Maiforum 2023 (Teil 1) – grundrechtliche Vorgaben zur (organisatorischen) Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit

Zur Eröffnung des Maiforums mahnte der Präsident des Dachverbands der Verwaltungsrichter:innen Markus Thoma die Umsetzung der europäischen Standards zur Bestellung von Richter:innen und Gerichtspräsident:innen durch richterliche Organe als Ausfluss der richterlichen Selbstverwaltung und Unabhängigkeit ein. Die Bestellung der offenen Posten, so aktuell der Posten des/der Präsident:in des BVwG, sollen auch zeitnah und unparteiisch erfolgen.

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NGOs orten versuchte Einflussnahme auf Justiz, Van der Bellen kritisiert Regierung scharf

Seit mehr als 165 Tagen ist das weitaus größte Gericht Österreichs ohne ordnungsgemäße Führung. In einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die netzpolitische Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, die Umweltschutzorganisation Ökobüro – Allianz der Umweltbewegung und die asylpolitische Plattform asylkoordination österreich die Regierung auf, die Stelle sofort zu füllen und die Besetzung nicht weiter aus parteipolitischem Interesse zu
verzögern. 

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Verwaltungsrichter fordern die Regierung dringend zum Handeln auf

Die Spitze des Bundesverwaltungsgerichts ist seit Monaten unbesetzt.

Die Gerichtspräsident:innen und -vizepräsident:innen haben äußerst wichtige und umfassende Funktionen an den Verwaltungsgerichten. Einerseits vertreten sie die Gerichte nach außen und sind daher mitverantwortlich, für die öffentliche Wahrnehmung und das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltungsgerichte als unabhängige Einrichtungen. Andererseits sind sie im Rahmen der Justizverwaltung maßgeblich bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Richter:innen und damit der Rechtsprechung per se. Es ist daher von grundsätzlicher Bedeutung, dass schon jeglicher Anschein einer politischen Einflussnahme im Auswahlverfahren und bei der Besetzung dieser Leitungsfunktionen vermieden wird.

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VwGH Judikatur / Ärztegesetz: Zulässigkeit von Meinungsäußerungen von Ärzten zu Corona-Maßnahmen

Die Ärztekammer war gegen einen Mediziner wegen dessen öffentlicher Äußerungen betreffend die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie, insbesondere der Masken- und Impflicht, mit einer Disziplinarstrafe vorgegangen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zeigt Reichweite und Grenzen freier Meinungsäußerungen von Medizinern auf.

Gegenstand des Verfahrens zur Zl. Ra 2021/09/0269 waren Äußerungen des Arztes, dass die Corona-Maßnahmen teils unverhältnismäßig gewesen seien, Stoffmasken keinen effektiven Beitrag leisten würden bzw. andere Maßnahmen sinnvoller wären sowie dass er Impfungen zwar nicht ablehne, aber nur für jene Menschen sinnvoll halte, die durch Covid-19 ein hohes Risiko hätten. Eine generelle Impfpflicht lehne er aufgrund des kurzen, (zum Zeitpunkt der Äußerungen) dreimonatigen Beobachtungszeitraums, insbesondere betreffend die Wirkungsdauer der Impfung ab. Vor allem wisse man nicht, ob geimpfte Personen die Infektion weitergeben würden, so der Arzt.

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Präsidentenernennung (2): Bundesverwaltungsgericht nach fast vier Monaten noch ohne Leitung

Seit 1. Dezember 2022 ist die Position des Präsidenten/der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts vakant. Die Ernennung eines Nachfolgers/einer Nachfolgerin ist nicht in Sicht. 

Ausgeschrieben wurde die Nachfolge für den aus Altergründen ausgeschiedenen Präsidenten Harald Perl bereits im Sommer letzten Jahres. Beworben haben sich 12 Kandidat:innen, das  Auswahlverfahren ist lange beendet, die vorgenommene Reihung wurde den Kandidat:innen bereits mitgeteilt.

Zuständig für die Ernennung ist der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung, die einen solchen Vorschlag bis dato nicht vorgelegt hat.

