Grundrechte: Verpflichtende Tracking-App wäre verfassungswidrig

Während gegen einen völlig freiwilligen Einsatz der App aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden wäre, würde eine Pflicht dazu in vielfältiger Weise die Grundrechte unzulässig beschränken, schreiben die Professoren Anna Gamper und Peter Bußjäger vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die Experten betonen, dass die App zunächst keine Infektion verhindere, sondern lediglich eine Benachrichtigung veranlasse, wonach jemand infiziert sei. Ob die per digitalem Handshake aufgefundene Person, der eine infizierte Person begegnet ist, sich selbst tatsächlich infiziert hat, ist damit noch nicht gesagt. Eine übervorsichtige oder auch missbräuchliche Aktivierung des Handshake könnte vielmehr dazu führen, dass Personen informiert werden und sich in Quarantäne begeben müssen, die nicht nur nicht infiziert sind, sondern die sich objektiv gesehen nicht einmal infizieren konnten, etwa weil sie einen ausreichenden Abstand eingehalten haben.

„Großflächige Quarantänisierung“

„Welche Auswirkungen eine großflächige Quarantänisierung in Wahrheit nicht gefährdeter oder gefährdender Personen in Bezug auf deren Beteiligung am Wirtschaftsleben, ihre physische und psychische Gesundheit, aber auch ihre durch eine Quarantäne wiederum betroffenen Grundrechte hätte, ist nicht absehbar.“ Ähnliches gelte für die laut Medienberichten geplante automatisierte Erkennung ohne Notwendigkeit der „Handshake-Aktivierung“: Werden in diesem Fall sämtliche Daten irgendwelcher Passanten gespeichert, die an jemandem zum Beispiel mit ausreichendem Abstand vorbeigegangen oder nur kurz bei der infizierten Person verweilt sind?, fragen Gamper und Bußjäger.

Die persönliche Freiheit wäre dann betroffen, wenn die Nichtverwendung mit einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit verbunden wäre: Dies wäre „ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit“, warnen die Fachleute aus Innsbruck. Verfassungsrechtlich zulässig sei dies im gegebenen Zusammenhang aber nur, wenn Grund zur Annahme bestehe, dass eine Person eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei. „Dies kann von jenen Personen, die sich bloß weigern, die App zu verwenden, oder die kein Smartphone besitzen (sofern kein elektronischer Schlüsselanhänger zur Verfügung gestellt wird), aber nicht grundsätzlich angenommen werden.“

VfGH: „Gefühl der Überwachung“

Gamper und Bußjäger rufen auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in Erinnerung, wonach eine „automatische Datenerfassung […] in großen Teilen der Bevölkerung das ‚Gefühl der Überwachung‘ entstehen“ lasse. Dieses „Gefühl der Überwachung“ könne laut VfGH wiederum Rückwirkungen auf die freie Ausübung anderer Grundrechte – etwa der Versammlungs- oder Meinungsäußerungsfreiheit – haben. Nicht zuletzt könnte auch die Eigentumsfreiheit im Hinblick auf die verpflichtende Nutzung von Handys oder elektronischen Schlüsselanhängern sowie auch allenfalls verhängte Geldstrafen betroffen sein.

Mit einer Befristung der Maßnahme wäre nicht viel geholfen. Es würde sich um gehäufte Grundrechtseingriffe handeln, die zu den bisherigen, bereits mehrere Wochen andauernden hinzutreten würden. „Manchen der erwähnten Grundrechtseingriffe ist zudem ein derartiger Spielraum gar nicht gegeben“, etwa dem Recht auf persönliche Freiheit. „Bei der Suche nach einem gelinderen Mittel müssen jedenfalls auch andere Alternativen geprüft werden als nur der Geltungszeitraum der Verpflichtung zur Verwendung der App“, schließen Gamper und Bußjäger.

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