19. Deutscher Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (1): Schwerpunkt Asyl- und Ausländerrecht

Von 15.-17. Mai 2019 fand der seit über 20 Jahren alle drei Jahre veranstaltete Deutsche Verwaltungsgerichtstag statt, im „ darmstadtium“, dem Wissenschafts- und Kongresszentrum der Wissenschaftsstadt Darmstadt. (Berichte von Eva Wendler, Richterin am Bundesverwaltungsgericht und Gudrun Müller, Richterin am Verwaltungsgericht Wien) Die Veranstaltung bot den knapp 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch dieses Jahr hochkarätige Arbeitskreise …

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Verwaltungsrichter in Europa (3): Das niederländische System der Richterauswahl und -ausbildung

Annemiek Huigen. Foto: Mag. Andreas Stanek

Seit dem Jahr 2002 ist für die Richterauwahl und Ausbildung in den Niederlanden ein Justizrat als richterliches Selbstverwaltungsorgan zuständig. Dieser hat im Jahr 2010 begonnen das Auswahl- und Ausbildungsverfahren zu modernisieren, umgesetzt wird das neue  Programm seit dem Jahr 2014.

(Vortrag von Annemiek Huigen, Richterin in Amsterdam und Projektleiterin des neuen Ausbildungsprogramms, am 25. Maiforum, Bundesfinanzgericht Wien)

Richter als „Generalisten“

Der Grund für die Einrichtung eines Justizrates war das Bestreben nach einer effizienteren und kostengünstigeren Justizverwaltung in den Niederlanden .Es wurden zersplitterte Strukturen aufgelöst um Gerichte als „Insellösungen“ zu vermieden.  Die vom Justizrat verfolgte Vision des neuen Auswahl- und Ausbildungssystem war eine Modernisierung des Richterbildes. Richter sollten künftig mehr Generalisten sein und auf Grund ihrer Ausbildung in zwei der drei Fachgebiete Straf-, Zivil- und Verwaltungsrecht tätig sein können.  Die so geschaffenen Einsatzmöglichkeiten sollte auch eine flexiblere Organisation der Gerichte ermöglichen. Eine Trennung des Auswahl- und Ausbildungsverfahrens für die einzelnen Sparten der Gerichtsbarkeit gibt es daher nicht. Eine eigene Ausbildungsschiene besteht nur für Staatsanwälte.

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Verwaltungsgericht Wien: Land stärkt Präsidenten den Rücken

Verwaltungsgericht Wien

Am Verwaltungsgericht Wien wird eine neue „Stabstelle Recht“ eingerichtet. Diese soll nicht von einem Richter, sondern von einem Verwaltungsbeamten geleitet werden. Von diesem werden Loyalität zum Präsidenten und Diskretion verlangt.

Mögliche politische Einflussnahme auf die Gerichtsorganisation

Der Schutz der Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien vor übermäßigem Druck von außen könnte in mancher Hinsicht gefährdet sein. Zu diesem Schluss kommt der Beirat europäischer Richter (CCJE) beim Europarat nach einer Analyse der vom Landesgesetzgeber eingeräumten Befugnisse des Gerichtspräsidenten.

Der Präsident sollte Richter vor äußerer Einflussnahme schützen und nicht ein Instrument für einen solchen Einfluss sein. Aus diesem Grund sei die Frage der Unterordnung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien unter die Beschlüsse der Landesregierung von besonderer Bedeutung, so der Beirat (Siehe dazu: „Weisungen bedeutungslos).

Die starke Macht des Präsidenten in Bezug auf die Ressourcen und ihre Zuweisung könnte nach Auffassung des Expertenrates indirekt die Arbeit eines einzelnen Richters beeinflussen und seine Unabhängigkeit beeinträchtigen. Diese Gefahr sei im Hinblick auf die besondere Rolle des Präsidenten bei der Initiierung von Disziplinarverfahren noch größer.

Loyalität zum Präsidenten, Diskretion und Stressstabilität

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Verwaltungsrichter in Europa (2): Das englische System der Richterauswahl und -ausbildung

Hugh Howard

Der größte Unterschied zu den Justizsystemen am „Kontinent“ besteht in England und Wales einerseits darin, dass der Beruf des Verwaltungsrichters sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden kann und andererseits die richterliche Tätigkeit nicht alleine Juristen vorbehalten ist.

