RZ-Editorial 3/19: Fünf Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Instanz

Wir stehen erst im ersten Quartal des Jahres 2019 und schon gehen in Österreichs Justiz die Wogen hoch. Noch ist die Diskussion um den „Sager“ des Herrn Innenministers zum Verhältnis von Politik und Recht, der sogar für eine Sondersitzung des Nationalrates erforderte, nicht verklungen, schon sorgt das Gerichtsurteil nach einer tödlichen Kuhattacke für helle Aufregung.

von Elisabeth Brunner

Das „Ende der Almwirtschaft“ wird heraufbeschworen, Politiker und andere Experten stellen sich eindeutig auf die „Seite der Bauern“. Ähnlich emotional wurde vor zwei Jahren das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur „Dritten Piste“ für den Flughafen Schwechat[1] diskutiert, wo „unwiederbringlicher Schaden“ für den Wirtschaftsstandort Österreich vorausgesagt wurde.

Während allerdings beim „Almurteil“ in erster Linie der Richter persönlich für das „Fehlurteil“ kritisiert wird, war das „Dritte Piste-Urteil“ gleich Anlass um das Verwaltungsgericht als „Schmalspurgericht“ und dessen Richter/innen als Richter/innen zweiter Klasse abzuqualifizieren.

Dazu passt dann, dass besonders die Verwaltungsgerichte auch wegen „nicht genehmer“ Besetzungsvorschläge der Personalsenate immer wieder im Blickpunkt einer kritischen Öffentlichkeit stehen. Von den Standesvertretungen wird seit langem eine Verbindlichkeit der Besetzungsvorschläge gefordert, was grundsätzlich auch zu befürworten ist. Die Standesvertretungen befassen sich seit geraumer Zeit in diesem Zusammenhang auch mit dem Thema „einheitliches Richterbild“ sowie Richteraus- und -fortbildung. Als Grundlage könnte man einerseits die Entschließung des Nationalrates[2] aber andererseits auch die intern und extern in verschiedener Intensität geführte Diskussion über Notwendigkeit und Inhalt eines „einheitlichen Richterbildes“ sehen. Auch der Bundesminister für Verfassung Reformen Deregulierung und Justiz hat in einem vor kurzem geführten Fernsehinterview die Implementierung eines Projektes angekündigt, das sich mit der Richterausbildung neu und so mit der Herbeiführung eines einheitlichen Richterbildes befassen soll.

Man gewinnt jedenfalls den Eindruck, dass erst mit der Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Instanz der Begriff des „einheitlichen Richterbildes“ Eingang in den alltäglichen juristischen Sprachgebrauch gefunden hat und dieser Begriff dermaßen wohlklingend und gleichzeitig nichtssagend ist, dass sich in der aktuellen Diskussion kaum ein Teilnehmer der Verwendung dieses Kompetenz ausstrahlenden Begriffes entziehen kann bzw möchte. Darüber hinaus ist aus der laufend geführten Diskussion auch der Konsens abzuleiten, dass offenbar ein „einheitliches Richterbild“ als notwendig erachtet wird. Je mehr ich mich jedoch mit diesem Begriff beschäftige, umso weniger wird mir dessen Bedeutung, Inhalt oder Nutzen klar.

Richterbild als Bild der Öffentlichkeit

 

Ist unter Richterbild das Bild zu verstehen, das sich die Öffentlichkeit von einem Richter/einer Richterin macht? Die unlängst gehörte Schlussfolgerung eines Kollegen, wir hätten schon ein einheitliches Richterbild, weil: „wenn ich sage ich sei Richter, werde ich gleich gefragt, wie viele Personen ich schon verurteilt habe und ob ich ein strenger Richter sei“, könnte darauf hindeuten. Sie zeigt mE allerdings eher das Vorhandensein eines möglicherweise von TV-Richterinnen wie „Barbara Salesch“ geprägten Richterbildes. Schon vor Einrichtung der Verwaltungsgerichte war die allgemeine Vorstellung eines Richters/einer Richterin wohl die des Strafrichters. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Bestehen von Verwaltungsgerichten noch nicht überall angekommen ist. Im Zusammenhang mit einem Artikel im letzten GÖD Magazin wurde ich mit der überraschten Aussage konfrontiert, dass es völlig neu sei, dass auch ich einen (echten!) Talar besitze.

