Corona-Krise: Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte vor Gericht (1)

Die bedrohlich rasante Verbreitung des Corona-Virus und die nicht selten schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen der dadurch ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19 stellen die Staaten weltweit vor eine riesige Herausforderung. Die Bandbreite der dagegen ergriffenen staatlichen Maßnahmen reicht in Europa von einer geringfügigen Einschränkung des öffentlichen Lebens verbunden mit dem Appell an die Vernunft (Schweden) über massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft (Österreich, Deutschland etc.) bis hin zu Entwicklungen, wo zur Bekämpfung der Pandemie neben der Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte auch die innerstaatliche Gewaltenteilung auf unbestimmte Zeit aufgehoben wurde (Ungarn).

Über kurz oder lang werden die zur Pandemiebekämpfung getroffenen behördlichen Maßnahmen und Entscheidungen auch in Österreich vor den Verwaltungsgerichten landen. Erste Rechtsprobleme zeichnen sich schon jetzt ab.

In Deutschland haben die Verwaltungsgerichte bereits in sog. Eilverfahren über eine Reihe von Anträgen auf vorläufigen Rechtschutz gegen staatliche Maßnahmen entschieden. So hat das Verwaltungsgericht München die bayerischen Ausgangsbeschränkungen vom 20.03.2020 für formell rechtswidrig erachtet und die Auffassung vertreten, diesen fehle die erforderliche Rechtsgrundlage.

In einem Kommentar im „Standard“ ortet Alfred Noll beim generellen Betretungsverbot für öffentliche Orte in Österreich eine ähnliche Problemantik, da ein Überschreiten der gesetzlichen Verordnungsermächtigung vorliege. Nach dem Gesetz hätte nur das Betreten „von bestimmten Orten“ untersagt werden dürfen, nicht aber eine De-facto-Ausgangssperre verhängt werden dürfen (siehe dazu: Corona-Krise- Der Verordnungsstaat).

In dem Tiroler Gesetzesprüfungsverfahren wird u.a. vorgebracht, der Umstand, dass nach § 4 Abs. 2 des Covid-19-Gesetzes im Ergebnis ein Minister per Verordnung die Geltung eines Gesetzes (EpidemieG) aussetzen könne, verstoße  gegen die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und Exekutive.

In einem Beitrag auf www.verfassungsblog.de rügt die Autorin Österreichs ‚Ausgangssperre‘, da der Exekutive bei der Vollziehung Interpretationsfreiräume eingeräumt würden, die im gewaltenteiligen Staat nicht hingenommen werden sollten. Im Sinn des Legalitätsgebotes und der Rechtssicherheit in Krisenzeiten wären daher bestimmtere Regelungen zu begrüßen. Sonst könnten Betroffene eine Maßnahmenbeschwerde bei den Landesverwaltungsgerichten einlegen.

Bereits die Anordnung „Hier dürfen Sie nicht weitergehen“ sei laut Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofs hinreichend deutlich für einen beschwerdefähigen Akt behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und könne dementsprechend gerichtlich angegriffen werden. (siehe dazu: Freiheitsrechte und Gewaltschutzansprüche in Zeiten von Corona)

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