Dachverband der Verwaltungsrichter: Maßnahmen der Regierung zur Corona-Pandemiebekämpfung müssen verhältnismäßig bleiben   

In einer Presseerklärung nimmt der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) zu den aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Stellung. Grund dafür sind die von der Regierung angestellten Überlegungen, die Bewegungsfreiheit der Bürginnen und Bürger an die Verwendung eines App zu knüpfen. 

Der DVVR stellt dazu fest, die Verwaltungsrichterinnen und – Richter seien sich bewusst, dass außergewöhnliche Gefahren besondere Maßnahmen erfordern. So dringend Maßnahmen zur Vermeidung von Tod und Leid aber auch erscheinen, so unentbehrlich ist es dabei, die Grundsätze des Rechtsstaats nicht außer Kraft zu setzen und die gebotene Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen im Auge zu haben.  Ein Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte dürfe nur erfolgen, soweit dieser Eingriff unbedingt erforderlich, zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und mit der geringstmöglichen Beeinträchtigung dieser Rechte verbunden ist.

Corona-Krise darf nicht Deckmantel für digitale Überwachung sein

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EuGH: Polen muss Gesetz zur Disziplinierung von Richtern aussetzen

Im Streit um die polnischen Justizreformen hat die Regierung in Warschau eine deutliche Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof erlitten. Die Luxemburger Richter gaben einem Antrag der EU-Kommission auf einstweilige Verfügung statt, wonach die Anwendung eines Gesetzes zur Disziplinierung von Richtern ausgesetzt werden muss (Rechtssache C-791/19 R). Ein endgültiges Urteil wird der EuGH zu einem späteren Zeitpunkt treffen.

Aus Sicht des Obersten Gerichts in Polen verstößt die Kammer gegen europäisches und polnisches Recht. Inzwischen hat die rechtskonservative Regierungspartei PiS ein weiteres Gesetz zur Richterdisziplinierung verabschiedet und in Kraft gesetzt. Auch dagegen hegt die EU-Kommission Bedenken, hat aber noch kein Verfahren eingeleitet. Wegen der Disziplinarkammer hatte die Behörde im Januar eine einstweilige Verfügung beim EuGH eingereicht und bekam nun Recht.

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Grundrechte: Verpflichtende Tracking-App wäre verfassungswidrig

Während gegen einen völlig freiwilligen Einsatz der App aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden wäre, würde eine Pflicht dazu in vielfältiger Weise die Grundrechte unzulässig beschränken, schreiben die Professoren Anna Gamper und Peter Bußjäger vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die Experten betonen, dass die App zunächst keine Infektion verhindere, sondern lediglich eine Benachrichtigung veranlasse, wonach jemand infiziert sei. Ob die per digitalem Handshake aufgefundene Person, der eine infizierte Person begegnet ist, sich selbst tatsächlich infiziert hat, ist damit noch nicht gesagt. Eine übervorsichtige oder auch missbräuchliche Aktivierung des Handshake könnte vielmehr dazu führen, dass Personen informiert werden und sich in Quarantäne begeben müssen, die nicht nur nicht infiziert sind, sondern die sich objektiv gesehen nicht einmal infizieren konnten, etwa weil sie einen ausreichenden Abstand eingehalten haben.

„Großflächige Quarantänisierung“

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Frühlingshaft [1] oder: Grundrechte sind kein Schönwetter­programm

Jetzt ist in meinem Leben die erste echte Krise da und es dauert keine Woche, da sehe ich meine (ungarische) Kindheit wiederkommen, schreibt der Datenschutzexperte Nikolaus Forgó in diesem sehr persönlichen Gastkommentar.

Ich bin 1968 geboren und habe einen Vater, der 1956 aus Ungarn geflüchtet ist. Meine frühen Kindheitserinnerungen, aus den 1970er Jahren, handeln von LKW-brechenden Schlagbäumen, Grenzpolizisten mit Maschinengewehren, den Anweisungen meiner Eltern, an der Grenze im Auto nur ja ruhig zu sitzen und nichts zu sagen, wenn wir irgendwas gefragt würden. Budapest grau, der Geruch nach Kohle in den Straßen, verfallende Häuser, vor allem aber das ständige Gefühl, vorsichtig sein zu müssen, nichts Unbedachtes zu sagen, man weiß ja nie, der Vater ist nicht legal aus dem Land gegangen. Kindliche Zufallsbekanntschaften, bei denen ich eine Mischung aus Mitleid und Glückseligkeit empfand, weil ich ja, wenn nur nichts Unerwartetes geschah, wieder zurückkonnte, hinter den Schlagbaum, auf die andere Seite, in die Freiheit.

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Corona-Krise: Zuerst die Pandemie, dann der Überwachungsstaat?

Im Kampf gegen den Coronavirus-Ausbruch greifen die Regierungen weltweit zu umstrittenen Überwachungsinstrumenten. Auch in Österreich.

