FÜNF JAHRE VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT IN ÖSTERREICH – EINE BILANZ

von Siegfried Königshofer

 (Erweiterte und aktualisierte Fassung eines Beitrages, der für den „Menschenrechtsbefund 2018“, der Österreichischen Liga für Menschrechte verfasst wurde.)

Die als „Jahrhundertreform“ bezeichnet Einrichtung der Verwaltungsgerichte durch die B-VG Novelle 2012 brachte die längst überfällige Modernisierung des Rechtsschutzes im öffentlichen Recht wie er in den meisten Mitgliedsstaaten der EU bereits Standard ist. Ein Entwicklung, die vor allem auf die Beschlussfassung der  EU-Grundrechtecharta durch das Europäische Parlament im Jahr 2002 zurückzuführen ist, welche – als Vorauswirkung – alle Beitrittswerber ab dem Jahr 2004 verpflichtete, einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen einzurichten.[1] Und es war auch der Streit der beiden Höchstgerichte öffentlichen Rechts über die Auslegung von Art 47 der EU-Grundrechtecharta in UVP-Verfahren, welcher die Einrichtung der Verwaltungsgerichte in Österreich ganz wesentlich beschleunigte.

Seit 5 Jahren arbeiten die Verwaltungsgerichte nun. Ein geeigneter Zeitpunkt, eine erste Bilanz zu ziehen.

Hohe Akzeptanz, hohe „Rechtsmittelfestigkeit“ der Entscheidungen

 

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RZ Editorial 12/18: Die Ruhe vor dem Sturm?

2018 war ein hartes, schwieriges Jahr für die österreichische Justiz.

von Mag. Christian Haider

 

Das heurige Frühjahr war in der gesamten Justiz von der Sorge geprägt, dass die massiven Einsparungen im Justizbudget das Funktionieren der Gerichtsbarkeit beeinträchtigen oder gar gefährden könnten. Auch wenn die von allen Bedienstetengruppen getragenen Proteste Erfolg zeigten und die schlimmsten Spitzen ab geschliffen werden konnten, blieb dennoch ein harter, spürbarer Sparkurs bestehen, der nach wie vor negative Auswirkungen zeigt, trotz aller Bemühungen, die vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen.

Leider besteht kein Grund, die Einschätzungen aus dem Frühjahr neu zu bewerten oder zu revidieren.

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Standort-Entwicklungsgesetz: Vermutung der „Genehmigungstauglichkeit“ unionsrechtswidrig ?

Der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) äußert in seiner Stellungnahme zur Regierungsvorlage zum sog. Standort-Entwicklungsgesetz (StEntG) grundlegende Bedenken gegen die vorgesehene Bevorzugung von Infrastrukturprojekten durch Verordnung der Bundesregierung.

Nach den geplanten verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen habe die Behörde bei Projekten, welche in die Verordnung der Bundesregierung aufgenommen wurden, spätestens zwölf Monate nach Antragstellung zu entscheiden. Und zwar durch Genehmigung, außer wenn sich im Verfahren „auf unzweifelhafte Weise ergeben hat“, dass Genehmigungshindernissen nicht mit Nebenbestimmungen beigekommen werden könnte. Damit sei an die Erlassung der genannten Verordnung der Bundesregierung die Vermutung der Genehmigungstauglichkeit des Vorhabens geknüpft, was in Widerspruch zur EU-UVP-Richtlinie 2011/92/EU und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH stehe, wonach Projekte vor Erteilung der Genehmigung einer inhaltlichen Prüfung auf ihre Umweltauswirkungen unterzogen werden müssen.

Verlagerung des Bewilligungsverfahrens von Behörde zu Gericht

Die nunmehr vorgesehene verschuldensunabhängige Möglichkeit, Säumnisbeschwerde zu erheben, wenn die Behörde nicht innerhalb von 12 Monaten entschieden hat, könne Behörden dazu verleiten, nicht den gesamten Sachverhalt ordnungsgemäß zu erheben, sondern die notwendige Mühe an das Verwaltungsgericht zu „delegieren“. Bereits jetzt stelle in der Praxis die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger das Hauptproblem für zügige Gerichtsverfahren dar, dieses Problem würde sich damit nur weiter verschärfen. Es wird daher der Entfall dieser Bestimmung empfohlen.