In ihrer Tätigkeit stehen die Verwaltungsrichter/innen wohl den Zivilrichter/innen weit näher als den Strafrichter/innen. Richter/innen in Außer-Streit-Verfahren haben wiederum ganz andere Aufgaben zu erfüllen als sonstige Zivilrichter/innen oder Strafrichter. Trotzdem haben diese Unterschiede vor der Einrichtung der Verwaltungsgerichte weder intern noch in der Öffentlichkeit Diskussionen über die Notwendigkeit eines „einheitlichen Richterbildes“ aufkommen lassen.

Möglicherweise bedarf es vielmehr der grundsätzlichen Diskussion darüber, was ein „Gericht“ ist.

(Verfassungs)Gesetzliches Richterbild

Auch die Mitglieder aller Verwaltungsgerichte sind nach ausdrücklicher verfassungsgesetzlicher Anordnung (Art 134 Abs 7 B-VG) Richter/innen und genießen die richterlichen Garantien Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit, Unversetzbarkeit. Die verfassungsgesetzlichen Grundlagen für ein einheitliches Richterbild sind damit jedenfalls für alle gegeben. So betrachtet ist der Notwendigkeit des Bestehens eines einheitlichen Richterbildes selbstverständlich uneingeschränkt zuzustimmen. Die Richter/innen der beiden Verwaltungsgerichte des Bundes unterliegen darüber hinaus dem RStDG und damit demselben Dienst- und Besoldungsrecht wie die der ordentlichen Gerichte[3]. Die darin ua normierte gesetzliche Verpflichtung zur Ausschreibung freier Richterarbeitsplätze, wird allerdings äußerst unterschiedlich gehandhabt. Im Bereich des Bundesfinanzgerichtes werden – wohl auf Grundlage einer nicht nachvollziehbaren Gesetzesauslegung seitens des BMF – freie Richterarbeitsplätze nur zögerlich oder gar nicht ausgeschrieben und einfach so zum Ausprobieren Richterarbeitsplätze mit juristischen Mitarbeitern besetzt. Auch hier gäbe es wohl mehr Diskussionsbedarf betreffend ein „einheitliches Gerichtsbild“ als ein „einheitliches Richterbild“.

Brauchen wir (oder wer eigentlich?) ein einheitliches Richterbild?

Die Diskussion dreht sich im Kern schon auch darum, ob denn Verwaltungsrichter/innen wirklich ausreichend vergleichbar qualifiziert (ausgebildet) sind oder ob deren Auswahl auch wirklich transparent erfolgt und wirklich nur die Besten zum Zuge kommen. Die immer noch erkennbaren Vorbehalte werden sich nicht so schnell in Luft auflösen. Die bisher gezeigten Leistungen der Verwaltungsgerichte sprechen schon jetzt für sich, das Weitere wird sich mit der Zeit erledigen.

Wenn mit dem Begriff „einheitliches Richterbild“ alle Bestrebungen umfasst sind, Schranken auch in den Köpfen weiter abzubauen, gegenseitiges Verständnis herbeizuführen und Vertrauen aufzubauen, dann bin auch ich eine glühende Befürworterin dieses Begriffs. Anderenfalls möge man die Zeit besser dafür verwenden, darüber zu diskutieren, was ein Gericht von einer Verwaltungsbehörde unterscheidet – und welche Konsequenzen sich daraus für Zentralstellen, Gerichtspräsidialen und Politiker ergeben (sollten). Für mich – und die überwiegende Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen – kann ich sagen, dass unser Richterbild ein stimmiges ist. Ob dies auch für das „Gerichtsbild“ von Zentralstellen und Politikern zutrifft, ist zumindest außerhalb des Justizministeriums zu hinterfragen.

MMag. Elisabeth Brunner ist Richterin des Bundesfinanzgerichts und Vorsitzende der Bundesfachgruppe der Verwaltungsgerichte in der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD

 

[1] Vgl dazu Matejka, Schulterschluss RZ 2017, 93

[2] Entschließung vom 15. Mai 2012, 242/E XXIV. GP

[3]Die Dienstrechte der Länder vereinheitlichen zu wollen oder die Richter/innen der Verwaltungsgerichte der Länder dem RStDG zu „unterwerfen“ wäre ungleich schwieriger

 

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