Die Empfindlichkeit für den Rechtsstaat ist in der Politik verloren gegangen

Professor Neisser konstatiert im Gespräch mit ANWALT AKTUELL ein generelles Desinteresse der Regierung und des Parlaments am österreichischen Rechtsstaat.

Dass die österreichische Regierung seit Monaten die vakanten Spitzen des Bundesverwaltungsgerichts wie auch der Bundeswettbewerbsbehörde nicht besetzt, sieht Neisser als ein trauriges Symbol für Defizite im Rechtsstaat. Es sei ein Leerlauf, für den es keine Gründe gebe. Solche Besetzungen seien traditionell Kompromissentscheidungen auf politischer Ebene gewesen. Wieso man das jetzt nicht mache, sei ihm völlig unerklärlich. Es liege daran, dass die Politiker, die heute in der Regierung säßen, kein Empfinden dafür hätten, was eigentlich Regieren bedeute. Grund dafür sei sicher auch die Schwäche der Personen.

Professor Neisser hat sich intensiv auf europäischer Ebene mit der Rechtsstaatssituation in Polen und Ungarn beschäftigt und meint, dass wir in Österreich zwar, negativ gesprochen, noch nicht so weit seien. Es gehe grundsätzlich um den institutionellen Bereich und um das Klima. Der Rechtsstaat lebe ja davon, dass es eine Empfindlichkeit der Politiker für den Rechtsstaat gebe. Ebenso eine Empfindlichkeit des Volkes und der Öffentlichkeit. Diese Empfindlichkeit für den Rechtsstaat sei in der Politik offensichtlich verloren gegangen. Spätestens bei den nächsten Wahlen werde man sehen, wie es das Volk mit dieser Empfindlichkeit halte. Er fürchte jedoch, dass der kommende Wahlkampf den Rechtsstaat nicht thematisieren werde.

Hier geht es zum Interview in ANWALT AKTUELL

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