Effektiver Rechtsschutz ist in Gefahr

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Digitalisierung – unterschätzte Gefahr für richterliche Unabhängigkeit

Nicht nur die beim Europarat angesiedelte „Europäische Kommission für die Effizienz der Justiz“ hat die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Justiz auf die Tagesordnung gesetzt auch das justizielle Trainingsnetzwerk der EU (EJTN) beschäftigt dieses Thema immer häufiger. Auf einer Veranstaltung in Zypern wurden unter dem Titel Conference on „Training to Leadership“ die Herausforderungen für Justizsysteme und ihre Entscheidungsträger sehr detailliert erörtert.

Technologie wirkt wie Gesetze

Prof. Antonio Cordella (London School of Economics and Political Science – LSE) schilderte die Ergebnisse seiner Untersuchungen über den Einfluss der Digitalisierung auf die Justizsysteme. Er stellte fest, Ziel der eingesetzten Technologie sei es immer, die Komplexität von Arbeitsabläufen zu vereinfachen. Entgegen der Auffassung vieler Richter sei Technologie aber nie neutral. Indem sie Ergebnisse strukturiere, beeinflusse sie Verfahren in derselben Weise wie Gesetze. Der Aspekt der Unabhängigkeit der Rechtsprechung oder Probleme für den Zugang zum Recht würden dabei regelmäßig vernachlässigt.

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VRV jetzt auch auf Twitter

Die Standesvertretung der Österreichischen  Verwaltungsrichterinnen und -richter ist nicht nur im Netzwerk auf verwaltungsrichter.at vertreten, sondern seit Kurzem auch auf Twitter. Unter „Verwaltungsrichter-Vereinigung“ (@VVereinigung) informieren wir schwerpunktmäßig über standespolitische Themen betreffend die besondere  Stellung der Verwaltungsgerichte, die richterliche Unabhängigkeit (independence and efficiency), Veranstaltungen und die Europäischen Entwicklungen in diesem Bereich.

Internationaler Strafgerichtshof Den Haag – der Versuch einer Weltjustiz

Von seiner Konzeption her ist der Internationale Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag ein „Weltgericht“.

Seine Aufgabe soll sein, Personen die in führender Position an Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Agressionsverbrechen – etwa Vorbereitung eines Angriffskriegs – beteiligt waren, persönlich zur Verantwortung zu ziehen. In welch schwierigem politischen und organisatorischen  Umfeld der Gerichtshof tätig ist, davon konnten wir uns bei unseren Studienbesuch persönlich ein Bild machen.

Kein Weltgericht für alle

Mit den Nürnberger Kriegsverbrecher – Prozessen und den parallel dazu laufenden Kriegsverbrecher – Prozessen in Tokio (1945 bis 1949) wurde nach den Gräuel des 2. Weltkrieges erstmal der Versuch unternommen, Personen zur Verantwortung zu ziehen, die für diese Taten hauptverantwortlich waren.  Die persönliche Straflosigkeit der Haupttäter sollte ein Ende haben. Das größte Problem für die Akzeptanz der Urteile dieser internationalen Militärtribunale war aber, dass den Prozessen der Makel der „Siegerjustiz“ anhaftete. (siehe dazu auch: 70 Jahre Nürnberger Prozesse – Grundstein des Völkerstrafrechts).

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Verwaltungsgerichte in den Niederlanden – Effizienz und ihre Grenzen

Verwaltung und die Gerichtsbarkeit in den Niederlanden stehen von jeher im Ruf besonders sparsam und effizient zu funktionieren. Eine Studienreise zum „Centrale Raad von Boerop“, einem der vier Verwaltungsgerichte für Berufungsverfahren in Utrecht, bot die Gelegenheit, diese Gerichtpraxis kennenzulernen.   

Hohe Spezialisierung der Berufungsgerichte  

In den Niederlanden steht gegen jede behördliche Entscheidung oder Tätigkeit ein Rechtsmittel zur Verfügung. Zuständig dafür sind die Verwaltungsgerichte, Zivilgerichte haben so etwas wie eine „Auffangkompetenz“ für nichthoheitliche Akte.

