Bevor der Rechtsstaat erodiert: Lernen von England?

In einem Gastbeitrag in der „Presse“ analysiert der Autor die Einschränkung der Grundrechte durch die Bundesregierung bei Ausbruch der Corona-Pandemie,  die Informationspolitik der Bundesregierung, die Qualität der Rechtsakte und der Vollziehung.  Eine wesentliche Ursache für die dabei aufgezeigten erheblichen Rechtsstaatsdefizite liegt nach Auffassung des Autors im Versagen des beim Bundeskanzleramt eingerichteten Verfassungsdiensts. (Siehe dazu: Verfassungskonformität der Corona-Maßnahmen – Prüfung durch Expertengruppe statt durch Verfassungsdienst)

Bevor der Rechtsstaat in Österreich weiter erodiere, wäre es sinnvoll, den Verfassungsdienst aus dem Bundeskanzleramt herauszulösen und ihn in eine von jedem parteipolitischen Einfluss befreite Einrichtung zu überführen, die der Law Commissionin Großbritannien nachgebildet sei.

Vollständig unabhängige Einrichtung erforderlich

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (4):  Unzulässige Ungleichbehandlung von Bau- und Gartenmärkten und großen Handelsbetrieben in der COVID-19-Maßnahmenverordnung

Bei den schrittweisen Lockerungen war die die vorgenommene Ungleichbehandlung von Geschäften unzulässig.

Die Regierung hatte bei der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen zwischen Handelsunternehmen unterschieden. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche unter 400 Quadratmeter durften bereits nach zwei Wochen wieder aufsperren, Baumärkte und Gartencenter ebenfalls. Größere und andere Geschäfte mussten geschlossen bleiben.

Fehlende Dokumentation

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (3):  Individualantrag kann auch gegen außerkraftgetretene Bestimmung zulässig sein

Auf Grund der Tragweite der gegen die Corona-Pandemie ergriffenen behördlichen Maßnahmen und der damit verbunden Grundrechtseingriffe erwies sich das Fehlen eines raschen und effektiven Rechtsschutzes gegen diese Maßnahmen in Österreich als zunehmend  problematisch.

Den der Verfassungsgerichtshof hatte bisher Individualanträge gegen Gesetze, die von Betroffenen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken erhoben wurden, immer dann zurückgewiesen, wenn die angefochtene Bestimmung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits außer Kraft getreten war, weil durch das Außerkrafttreten das Ziel des Verfahrens, die rechtswidrige Norm ohne Verzug aus dem Rechtsbestand zu entfernen, schon erreicht war.

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (2):  Entfall der Entschädigung für Verdienstentgang ist verfassungskonform

Es ist verfassungskonform, wenn das COVID-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 – keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbots geschlossen wurden.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz vom März 2020 sieht für Unternehmen, die von einem Betretungsverbot für Betriebsstätten betroffen sind (Verordnung BGBl. II 96/2020), keinen Anspruch auf Entschädigung vor. Dagegen hatten sich Unternehmen in Wien zur Wehr gesetzt.

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Judikatur VfGH / COVID-19-Maßnahmengesetz (1):  Betretungsverbot teilweise gesetzeswidrig

Allgemeines Betretungsverbot von öffentlichen Orten  war gesetzlich nicht gedeckt

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in zusätzlich angesetzten Beratungen weitere Entscheidungen über Fälle getroffen, die sich gegen Gesetze bzw. Verordnungen im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen richten, die Entscheidungen wurden heute veröffentlicht.

Behörden an Grundrechte gebunden

Gegen § 2 COVID-19-Maßnahmengesetzes bestehen, so der VfGH, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Bestimmung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für allfällige Betretungsverbote bietet  und damit dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip entspricht. Die Entscheidung, ob  bzw. welche Maßnahmen per Verordnung gegen  COVID-19 getroffen werden, überträgt das Gesetz zwar an die zuständigen Behörden. Bei dieser Entscheidung sind die Behörden  jedoch an die Grundrechte gebunden,  insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit. Einschränkungen dieses Rechtes sind nur dann zulässig, wenn sie einem legitimen öffentlichen Interesse (wie dem Gesundheitsschutz) dienen und verhältnismäßig sind.