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Präsidentenbestellung (1):  Klaus Wallnöfer wird neuer Präsident des Landesverwaltungsgerichts Tirol

Die Tiroler Landesregierung hat Klaus Wallnöfer ab 1. Mai 2023 zum Präsidenten des Landesverwaltungsgerichts Tirol ernannt.  Wallnöfer war bisher Leiter der Abteilung Landwirtschaftliches Schulwesen und Landwirtschaftsrecht im Amt der Landesregierung. Diese Entscheidung kam insofern nicht überraschend, als bereits am 05.02.2023 – und damit noch vor Beginn des Hearings vor der Auswahlkommission  – in einem Beitrag der  „Tiroler Tageszeitung“ Wallnöfer als „heiße Aktie“ …

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Schaffung einer Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe

Anmerkungen zum Entwurf zur Änderung des Gesetzes über ein Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung

Seit 100 Jahren gibt es in Österreich eine Beschwerdestelle für Polizeigewalt. Ihr Name: Verfassungsgerichtshof; seit 1975 ist auch der Verwaltungsgerichtshof dafür zuständig. Da diese beiden Höchstgerichte jedoch keine Tatsacheninstanzen waren und sind, mussten sie sich für ihre Ermittlungen anderer Gerichte oder Behörden bedienen. Außerdem mussten die Beschwerden eine bestimmte Form aufweisen und von RechtsanwältInnen eingebracht werden.

Seit 1991 besteht allerdings mit den Unabhängigen Verwaltungssenaten bzw den Verwaltungsgerichten der Länder und des Bundes als Nachfolgeinstitutionen eine Beschwerdestelle, die auch ermittelt: als erste und somit als Tatsacheninstanz erheben diese Gerichte alle erforderlichen Beweise, um das Tatgeschehen zu rekonstruieren, welches sie dann einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterziehen. Die Beschwerden können formlos sein (laut dem höchstgerichtlichen Diktum „Dem Verwaltungsverfahren ist jeglicher Formalismus fremd“) und sind mit einem überschaubaren Kostenrisiko verbunden. Fehlen wesentliche Inhalte, so können diese nach Anleitung durch das Gericht („Verbesserungsauftrag“) nachträglich ergänzt werden; nicht anwaltlich vertretene Personen sind ganz generell vom Gericht anzuleiten („Manuduktionspflicht“) . Nach allgemeiner Auffassung hat sich diese sogenannte Maßnahmenbeschwerde deutlich besser bewährt als die Aufarbeitung von Misshandlungsvorwürfen durch die Strafgerichte.

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VfGH Judikatur / Dienstrecht: Keine Bedenken gegen Dienstbeurteilung von Verwaltungsrichter:innen durch gewählten Personalsenat

Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom Verwaltungsgerichtshof erhobenen Bedenken gegen die Zuständigkeit gewählter Personalsenate zur Dienstbeurteilung von Verwaltungsrichter:innen nicht. Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofs zur Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen im Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtgesetz wurden abgewiesen (VfGH 07.03.2023, G 282-283/2022)

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs handle es sich bei der Dienstbeurteilung von Verwaltungsrichter:innen um ein vom Verwaltungsgericht „zu besorgendes Geschäft“ gem. Art 87 Abs. 2 B-VG, welches einem nach der Geschäftsverteilung eingerichteten Senat obliege. Die Zuständigkeit eines Personalausschusses (Personalsenates), in dem gewählte Richter:innen die Mehrheit haben, sei verfassungsrechtlich nicht gedeckt, da dessen Zusammensetzung nicht den Vorgaben des Art 135 B-VG entspreche.

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VfGH Judikatur / Anspruch auf Entscheidung in angemessener Frist: Entscheidung innerhalb angemessener Frist darf nicht mangels Vorlage eines Gutachtens verzögert werden

Die vom Verfassungsgerichtshof in einem Bedarfsprüfungsverfahren nach dem Apothekengesetz festgelegten Ermittlungs- und Entscheidungspflichten dürften auch in anderen Rechtsgebieten von Relevanz sein. 

In seiner Entscheidung vom 14.12.2022, E3150/2021, hat der Verfassungsgerichtshof abermals die Verpflichtung der Behörden betont, innerhalb angemessener Frist zu entscheiden. Der Gerichtshof hat zugleich ausgesprochen, dass selbst das Fehlen eines – im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen – Bedarfsprüfungs-Gutachtens die Behörde nicht von der Verpflichtung entbindet, ein Verfahren zügig abzuschließen. Um eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 Abs 1 EMRK durch überlange Verfahrensdauer zu vermeiden, hat die Behörde die Entscheidungsgrundlagen erforderlichenfalls auf andere geeignete Weise zu ermitteln.

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