Digitale Überwachung (2): UN-Menschenrechtskommissar gegen Unterwanderung verschlüsselter Messenger

Der UN-Menschenrechtskommissar sieht im Einsatz der Überwachungstechnologie einen Paradigmenwechsel, der „erhebliche Risiken“ für Grundrechte mit sich bringe.

Ungeachtet der Urteile des EuGH zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung laufen auf europäischer Ebene Vorarbeiten zur nächste Variante der anlasslosen Massenüberwachung. Messenger-Hersteller sollen künftig in ihren Apps laufend nach Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) scannen und Gefundenes an die Behörden melden müssen. In der breiteren Öffentlichkeit wird dieses Unterfangen unter dem Begriff „Chatkontrolle“ diskutiert.

In einem aktuellen Bericht widmet sich der UN-Menschenrechtskommissar generell der Frage des „Rechts auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter“, einen zentralen Teil nehmen dabei aber die Ideen zu diesen offiziell „Client Side Scanning“ genannten Konzepten ein. Das Verdikt fällt dabei geradezu vernichtend aus, wie netzpolitik.org berichtet. „Client Side Scanning“ stelle geradezu einen „Paradigmenwechsel“ in Hinblick auf die Privatsphäre, aber auch andere Grundrechte dar – würde es doch im Gegensatz zu anderen Maßnahmen wirklich alle Menschen betreffen.

Fehlalarme und Selbstzensur

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Digitale Überwachung (1): EuGH hält auch deutsche Version der Vorratsdatenspeicherung nicht mit Unionsrecht vereinbar

Der EuGH hat bereits wiederholt entschieden, dass die generelle Vorratsdatenspeicherung auf nationaler Ebene mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation nicht vereinbar ist. Jetzt hat es auch die deutsche Regelung getroffen (EuGH vom 20.09.2022, Rs. C-793/19, C-794/19 u.a.).

Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten entgegensteht, es sei denn, es liegt eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vor. Damit bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, die auf eine lange Reihe von Urteilen zu den Regelungen anderer EU-Staaten zurückblicken kann.

Der EuGH beanstandet an den einschlägigen deutschen Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG), dass Verkehrs- und Standortdaten, die zehn bzw. vier Wochen lang gespeichert werden, sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben – etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, Aufenthaltsorte, ausgeübte Tätigkeiten und soziale Beziehungen – zulassen und es insbesondere möglich wird, ein Profil dieser Personen zu erstellen.

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Ungarn: “Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte”

Das Parlament verurteilt die „vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung“, die europäischen Werte zu untergraben, und fordert Ergebnisse im Artikel-7-Verfahren.

Das Fehlen entschlossener Maßnahmen der EU habe „zu einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen“ sowie zur Entstehung eines „hybriden Systems der Wahlautokratie“, d.h. eines Verfassungssystems, in dem zwar Wahlen stattfinden, aber demokratische Normen und Standards nicht eingehalten werden, so die Abgeordneten.

Der Bericht, der am Donnerstag mit 433 Ja-Stimmen, 123 Nein-Stimmen und 28 Enthaltungen angenommen wurde, baut auf der Entschließung auf, mit der das Parlament 2018 das Verfahren nach Artikel 7 eingeleitet hat, um einen Überblick über die Entwicklungen in den vom Parlament identifizierten 12 Problembereichen zu vermitteln. So wird aufgezeigt, wie sich die in Artikel 2 der EU-Verträge verankerten Werte, einschließlich der Demokratie und der Grundrechte im Land, seit 2018 weiter verschlechtert haben, und zwar durch die „vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung“, verschärft durch die Untätigkeit der EU.

EU-Institutionen müssen handeln und auch zur Rechenschaft gezogen werden

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Europäische Richter klagen Europäischen Rat wegen Polen

Normalerweise werden Klagen an Richter herangetragen, diesmal ist es umgekehrt: In einer beispiellosen Aktion wenden sich Richterinnen und Richter aus ganz Europa an ein Gericht, und zwar kein geringeres als den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg. Vier europäische Richterorganisationen haben sich zusammengefunden, um dort den Europäischen Rat zu klagen.

