Schweiz: „Justizinitiative“ zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit  

In der Schweiz werden Richterinnen und Richter fast durchwegs vom Volk oder von der Legislative für eine befristete Amtszeit gewählt. Dabei kommt ein informeller Parteienschlüssel zur Anwendung, so dass die Judikative etwa die politische Zusammensetzung der Legislative spiegelt.  

Und auf den Webseiten des Bundesgerichts findet man zu jedem Richter die Angabe der Partei, auf deren Ticket er ans Gericht gelangt ist.

Richter zahlen „Parteisteuer“

Die Idee dahinter: Die Justiz soll kein reines Expertengremium sein, sondern die herrschenden Strömungen und Meinungen in der Gesellschaft abbilden. In der Schweizer Bundesverfassung ist diese Regelung nirgends festgehalten, die Parteien beschlossen sie einst in einer Art Gentleman’s Agreement.

 

Die Richter leisten dafür einen Obolus an die Parteien, je nach Partei sind das zwischen 3000 (FDP, BDP) und 20.000 Franken (Grüne) – ein nicht unbedeutender Posten im Budget der Parteien. Alle sechs Jahre müssen sich die Richter zudem zur Wiederwahl stellen.

Während also nicht wenige Länder eine Parteimitgliedschaft amtierender Richter generell oder zumindest für die Richter des jeweiligen Verfassungsgerichts verbieten und/oder die Irrelevanz der politischen Vorlieben der Kandidaten im Auswahlerfahren zu sichern suchen, indem sie für die Auswahl oder zumindest für eine Vorauswahl der Kandidaten mehr oder weniger politikdistanzierte Auswahlgremien zuständig machen, ist in der Schweiz eine Parteimitgliedschaft de facto Voraussetzung der Wählbarkeit zum Bundesgericht. Seit 1943 soll kein Richter ohne Parteibuch mehr ans Bundesgericht gewählt worden sein.

Kritik von „Greco“

Über lange Zeit regte sich gegen dieses System wenig Widerstand. Es galt als durch starke Konventionen der Achtung vor der richterlichen Unabhängigkeit gegen Missbrauch gesichert. Nichtwiederwahl aus politischen Gründen, so war und ist teilweise noch immer auch aus dem Kreis der Richter des Bundesgerichts zu hören, sei praktisch ausgeschlossen, man könne ganz unbesorgt seinen richterlichem Überzeugungen folgen.

Dieses tradierte System wurde letztes Jahr im Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) mit deutlichen Worten kritisiert: Die politische Affiliation, die Mandatssteuern ebenso wie die beschränkte Amtszeit entsprächen nicht den «Erfordernissen einer modernen Demokratie» und gefährdeten die richterliche Unabhängigkeit.

Jetzt denkt man in der Schweiz über eine Neuregelung des Systems der Richterwahl nach. Eine „Justizinitiative“  will die Justiz von der Politik entkoppeln. U.a. soll künftig eine unabhängige Expertenkommission die Kandidaturen sichten und die befristet Ernennung durch eine unbefristete ersetzt werden.

Siehe dazu

Richterwahlen in der Schweiz – Wo liegt das Problem?

Siehe dazu auch:

Schweizer Justizsystem – Sponsored by: Adrian Gasser

Und:

Richterliche Unabhängigkeit und demokratische Legitimation

 

 

 

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