Am Landesverwaltungsgericht Tirol ist mit Wirksamkeit 1. April 2025 die Funktion des/der Vizepräsident:in neu zu besetzen. Die Bewerbungsfrist läuft bis 09.02.2025. Der Aufgabenbereich spannt sich von der Vertretung und Unterstützung des Präsidenten des LVwG Tirol über die Justizverwaltung bis hin zur Rechtsprechung. Neben der Erfüllung der allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 3 TLVwGG für ein Richteramt werden zahlreiche weitere Voraussetzungen von den Bewerber:innen erwartet.
Allgemein
EGMR: Unzulässige Pushbacks von einer Türkin in die Türkei von griechischen Behörden verletzt Art. 3 EMRK
In seiner Entscheidung vom 07.01.2025 in der Rechtssache A.R.E. v. Griechenland (Application no. 15783/21) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass eine Verletzung ua. des Art. 3 EMRK aufgrund des „Pushback“ der türkischen Antragstellerin in die Türkei vorliegt. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass es starke Anhaltspunkte dafür gab, dass zum Zeitpunkt der behaupteten Ereignisse eine systematische Praxis der „Pushbacks“ von Drittstaatsangehörigen durch die griechischen Behörden von der Region Evros bis zur Türkei bestand. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass die Klägerin in ihr Heimatland, die Türkei, aus der sie geflohen sei, zurückgeschickt worden sei, ohne zuvor die Risiken, denen sie im Hinblick auf Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen sei, zu prüfen und somit ihren Antrag auf internationalen Schutz zu berücksichtigen.
Deutsches Bundesverfassungsgericht wird resilienter
Am 19.12.2024 hat der Bundestag die Resilienzpläne für Deutschlands höchstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), abgesegnet. Mit dieser Grundgesetzänderung soll das BVerfG gegen den Zugriff verfassungsfeindlicher Kräfte resilienter gemacht werden. Es soll dadurch die Grundstruktur des Gerichts, seine Einheit und Kontinuität, seine Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Richter:innen abgesichert werden.
VfGH: Recht auf Auskunftserteilung hat „jedermann“
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinen Entscheidungen vom 02.12.2024, E 1379/2024 und E 1380/2024, ausgesprochen, dass das Auskunftspflichtgesetz das Recht auf Auskunftserteilung „jedermann“ einräumt. Das Recht auf Auskunft steht damit sowohl natürlichen als auch juristischen Personen zu. Ein Abgeordneter des Nationalrates, der ein Begehren bzw. einen Antrag im Sinn des Auskunftspflichtgesetzes stellt, handelt nicht in seiner Organstellung. Insoweit räumt das Auskunftspflichtgesetz einem Abgeordneten wie „jedermann“ das Recht ein, ein Auskunftsbegehren einzubringen und, im Fall der Nichterteilung der Auskunft, einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides hierüber zu stellen.
VfGH hegt Bedenken gegen die taxative Aufzählung der Anspruchsberechtigten im Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG)
§ 5 Abs. 2 WMG dürft nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) in seinem Prüfungsbeschluss vom 11.12.2024, E 2690/2024, der Grundsatzbestimmung des § 4 Abs. 1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) insofern zuwiderlaufen, als er die bezugsberechtigten Drittstaatsangehörigen taxativ aufzuzählen scheint. Dies dürfte bewirken, dass Drittstaatsangehörige nur bei Nachweis eines in § 5 Abs. 2 WMG ausdrücklich genannten Aufenthaltstitels anspruchsberechtigt sind. Nach § 4 Abs. 1 SH-GG sind Leistungen der Sozialhilfe jedoch dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, ohne das Erfordernis bestimmte Aufenthaltstitel zu normieren.