(Vortrag von Hugh Howard, Regional Tribunal Judge in Buckinghamshire, am 25. Maiforum, Bundesfinanzgericht Wien)

Neben Juristen sind regelmäßig Laienrichter, etwa Ärzte, an den Gerichten tätig. Die Verwaltungsgerichte („Tribunals“) sind in hochspezialisierte Kammern unterteilt wie Property Chamber, Tax Chamber, Social Entitlement Chamber, Immigration and Asylum Chamber etc. Rund 80 % der Entscheidungen werden von Teilzeitrichtern getroffen.

Beteiligung von Laien bei Richterauswahl

Die Auswahl der Verwaltungsrichter erfolgt nach durchgeführter Eignungsprüfung durch eine eigens eingerichtete Richterauswahlkommission (Judicial Appointment Commission – JAC). Über eine eigene Webseite erfolgt die Stellenausschreibung für offene Richterstellen, an der sich auch interessierte Bürgerinnen und Bürger (für sog. „non-legal posts“) beteiligen können (siehe dazu: https://www.judicialappointments.gov.uk/)

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RZ Editorial 05/19: Ein Pakt für den Rechtsstaat?

In Deutschland scheint die Trendwende geschafft.  Der heuer unterzeichnete „Pakt für den Rechtsstaat“ verspricht der Justiz unseres Nachbarlandes nach jahrzehntelanger Sparpolitik bis an die Belastungsgrenze nun zusätzliche Budgetmittel und neue Stellen bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei.   Von Harald Wagner   Es braucht das Bewusstsein der Bevölkerung über die Wichtigkeit einer unabhängigen und funktionierenden Justiz …

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Vorlage an den EuGH: Deutsches Verwaltungsgericht zweifelt an seiner Unabhängigkeit

Die  „nationale Verfassungslage“ in Deutschland, so der Beschluss der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, gewährleiste „nur die funktionale richterliche Unabhängigkeit, nicht aber eine institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte“.

Das Gericht sehe sich daher verpflichtet, beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzufragen, ob es die europarechtlichen Vorgaben nach Art. 47 Abs. 2 Grundrechte-Charta eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts erfüllt.

Verwaltung bestimmt äußere und innere Organisation der Gerichte

Die Vorlage führt dazu aus, dass in Deutschland zwar die Richter selbst unabhängig seien und nur dem Gesetz unterworfen. Eine solche rein „funktionelle“ Unabhängigkeit reiche aber nicht aus, „um ein Gericht vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren“. Dabei gehe es nicht nur um Weisungen, sondern auch um mittelbare Einflüsse, die eine Entscheidung der Richter steuern könnten. Letztlich entscheide immer das Justizministerium über die Planstellen und die Anzahl der Richter an einem Gericht sowie über dessen Ausstattung. Auch die Personalgrundakten eines jeden Richters würden beim Hessischen Ministerium der Justiz geführt, Auslandsdienstreisen eines Richters, z.B. im Rahmen des Europäischen Netzwerks zur justiziellen Fortbildung (EJTN), müssten vom Ministerium angeordnet werden.

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„Unabhängigkeit der Justiz gefährdet“

Gerichtspräsident Kolonovits: „Dass die Mitglieder sich selbst ihren Präsidenten aussuchen, ist unvorstellbar.“

Ein Beirat des Europarats aus Richtern sieht den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien nicht genug vor Druck von außen geschützt.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.04.2019)

Wien. Der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz vor übermäßigem Druck könnte in mancher Hinsicht gefährdet sein: Zu diesem Schluss kommt der Beirat europäischer Richter (CCJE) beim Europarat nach einer Analyse des Landesverwaltungsgerichts Wien. Der Beirat aus Richtern aus den 47 Europaratsstaaten hat sich konkret die Position des Präsidenten und dessen Stellvertreterin angesehen. Das Expertengremium vermisst eine saubere Trennung zwischen der Landesregierung und dem Gericht, das die Rechtmäßigkeit der Verwaltung kontrollieren soll.

