In einem offenen Brief an den türkischen Justizminister Abdulhamit Gülin üben internationale Richtervereinigungen (AEAJ, EAJ, „Judges for Judges“ und MEDEL) massive Kritik an den Vorgängen in der Türkei.
Abschreckende Wirkung der Massenentlassungen
Die Massenentlassung von Richtern und Staatsanwälten habe eine abschreckende Wirkung auf die Bereitschaft der Richter, unabhängig und unparteiisch in Verfahren zu handeln, an denen der Staat beteiligt ist. Es sei eine Atmosphäre der Angst unter den verbleibenden Richtern und Staatsanwälten geschaffen worden. Dies sei von ehemaligen Häftlingen wie z. B. ausländischen Journalisten bestätigt worden, die wegen mutmaßlicher Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation festgenommen worden waren.
Ernennung neuer Richter erfolgt nach politischer Zugehörigkeit
Es gebe viele unerfahrene neue Richter‚ die übereilt ernannt wurden. Deren Auswahl dürfte auf der Grundlage politischer Zugehörigkeiten erfolgt sein. Die Berichte über die laufenden Verfahren und die Berichte ehemals inhaftierter Personen zeigten, dass die grundlegenden europäischen Standards für Verfahren zur Richterernennung sowie die Anforderung an den Anschein der Unabhängigkeit der Justiz nicht erfüllt würden. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit sei in der Türkei seit Juli 2016 nicht wieder hergestellt worden, zumal auch der türkische Rat der Richter und Staatsanwälte unter politischem Einfluss stehe.
Insgesamt seien rund 4,000 Richter und Staatsanwälte entlassen worden und mehr als 2,300 Richter und Staatsanwälte in Haft bzw Untersuchungshaft gewesen, hunderte seien nach wie vor in Haft. Mehr als 600 Richter und Staatsanwälte – darunter einige wichtige Vertreter von YARSAV wie Murat Arslan – seien zu Freiheitsstrafen zwischen 6 und 12 Jahren Haft verurteilt worden, weiter Klagen seien anhängig.
Richterin samt Tochter seit Jahren inhaftiert
Besondere Aufmerksamkeit gelte aber der Richterin Sultani Temel, welche mit Unterbrechungen seit dem 16. Januar 2017 zusammen mit ihrer fünf jährigen Tochter festgenommen und inhaftiert wurde. Nicht nur die Richterin Temel selbst leide unter einer schweren Depression und sei ohne Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung, auch die Tochter befinde sich in einer schlechten physischen und psychischen Verfassung. Die grundlegenden europäischen Normen für eine angemessene medizinische Versorgung von Gefangenen und die Behandlung von Kindern in Haftanstalten würden nicht befolgt.
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Die Richtervereinigungen unterstützen voll und ganz das Schreiben des Internationalen Rechtshilfefonds vom 2. Oktober 2019 an den türkischen Justizminister Abdulhamit Gülin, in dem dringend die notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen der Richterin gefordert wurde.