Corona-Krise in Südosteuropa: Quarantäne für den Rechtsstaat

Einige Staaten in Mittel- und Südosteuropa nutzen die Corona-Krise, um rechtsstaatliche Grundsätze und Institutionen auszuhebeln. Allen voran Ungarn. Die EU-Kommission will zu diesen Vorgängen vorläufig keine Stellungnahme abgeben.

Geltung der EMRK wird ausgesetzt

In Zeiten von Epidemien müssen Gesellschaften massive Einschränkungen ihres öffentlichen Lebens hinnehmen. So auch in der aktuellen Corona-Krise. Es geht, für alle nachvollziehbar, bei befristeten Kontaktverboten, Ausgangs- und Reisesperren darum, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. Nun jedoch nutzen einige mittel- und südosteuropäische Länder die Corona-Krise, um den Rechtsstaat auszuhebeln, ohne dass dies bessere Erfolgsaussichten bei der Bekämpfung der Epidemie hätte.

So etwa will die neue slowakische Regierung ein Gesetz verabschieden, das staatlichen Institutionen den Zugriff auf Daten von Telekommunikationsbetreibern erlaubt. Durch Handy-Tracking soll sichergestellt werden, dass Personen in Quarantäne isoliert bleiben.

Vier Mitgliedsstaaten des Europarats – Armenien, Lettland, Republik Moldau und Rumänien – verkündeten eine so genannte Derogation von den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Damit kann in diesen Ländern während der Notstandssituation ein Teil der Bürgerrechte außer Kraft gesetzt werden. Kritiker bezeichnen diese Maßnahmen als völlig unverhältnismäßig.

In Bulgarien legte Staatspräsident Rumen Radev sein Veto gegen ein umstrittenes Gesetz über Notstandsmaßnahmen ein. Das Gesetz sah ursprünglich, ähnlich wie in Ungarn, Gefängnisstrafen für die Verbreitung von Falschinformationen über Infektionskrankheiten vor.

In Serbien beschuldigen Politiker demokratischer Oppositionsparteien und unabhängige Rechtsexperten den Staatspräsidenten Aleksandar Vučić, den am 15. März verhängten Notstand ohne verfassungsrechtliche Grundlage ausgerufen zu haben – damit, so die Kritiker, sei Serbien „einen Schritt von der Diktatur entfernt“.

In Albanien kündigte Ministerpräsident Edi Rama schärfste Strafen für alle an, die Ausgangssperren nicht einhalten, und schickte gepanzerte Fahrzeuge mit Maschinengewehren auf Patrouillenfahrt durch die Hauptstadt Tirana – was Oppositionspolitiker zu scharfer Kritik veranlasste.

In Montenegro wiederum veröffentlicht die Regierung auf ihrer Webseite eine fortlaufend aktualisierte Liste mit den Namen und Adressen von Bürgern, die unter Quarantäne gestellt wurden. Es gehe jetzt um Gesundheit und Leben, so Marković, es sei gerade keine Zeit für Debatten über rechtliche Nuancen und den Schutz personenbezogener Daten. Von montenegrinischen Menschenrechtsaktivisten kam schwere Kritik an dieser Praxis – sie sprechen von einem „Aufruf zum Lynchen“.

Hier den Beitrag der Deutschen Welle lesen …

Siehe dazu auch: Anti-Virus-Maßnahmen – Auf Kollisionskurs mit den Grundrechten

Und: UN-Menschenrechtskommissarin fordert Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen

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