In Verwaltungssachen besteht grundsätzlich ein 2-stufiges Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, bei dem gegen die Urteile der Erstgerichte  („Rechtbank“) eine volle Berufung an eines der vier Obergerichte („Gerechtshof“) zulässig ist. Die Ausnahme: In Asyl- und Umweltsachen kann der Staatsrat („Raadvanstate“) als Höchstgericht angerufen werden, in Finanzverfahren der oberste Gerichtshof („Hoge Raad“). In allen anderen  Verfahren sind die Berufungsgerichte gleichzeitig auch Höchstgerichte.

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Umweltrecht: Internationaler Workshop zum Geltungsbereich der Aarhus Konvention an der Universität Salzburg

Auf nationalstaatlicher Ebene sendet die österreichische Bundesregierung in Umweltfragen mit dem vorgelegten Standortsicherungsgesetz und dem Aarhus-Beteiligungsgesetz durchaus widersprüchliche Signale aus.  Mit dem europarechtlichen Rahmen, der in Umweltfragen von der Aarhus Konvention vorgegeben wird, beschäftigte sich eine hochkarätig besetzte Veranstaltung vom 30. August bis 1. September an der juridischen Fakultät der Universität Salzburg. Die Veranstaltung unter dem Titel: „The Aarhus Convention with a focus on Access to Information and Access to Justice“ wurde mit Unterstützung des Landes Salzburg in Kooperation mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (AEAJ) durchgeführt.  Ein Bericht von Edith Zeller und Gudrun Müller (Verwaltungsgericht Wien).

Nach der Eröffnung durch Herrn Dr. Michael Geistlinger, Professor für Öffentliches Recht an der Unversität Salzburg, und der Landtagspräsidentin Dr. Brigitta Pallauf
stellte Senatspräsident des VwGH Dr. Martin Köhler das Rechtschutzsystem im Österreichischen Umweltrecht dar und erörterte die Umsetzungsmängel und Probleme im Zusammenhang mit dem Rechtschutz im Umweltbereich. Insbesondere die aktuellen Gesetzesnovellen wurden im Lichte der Rechtsprechung des EuGH beleuchtet und bewertet.

Aufgrund von internationalem und europäischem Recht und dessen Umsetzung wurde eingehend die Rechtslage anhand von aktuellen Fällen des EuGH erörtert. Als Basis und Hintergrund des Rechts auf Information und dem Zugang zu den Gerichten wurden zunächst die Bestimmungen der Aarhus Konvention dargestellt, die von der EU aber auch allen Mitgliedsstaaten der EU und anderen Staaten außerhalb der EU unterzeichnet wurde.

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Dachverband der Verwaltungsrichter übt Kritik am geplanten Standort-Entwicklungsgesetz

In seiner Stellungnahme zum Ministerialentwurf eines Standort-Entwicklungsgesetzes, 67/ME XXVI. GP – StEntG, stellt der Dachverband der Verwaltungsrichter gravierende rechtliche Mängel fest. Der vorliegende Entwurf ziele – so das Vorblatt – darauf ab, dass an eine Bestätigung der Bundesregierung im Verordnungsrang „verfahrensbeschleunigende Maßnahmen geknüpft“ werden. Die vorgesehenen Regelungen fielen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der …

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Präsidentenbesetzung am LVwG Burgenland: Dachverband der Verwaltungsrichter fordert Neuausschreibung

Aus Anlass der kritischen Berichterstattung über das laufende Bestellungsverfahren in den Tageszeitungen „Kurier“ und „Die Presse“ hat sich der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) mit einem offenen Brief an die Mitglieder der burgenländischen Landesregierung gewandt. 

Darin fordert der Dachverband die Landesregierung auf, die Ernennung eines neuen Präsidenten/einer neuen Präsidentin für das Verwaltungsgericht aus dem Kreis der Richterschaft vorzunehmen, wie dies nicht nur bei den ordentlichen Gerichten in Österreich, sondern praktisch in allen europäischen Ländern selbstverständlich ist.

Ebenso wird gefordert, das Auswahlverfahren jenem richterlichen Gremium zu übertragen, welches die Auswahl neuer Richterinnen und Richter vornimmt, wie das den geltenden europäischen Standards entspricht (Empfehlungen des Europarates zur richterlichen Unabhängigkeit [CM/Rec(2010)12]). Das ist im Fall des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland die Vollversammlung des Verwaltungsgerichts.

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