Anti-Virus-Maßnahmen: Auf Kollisionskurs mit den Grundrechten

Nach Medienberichten dient das Coronavirus in China als Zensur- und Tech-Beschleuniger. Sicherheitsbedürfnis und Totalüberwachung gehend dabei fließend ineinander über. Auch westliche Regierungen beginnen zur Virusbekämpfung auf private Verbindungsdaten und Überwachungs-Tools zuzugreifen. Bei strittiger oder fehlender gesetzlichen Grundlage.

Bewegungsströme zeigen Sozialkontakte

Bereits letzte Woche prüfte in Deutschland das Bundesgesundheitsministerium, ob Standortdaten von mit dem Coronavirus infizierten Handynutzern verwendet werden könnten, um mögliche Kontaktpersonen zu ermitteln.

Jetzt wurde bekannt, dass in Österreich der Mobilfunker A1 Bewegungsströme von Handynutzern an die Regierung liefert. Die Daten sollen dem Krisenstab zeigen, wie und ob die sozialen Kontakte, die für die Verbreitung der neuen Lungenkrankheit verantwortlich sind, abnahmen oder nicht. Rechtlich sieht man bei A1 keinerlei Probleme, die Methode sei DSGVO-konform. Auch wird betont, dass die Weitergabe der Profile helfen soll, die „Pandemie einzudämmen“.

Laut dem Datenschutzrechtler Christof Tschohl des Research Institute – Digital Human Rights Center gebe es für den Zugriff auf historische Daten keine Rechtsgrundlage. Weder aus dem Telekomgesetz noch aus dem Epidemiegesetz ließe sich eine solche Vorgehensweise ableiten. Er verweist dazu auf den strengen Prüfungsmaßstab in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Eine nur für diesen Anlassfall geltende Rechtsgrundlage könne schnell geschaffen werden, wenn das Parlament das wolle. Alle Oppositionsparteien befürchten durch diese Vorgangsweise einen „massiven Grundrechtseingriff“.

Feststeht, dass auch andere EU-Staaten wie Belgien und Italien derartige Maßnahmen überlegen, Spanien etwa überwacht das Ausgangsverbot bereits mit Drohnen.

Digitale Überwachung zur Virusbekämpfung

Wohin die Reise gehen kann, zeigen die Entwicklungen in anderen Staaten recht anschaulich: In China wird künstliche Intelligenz zur Früherkennung von Gefahrenherden eingesetzt. Dabei geht es vor allem darum, aus Bewegungsprofilen Häufungen von möglichen Erkrankten zu erkennen. Voraussetzung dafür ist natürlich der Zugang zu Daten – seien es Kameraaufnahmen von Flughäfen, Teilnehmerlisten von Großveranstaltungen oder Krankenakten, um besonders Gefährdete auszumachen. Gesichtserkennungssysteme wurden in China mittlerweile so programmiert, dass sie Menschen auch einwandfrei identifizieren können, wenn diese einen Mundschutz vorm Gesicht haben.

Chinesische Technologiekonzerne haben Handy-Apps auf den Markt gebracht, die die Bewegungen eines Reisenden bis zu einem Monat zurückverfolgen können. Die Benutzer werden als grün, gelb oder rot eingestuft, je nachdem, wie nah sie einer Hochrisikozone kamen. In einigen Städten ist es nun Pflicht, dem Sicherheitspersonal seinen Farbcode zu zeigen, um öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen

Auch Südkorea benutzte die Regierung Big Data und Überwachungs-Tools um den Krankheitsausbruch einzudämmen. Nebst Smartphone-Tracking wurden auch Daten wie Kreditkartentransaktionen von Infizierten und Aufnahmen von Überwachungskameras verwendet.

Am Wochenende hat das israelische Kabinett die Überwachung von Coronavirus-Infizierten und -Verdachtsfällen beschlossen. Ihre Smartphones sollen überwacht werden, doch auch Nutzer, die sich in der Nähe befunden haben, sollen notifiziert werden. Demnach ist eine Massenüberwachung via Geotracking vorgesehen. Kritik gab es, da das Justizministerium die Maßnahmen zunächst durch das Parlament bringen wollte, dieses aber schlussendlich umgangen wurde. Bemerkenswert: Die Regierung setzt dabei auf Methoden, die normalerweise im Kampf gegen den Terrorismus in den Palästinensergebieten angewendet wird.

Nicht nur in Israel wird befürchtet, dass diese Maßnahmen, einmal eingeführt, so schnell nicht wieder zurückgefahren werden. Oder wie es die Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner in einem Interview im Falter (12/20) formulierte:„Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die derzeitige Krise zu einer Verdichtung und Vertiefung von bereits auf dem Weg befindlichen Überwachungsmaßnahmen führen könnte“.

Siehe dazu: Mobilfunker A1 liefert Bewegungsströme von Handynutzern an Regierung …

Und: Sierens China – Das Coronavirus als Zensur- und Tech-Beschleuniger …

Ausgangsbeschränkung: Darf die Regierung unsere Handy-Standortdaten nutzen?

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