VwGH Judikatur / Verweigerung einer amtsärztlichen Untersuchung auf Drogeneinfluss nach der StVO
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) setzte sich in seiner Entscheidung vom 13.11.2024, Ro 2023/02/0021, mit der Frage auseinander, ob es sich um eine Verweigerung des Drogentests handelt, wenn ein Lenker die Untersuchung zunächst verlangt, sich selbst aber in weiterer Folge – wenn auch fahrlässig – in einen Zustand versetzt, der die Untersuchung verunmöglicht. Der VwGH sprach in diesem Fall aus, dass der Lenker objektiv ein Verhalten gesetzt hat, dass das Zustandekommen der amtsärztlichen Untersuchung verhindert hat und dies als Weigerung zu werten ist. Auch subjektiv war die Weigerung dem Fahrer vorwerfbar.
Tätigkeitsbericht BVwG für das Jahr 2023 zeigt weiterhin großen Aktenzuwachs
Der Tätigkeitbericht des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) für das Geschäftsjahr 2023 (1. Februar 2023 bis 31. Jänner 2024) wurde nun veröffentlicht und bestätigt sich der Trend nach weiterhin hohem, ansteigendem Akteneinlauf. Zukünftig soll auf die Einhaltung der gesetzlichen Entscheidungsfristen (in der Regel sechs Monate) geschaut werden. Dahingehend konnte schon 2023 eine Verbesserung festgestellt werden, da bereits ca. 60% der Fälle innerhalb der Frist erledigt wurden (2022 nur 48%) und der Anteil der Verfahren, die länger als zwei Jahre dauern, reduziert wurde. Auch die Fristsetzungsanträge waren rückläufig von 370 auf 200.
Ungarns Justiz: Schweigen durch Druck?
In Ungarn stehen Richter:innen, die sich für Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Rechtsprechung einsetzen, unter zunehmendem Druck. Dies zeigen zwei Fallbeispiele, die vom Hungarian Helsinki Committee veröffentlicht wurden. Richter András Kovács habe wiederholt Missstände öffentlich gemacht und regierungskritische Entscheidungen getroffen. Seine Aufdeckung von Unvereinbarkeiten zwischen ungarischem Recht und EU-Recht sowie seine Kritik am Fallzuweisungssystem der Kúria (Höchstgericht in Ungarn) habe zu einer Reihe von Repressionen geführt: von der Auflösung seines Senats bis hin zu Publikationsverboten, Einschränkung der Meinungsfreiheit und fragwürdigen Disziplinarverfahren.
Versuchte Einflussnahme auf die unabhängige Rechtsprechung?
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat am Freitag die Anträge auf Bewilligung zur Errichtung des Bundesstraßenbauvorhabens „S 8 Marchfeld Schnellstraße“ abgewiesen. Die Alternativenprüfung durch das BVwG hat ergeben, dass eine zumutbare Alternative zum Einreichprojekt vorhanden ist. Als Reaktion auf diese Entscheidung hat der Landeshauptfrau-Stellvertreter von Niederösterreich Landbauer (FPÖ) nach Meldungen auf noe@orf.at ausgeführt, dass diese Entscheidung auch Anlass sei, eine Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich anzudenken, „dass eben die Interessen der Bürger Gehör finden“.
Allein der Verzicht auf Sideletter macht Ernennungsverfahren nicht transparenter
Markus Thoma, Sprecher des Dachverbands der Verwaltungsrichter:innen, zeigt in seinem Gastkommentar im Standard auf, dass der Verzicht auf Sideletter bei der Postenbesetzung bei Gericht längst nicht alle offenen Fragen löse. Er repliziert dabei auf die Aussage des Bundeskanzlers kürzlich in der ZIB 2, er wolle Jobbesetzungen transparent ins Regierungsprogramm aufnehmen. Dazu müsse das Regierungsprogramm – so Thoma – konkrete gesetzliche Schritte zu transparenten Besetzungsverfahren unter Einbindung der Justiz und gerichtlicher Überprüfbarkeit vorsehen, um den europäischen Standards zu entsprechen.