Die Aufregung war groß, als bekannt wurde, dass der Mobilfunker A1 Bewegungsströme von Handynutzern an die Regierung lieferte. Die Daten sollten zeigen, wie und ob die sozialen Kontakte, die für die Verbreitung der neuen Lungenkrankheit verantwortlich sind, abnahmen oder nicht.

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Corona-Krise: Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte vor Gericht (1)

Die bedrohlich rasante Verbreitung des Corona-Virus und die nicht selten schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen der dadurch ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19 stellen die Staaten weltweit vor eine riesige Herausforderung. Die Bandbreite der dagegen ergriffenen staatlichen Maßnahmen reicht in Europa von einer geringfügigen Einschränkung des öffentlichen Lebens verbunden mit dem Appell an die Vernunft (Schweden) über massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft (Österreich, Deutschland etc.) bis hin zu Entwicklungen, wo zur Bekämpfung der Pandemie neben der Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte auch die innerstaatliche Gewaltenteilung auf unbestimmte Zeit aufgehoben wurde (Ungarn).

Über kurz oder lang werden die zur Pandemiebekämpfung getroffenen behördlichen Maßnahmen und Entscheidungen auch in Österreich vor den Verwaltungsgerichten landen. Erste Rechtsprobleme zeichnen sich schon jetzt ab.

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Deutschland: Berliner Anwalt klagt gegen Corona-Maßnahme

Berliner dürfen derzeit nur bei einem „dringend erforderlichen“ Termin zu ihrem Anwalt. Ein Asylrechtler klagt wegen Verletzung seiner Berufsfreiheit. Und weil seine Mandanten der Polizei nun erklären müssen, dass ihnen Abschiebehaft droht.

Nach einem Bericht  der „Legal Tribune Online“ (LTO) hat der Berliner Migrationsrechtler Dr. Matthias Lehnert letzten Freitag einen Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingereicht. Er will die Corona-Beschränkungen in der Hauptstadt vorläufig außer Kraft setzen lassen, soweit die Berliner ihre Wohnung für den Gang zum Anwalt nur dann verlassen dürfen, wenn sie einen „dringend erforderlichen Termin“ bei diesem nachweisen.

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Corona-Krise in Südosteuropa: Quarantäne für den Rechtsstaat

Einige Staaten in Mittel- und Südosteuropa nutzen die Corona-Krise, um rechtsstaatliche Grundsätze und Institutionen auszuhebeln. Allen voran Ungarn. Die EU-Kommission will zu diesen Vorgängen vorläufig keine Stellungnahme abgeben.

Geltung der EMRK wird ausgesetzt

In Zeiten von Epidemien müssen Gesellschaften massive Einschränkungen ihres öffentlichen Lebens hinnehmen. So auch in der aktuellen Corona-Krise. Es geht, für alle nachvollziehbar, bei befristeten Kontaktverboten, Ausgangs- und Reisesperren darum, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. Nun jedoch nutzen einige mittel- und südosteuropäische Länder die Corona-Krise, um den Rechtsstaat auszuhebeln, ohne dass dies bessere Erfolgsaussichten bei der Bekämpfung der Epidemie hätte.

So etwa will die neue slowakische Regierung ein Gesetz verabschieden, das staatlichen Institutionen den Zugriff auf Daten von Telekommunikationsbetreibern erlaubt. Durch Handy-Tracking soll sichergestellt werden, dass Personen in Quarantäne isoliert bleiben.

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EU-Kommission: Nutzung persönlicher Daten rechtens

Die EU-Kommission hält es aus datenschutzrechtlicher Sicht für möglich, sensible persönliche Daten im Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verwenden. Prinzipiell sei die Verarbeitung persönlicher Daten mit Bezug zur Gesundheit laut EU-Datenschutzvorgaben zwar verboten, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde laut orf.at.

Der Schutz der öffentlichen Gesundheit könne aber ein rechtliches Motiv für eine Ausnahme von dieser Regel sein.

Die statistische Auswertung anonymisierter Massendaten sei ohne Weiteres mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar. Und auch der Austausch und die Auswertung personenbezogener Daten sei „aus Gründen des Gemeinwohls“ möglich, sagte der Kommissionssprecher. Die jeweilige nationale Gesetzgebung der EU-Mitgliedstaaten müsse den rechtlichen Rahmen für derartige Abweichungen von der DSGVO definieren.

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Anti-Virus-Maßnahmen: Auf Kollisionskurs mit den Grundrechten

Nach Medienberichten dient das Coronavirus in China als Zensur- und Tech-Beschleuniger. Sicherheitsbedürfnis und Totalüberwachung gehend dabei fließend ineinander über. Auch westliche Regierungen beginnen zur Virusbekämpfung auf private Verbindungsdaten und Überwachungs-Tools zuzugreifen. Bei strittiger oder fehlender gesetzlichen Grundlage.

Bewegungsströme zeigen Sozialkontakte

Bereits letzte Woche prüfte in Deutschland das Bundesgesundheitsministerium, ob Standortdaten von mit dem Coronavirus infizierten Handynutzern verwendet werden könnten, um mögliche Kontaktpersonen zu ermitteln.

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