Generelles Ausgangsverbot von COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt

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Corona-App: Tausende irrtümlich in Quarantäne

Coronavirus

Die israelische Regierung hatte zu Beginn der Pandemie auf die Überwachung von Handys Infizierter durch den Inlandsgeheimdienst Shin Bet gesetzt. Ende April wurde das vom Höchsten Gericht vorübergehend verboten, ehe das Parlament am 1. Juli einen neuen Gesetzesbeschluss für die Wiederaufnahme verabschiedete.

Die Technologie wird für gewöhnlich zur Terrorbekämpfung eingesetzt. Derzeit werden mit ihrer Hilfe Bewegungsprofile erstellt, um zu sehen, mit wem Erkrankte zuletzt in Kontakt waren. Diese Menschen werden dann per SMS gewarnt und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben. Der österreichische Bundeskanzler hatte Israel hier zum Vorbild erklärt (Siehe dazu: Smart wie Bibi)

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Corona-Krise: Webinar zu den staatlichen Reaktionen auf die Pandemie

Das „Global Pandemic Network“ (GPN), ein weltweites Netzwerk von Wissenschaftlern und Experten zum Austausch über die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, veranstaltet am 15. Juli 2020 ein Webinar zum Thema „Covid-19 und Städte. Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Menschenrechten und Umweltschutz“.

Für das Netzwerk, welches auch von der UNO unterstützt wird, ist die COVID-19 Pandemie die bestimmende globale Gesundheitskrise unserer Zeit und die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit seiner Entstehung in Asien Ende letzten Jahres habe sich das Virus auf allen Kontinenten außer der Antarktis ausgebreitet. Die Länder seien dabei, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, indem sie Patienten testen und behandeln, Kontaktsuche durchführen, Reisen einschränken, Bürger unter Quarantäne setzen und große Versammlungen wie Sportveranstaltungen, Konzerte und Schulen absagen.

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Verwaltungsgericht Wien: Anfechtung des Betretungsverbots beim Verfassungsgerichtshof

Die vom Gesundheitsminister zu Beginn der Corona-Krise verordneten Ausgangsbeschränkungen werden nun doch ein Fall für den Verfassungsgerichtshof.

Das Verwaltungsgericht Wien hat das mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 in der Fassung BGBl. II Nr. 108/2020, verordnete Betretungsverbot als gesetzwidrig angefochten.

Im Anlassfall hat der Magistrat der Stadt Wien über den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung § 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes iVm § 1 der Verordnung des Gesundheitsminister gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 idF BGBl. II Nr. 108/2020 eine Geldstrafe in Höhe von € 500,– (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) verhängt.

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Verfassungsklagen: Höchstgericht muss sich für zweite Corona-Welle rüsten

Die ersten Klagen werden wahrscheinlich abgewiesen werden, danach aber landen erst die schwierigen Fälle beim Verfassungsgerichtshof

70 Verfahren zu den Covid-19-Maßnahmen sind beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) derzeit anhängig – zum Großteil sogenannte Individualanträge, mit denen Gesetze und Verordnungen von den jeweiligen Betroffenen direkt beim VfGH angefochten werden können. Die einen Antragsteller stoßen sich an den allgemeinen Ausgangsbeschränkungen, die anderen an den (euphemistisch als „Untersagung des Betretens von Kundenbereichen“ bezeichneten) Betriebssperren.

Gespannt wartet die juristische Fachwelt nun auf die Verteidigungslinie der Bundesregierung. Die vom VfGH großzügig bemessenen Äußerungsfristen, gerechnet ab 1. Mai, laufen diese Woche ab. Der VfGH hat angekündigt, bis Mitte Juli die ersten Entscheidungen zu fassen.

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Recht auf Gesundheit und Demonstrationsfreiheit

Aus Anlass der letzte Woche stattgefundenen Demonstration in Wien, an der rund 50.000 Menschen teilnahmen, analysieren ein Virologe und ein Verfassungsjurist in einem Beitrag in der „Wiener Zeitung“ die Lage bei Versammlungen.

Übertragungsrate im Freien 19-fach geringer

„Wenn die Menschen eng beisammenstehen, einander anhusten und ihre Parolen schreien, kann es leichter zu einer Übertragung des Virus kommen“, sagt dazu Heinz Burgmann, Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien, zur „Wiener Zeitung“. Umarmen sie einander auch noch, steige das Risiko umso mehr. Zudem sei es schwierig, „die Kontakte bei einer Infektion auf einer Demonstration rückzuverfolgen“.

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