäußert.

Bei Asyl und Migration gebe es ein „stakkatoartiges Aufeinanderfolgenlassen von Novellen“. Das könne nicht funktionieren, weil „der Apparat, der diese Gesetze vollziehen soll, im Monats- oder Halbjahrestakt mit immer neuen Vorschriften konfrontiert ist“.

„Probleme werden wieder auftauchen“

Neue Gesetze sollten wohl den Eindruck vermitteln, dass Probleme gelöst werden – doch nach einiger Zeit würden die Probleme auch wieder auftauchen. Holzinger kritisiert auch, dass nach den Plänen der neuen Regierung der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in Asylsachen nicht mehr angerufen werden kann. In anderen Rechtsgebieten sei das möglich. Eine ähnliche Regelung habe zwischen 2008 und 2014 zu „einem dramatischen Anstieg der Fälle“, die beim VfGH landen, geführt.

In Sachen Einschränkungen bei der Mindestsicherung verweist Holzinger darauf, dass Fälle aus drei Bundesländern – Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg – derzeit beim VfGH anhängig sind. Und er geht davon aus, dass auch im Zuge der Neuregelungen der VfGH angerufen wird.

Kritik auch von VwGH

Der VwGH hatte die Regierungsvorhaben in Sachen Asyl bereits kurz vor Weihnachten vehement kritisiert. Kritik im Namen des Gerichtshofs ist eher ungewöhnlich, umso schwerer wiegt der Einwand des Höchstgerichts.

Die neue ÖVP-FPÖ-Regierung plant, zur Effizienzsteigerung von Asylverfahren den Ausschluss eines Rechtsmittels – der außerordentlichen Revision an den VwGH. „Würde die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen, bliebe als einzige höchstgerichtliche Instanz zur Überprüfung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts der Verfassungsgerichtshof“, mahnte der VwGH nun. Die Pläne würden die 2012 beschlossene Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit konterkarieren und wären ein „Rückschritt in einem menschenrechtlich besonders sensiblen Bereich“, hieß es in der Aussendung weiter.

Warnung vor Verschiebung der Verfahren

Es wäre in diesem Fall mit einer weiteren Steigerung der Beschwerden in Asylangelegenheiten an den VfGH zu rechnen, womit es im Ergebnis lediglich zu einer Verschiebung von Verfahren vom VwGH zum VfGH kommen würde, heißt es in der Pressemitteilung. Zudem dauerten die Verfahren vor dem VwGH im Schnitt nur eineinhalb Monate, es käme also zu keiner „nennenswerten Verfahrensbeschleunigung“.

Laut VwGH sind mehr als 90 Prozent der Asylverfahren vor dem höchsten Verwaltungsgericht außerordentliche Revisionen. „Ein Ausschluss dieser Revisionsmöglichkeit bedeutet praktisch einen völligen Ausschluss der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes in Asylsachen“, so die Warnung der Richter. Die Anrufbarkeit des VwGH stelle die Einhaltung menschenrechtlicher Garantien sicher und sorge für eine Rechtsprechung nach einheitlichen Grundsätzen. Sowohl Asylwerber als auch Asylbehörden hätten Revision eingelegt, so der VwGH.

Die geplanten Verschärfungen

Das Regierungsprogramm enthält etliche Verschärfungen im Asylrecht, das grundsätzlich neu kodifiziert werden soll. Wesentliche Änderungen gibt es bei der Grundversorgung. Eingerichtet werden soll eine Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, die eine nicht auf Gewinn ausgerichtete Betreuung sicherstellen und auch gleich „unabhängige und objektive Rechtsberatung“ bieten soll.

Zum Beitrag auf ORF mit dem Interview dem Präsidenten des VfGH…

Zur Langfassung: Interview mit VfGH-Präsident Holzinger vom 27.12.2017 um 22.30 Uhr / ORF TVthek

Zum Interview mit dem Präsidenten des VfGH im Standard…

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