Hintergrund der Klage der Vereinigung Europäischer Verwaltungsrichter (AEAJ), der Europäischen Richtervereinigung (EAJ), der Rechters voor Rechters (Richter für Richter) und der Magistrats Européens pour la Democratie et les Libertés (MEDEL) ist die unzureichende Unabhängigkeit der Justiz in Polen. Darauf hat auch bereits der EuGH in mehreren Urteilen hingewiesen. Als Abhilfe wollte die EU die Auszahlung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität unter anderem an die Bedingung binden, dass der Zugriff der Politik auf die Gerichte in Polen zurückgenommen wird. Genau das hat nämlich der EuGH verlangt.

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Bundesverfassungsgericht bestätigt: Masern-Impfpflicht in Kitas und Schulen

Schul- und Kitakinder müssen in Deutschland weiter verpflichtend gegen Masern geimpft werden. Das Bundesverfassungsgericht wies mehrere Beschwerden gegen das Gesetz zurück.

Das Bundesverfassungsgericht hat die seit März 2020 geltende Masern-Impfpflicht in Kitas und Schulen endgültig gebilligt. Wie das Gericht in Karlsruhe bekannt gab, lehnte es mehrere dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerden als unbegründet ab. Die Richterinnen und Richter stellten fest, dass die Impfpflicht zwar einen Eingriff in das Elternrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit darstelle. Diese Grundrechtseingriffe seien jedoch zumutbar, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen.

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VfGH Judikatur / COVID-Verordnungen von Ende 2021 gesetzwidrig

Ungleichbehandlung von Kunst und Religionsausübung war nicht gerechtfertigt

Der VfGH hat auf Grund eines Antrags mehrerer Kulturschaffender festgestellt, dass das Betretungsverbot für Kultureinrichtungen im Herbst 2021 gleichheitswidrig war. Ein erster, anderer Antrag der Kulturschaffenden 2021 war erfolglos geblieben (siehe hier). Diese und eine weitere Entscheidung wurden heute den Verfahrensparteien zugestellt.

Die 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung sah für den Zeitraum vom 22. November 2021 bis 11. Dezember 2021 einen bundesweiten Lockdown (auch für Geimpfte und Genesene) vor. Das Betreten des Kundenbereichs von Kultureinrichtungen war in diesem Zeitraum untersagt (§ 7 Abs. 1 Z 4), und zwar ausnahmslos. Hingegen waren Zusammenkünfte zur gemeinsamen Religionsausübung vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen (§ 18 Abs. 1 Z 7).

Gegen das Betretungsverbot für Kultureinrichtungen bestehen an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Maßnahme war geeignet, der Verbreitung von COVID-19, nämlich der damals dominierenden Delta-Variante, entgegenzuwirken; die Maßnahme war erforderlich sowie – im Hinblick auf die begrenzte Geltungsdauer von 20 Tagen – verhältnismäßig und verstieß daher nicht gegen die verfassungsgesetzlich geschützte Freiheit der Kunst.

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EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht: Weiterhin Kritik am Auswahlverfahren der Gerichtspräsidenten

Österreich ist es bis dato nicht gelungen, jene Schwachstellen im Justizsystem zu beseitigen, die seit dem Jahr 2020  in den Rechtsstaatlichkeitsberichten der EU-Kommission aufgezeigt werden. Dies zeigt sich einmal mehr am gestern veröffentlichten „Rule-of-Law-Report 2022“.

Dies betrifft insbesondere die fehlende Beteiligung richterlicher Gremien am Auswahlverfahren für die Leitungsfunktionen am Oberster Gerichtshof, sowie die Bedenken hinsichtlich der Ernennung von Präsidenten und Vizepräsidenten der Verwaltungsgerichte. Weiters mahnt der Bericht eine weitere justizielle Beteiligung an der Ernennung von Richtern ein.

In der im Frühjahr zur Begutachtung ausgesendeten Novelle zum Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) war noch vorgesehen worden, dass zukünftig Personalsenate die Besetzungsvorschläge für Präsident/in und Vizepräsident/in des OGH erstatten sollen und in die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst eingebunden sind. In der nun ins Parlament eingebrachten Dienstrechts-Novelle 2022 ist davon keine Rede mehr.