Der Beirat kritisiert, dass der Präsident im freien Ermessen und ohne richterliche Mitwirkungsmöglichkeit von der Wiener Landesregierung bestellt wird. Dabei sei es für die Unabhängigkeit der Gerichte wichtig, dass die Richter unabhängig von der Exekutive und der Legislative vorzugsweise von einem Justizrat bestellt werde; ein solcher existiert in unterschiedlicher Ausformung in der Mehrzahl der europäischen Staaten, nicht aber in Deutschland und Österreich.

Gerügt wird auch der Umstand, dass der Präsident nicht auf dieselbe Weise bestellt wird wie die Mitglieder des Gerichts, zu deren Ernennung bereits bestellte Richter Vorschläge erstatten.

 

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Europarat: Organisations- und Dienstrecht des Verwaltungsgerichts Wien widersprechen in wesentlichen Bereichen europäischen Standards 

Der beim Europarat angesiedelte „Consultative Council of European Judges“ (CCJE) hat eine umfangreiche Stellungnahme zur rechtlichen Position des Präsidenten/der Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Wien abgegeben.

Dies auf Anfrage der Europäischen Vereinigung der Veraltungsrichter (AEAJ). Die Vereinigung hegte Zweifel, ob die Wiener Rechtsvorschriften über die Rolle, Stellung, Organisation und Befugnisse des Gerichtspräsidenten den europäischen Standards für den Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und dem Schutz der Richter vor ungebührlichem Druck entsprechen.

Diese Stellungnahme ist bereits auf der Webseite des Europarates abrufbar.

Weitreichende und detaillierte Prüfung

Die Prüfung durch das Präsidium des CCJE erfolgte auf Grundlage dieser Anfrage im Lichte der europäischen Normen, einschließlich der Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates, des CCJE und der Venedig-Kommission. Der  Expertenrat  beschäftigte sich in seinem Gutachten u.a. mit dem Bestellungsverfahren für den Gerichtspräsidenten,  mit der erforderlichen Berufserfahrung der Bewerber für dieses Amt, mit den Befugnissen und Zuständigkeiten des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien, der Bewertung seiner Arbeit und den Beziehungen zwischen dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien und der Wiener Landesregierung.

Keine politische Ernennung von Gerichtspräsidenten

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EU- Kommission eröffnet Debatte zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit

Die Europäische Kommission möchte einen Reflexionsprozess über die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union anstoßen und mögliche Schritte für das weitere Vorgehen aufzeigen. Ziel dieses Prozesses ist es, in den einzelnen Mitgliedsstaaten Probleme in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit früher zu erkennen um rascher wirksame Maßnahmen  ergreifen zu kennen. 

Funktionieren der EU hängt von der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten ab

In der kürzlich veröffentlichten  Mitteilung wird eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Instrumente für die Überwachung, die Bewertung und den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Union vorgenommen. Zudem werden die Erfahrungen beleuchtet, die in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet gesammelt worden sind und auf deren Grundlage ein breite europäische Debatte über die Frage, wie die Rechtsstaatlichkeit weiter gestärkt werden kann, in Gang gebracht werden soll. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben vor allem gezeigt, dass die Rechtsstaatlichkeit besser gefördert, etwaigen Problemen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in der Union frühzeitig vorgebeugt und wirksamer auf solche Probleme reagiert werden muss.

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EGMR Judikatur / Fehlerhafte Richterernennung verletzt Recht auf faires Verfahren

Verfahrensfehler bei der Ernennung von Richtern verletzen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Das folgt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 12. März 2019 (Az. 26374/118) zur Besetzung eines isländischen Berufungsgerichts.  

Das betreffende Gericht war 2017 neu eingerichtet worden. Vier der von einem Expertenausschuss vorgeschlagenen 15 Richter wurden dabei von der mit der Ernennung beauftragten Justizministerin ersetzt. Zwar wäre sie hierzu grundsätzlich befugt gewesen, die Ersetzung erfolgte jedoch ohne eine nach nationalem Recht verpflichtende erneute Evaluierung der Qualifikationen der Bewerber.

Eine der so ernannten Richterinnen urteilte im Strafprozess des Beschwerdeführers, worin dieser eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren sah. Das isländische Verfassungsgericht wies sein Begehren mit der Begründung ab, dass der Gesetzesverstoß im Ernennungsverfahren keine Auswirkungen auf seinen Prozess gehabt habe.

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