Seitens der EU-Kommission wird Österreich empfohlen:

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Umweltrecht: Brasiliens Oberster Gerichtshof erkennt das Pariser Klimaschutzabkommen als „Menschenrechtsvertrag“ an

Das Brasilianisches Höchstgericht hat als erstes Gericht der Welt das Pariser Abkommen als „Menschenrechtsvertrag“ anerkannt hat. Die Erklärung wurde im Rahmen des ersten Klimawandelurteils des Gerichts abgegeben, das die brasilianische Regierung anwies, ihren nationalen Klimafonds vollständig zu reaktivieren. Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf das nationale, aber auch das internationale Recht.

„Verträge über das Umweltrecht sind eine Art Menschenrechtsvertrag und genießen aus diesem Grund supranationalen Status. Es gibt daher keine rechtlich gültige Möglichkeit, die Bekämpfung des Klimawandels einfach zu unterlassen“, heißt es in dem Urteil. Das letzte Woche ergangene Urteil  war der Höhepunkt einer Klage, die vor zwei Jahren von vier politischen Parteien gegen die brasilianische Bundesregierung eingereicht wurde. Sie wiesen darauf hin, dass der Klimafonds (Fundo Clima), der 2009 als Teil des nationalen Klimapolitikplans Brasiliens eingerichtet wurde, 2019 nicht mehr funktionsfähig war; Jahrespläne seien nicht erstellt und kein Geld ausgezahlt worden, um Projekte zur Eindämmung des Klimawandels zu unterstützen.  Das Gericht hatte im September 2020 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, an der Wissenschaftler, Akademiker und Vertreter der Zivilgesellschaft und indigener Gruppen teilnahmen.

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Richterdienstrecht: Reform der Besetzungsverfahren vom Tisch, Greco-Empfehlungen weiter nicht umgesetzt

Der Reformeifer der Bundesregierung zur Umsetzung der GRECO-Empfehlungen ist nur von kurzer Dauer gewesen. War in der zur Begutachtung ausgesendeten Novelle zum Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den jüngsten GRECO-Umsetzungsbericht – noch vorgesehen worden, dass zukünftig Personalsenate die Besetzungsvorschläge für Präsident/in und Vizepräsident/in des OGH erstatten sollen und in die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst eingebunden sind, ist in der nun ins Parlament eingebrachten Dienstrechts-Novelle 2022 davon keine Rede mehr. Damit hat Österreich nach wie vor nur zwei von neunzehn „GRECO“-  Empfehlungen umgesetzt (Siehe dazu: Österreich rutscht im Korruptionsindex weiter ab)

Siehe dazu auch: Dachverband der Verwaltungsrichter/innen fordert Reform bei der Besetzung von Leitungsfunktionen an den Verwaltungsgerichten

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VfGH: Die Impfpflicht ist verfassungskonform – weil sie nicht gilt

Der Verfassungsgerichtshof hat angesichts der geltenden „Nichtanwendungsverordnung“ keine verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Impfpflicht. Sie schütze vulnerable Personen.

Angesichts der „derzeit geltenden Covid-19-Nichtanwendungsverordnung […] bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zulässigerweise angefochtenen Bestimmungen“, ist in dem gestern veröffentlichen Erkenntnis zu lesen.

Ursprünglich ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Impfpflicht mit Spannung erwartet worden. Das umstrittene Gesetz war zwar am 4. Februar in Kraft getreten, schlagend wurde es aber nie. Unmittelbar vor dem mit Strafen verbundenen „Scharfstellen“ am 16. März wurde die Impfpflicht ausgesetzt, sie sei angesichts der epidemiologischen Lage nicht verhältnismäßig. Vergangenen Donnerstag, 23. Juni, gab die Regierung schließlich bekannt, dass die Impfpflicht gegen das Coronavirus endgültig abgeschafft wird.

Impfpflicht „schwerer Eingriff“ in körperliche Integrität

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