Doppelstaatsbürgerschaften: Jetzt sind die Verwaltungsgerichte am Zug

Foto: EPA/LISI NIESNER

Die Wiener Magistratsabteilung 35 stellte nach einem Bericht der Tageszeitung Kurier erstmals vier Bescheide wegen Aberkennung der österreichischen Staatsangehörigkeit aus. Bundesweit sind es 33 Bescheide. Bis jetzt.

Seit Mai 2017 wurden in Wien drei Listen mit insgesamt rund 100.000 Datensätzen von möglichen türkischen Wahlberechtigten in Österreich übermittelt – vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), der FPÖ bzw. in weiterer Folge vom Innenministerium sowie von einer anonymen Quelle.

Von den etwa 45.000 Personen mit Hauptwohnsitz in Wien  blieben nach Abzug jener, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sondern einen anderen Aufenthaltstitel besitzen, 18.500 potenzielle Verdachtsfälle über. Um sie alle überprüfen zu können, wurde die MA35 vorübergehend um 26 Mitarbeiter aufgestockt. 6655 Fälle nahm man seit vergangenem Sommer in Angriff. Und so viel ist mittlerweile klar: Ein Teil der Überprüften besitzt die Doppelstaatsbürger zurecht. In 800 Fällen besteht allerdings der Verdacht, dass es sich um illegale Doppelstaatsbürger handelt.

Den Rest des Beitrags lesen »

VwGH Judikatur / Verfahrensrecht: Beginn der Entscheidungsfrist bei rechtswidrigem Unterbleiben der Vorlage der Beschwerde

Die Zuständigkeit, über eine Beschwerde zu entscheiden, geht nach Ablauf der Frist für die Beschwerdevorentscheidung oder nach Vorlage der Beschwerde auf das Verwaltungsgericht über. Die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes selbst wird aber erst mit dem Einlangen der Beschwerde beim Verwaltungsgericht in Gang gesetzt. Der VwGH hatte im Anlassfall die Frage zu lösen, wie die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes in Gang gesetzt werden kann, wenn die Verwaltungsbehörde die Vorlage der Beschwerde rechtswidrig unterlässt.

Liegt die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde infolge Ablaufes der Frist für die Beschwerdevorentscheidung bereits beim Verwaltungsgericht und wird die Beschwerde dennoch von der Verwaltungsbehörde nicht vorgelegt, kann eine Partei die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes auslösen, indem ausnahmsweise sie selbst die Beschwerde (bzw. regelmäßig eine Kopie, weil sich das Original bei der Verwaltungsbehörde befindet) dem Verwaltungsgericht vorlegt. Eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Nicht-Vorlage ist hingegen unzulässig.

Den Rest des Beitrags lesen »

VwGH Judikatur / Verfahrensrecht: Zulassung einer Revision kann nicht auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hatte in seiner Entscheidung die Zulässigkeit der ordentlichen Revision nur auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt; im Übrigen erklärte es die ordentliche Revision für unzulässig. Gegen diese Entscheidung erhoben die Revisionswerber jeweils (in einem Schriftsatz) eine ordentliche Revision verbunden mit einer außerordentlichen Revision.

Der VwGH stellte in seinem Erkenntnis Ro 2017/04/0020 bis 0021, Ra 2017/04/0083 bis 0084 vom 29. November 2017 zu dieser Vorgangsweise klar, dass eine Revision nur gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes und nicht gegen eine vom Verwaltungsgericht gelöste Rechtsfrage erhoben werden kann. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nur die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision.

Den Rest des Beitrags lesen »

Zugang zu Umweltinformationen: VW-Konzern muss Dokumente zu Abgasmanipulationen aushändigen

Foto: bluedesign – Fotolia/Oliver Boehmer/Fotolia

Die „Deutsche Umwelthilfe“ (DHU) hatte  im Jahr 2015 unter Berufung auf das deutsche Informationsfreiheitsgesetz Akteneinsicht in die Korrespondenz zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und dem Volkswagen-Konzern  beantragt. Es ging um die Offenlegung von Manipulationen am Abgas-System von 800.000 Dieselfahrzeugen.

Diesem Antrag wurde zwar Folge gegeben und der DHU das Recht auf Akteneinsicht zugesprochen. Allerdings war Volkswagen nicht mit einer Offenlegung einverstanden und so erhielt die DUH die 581-seitige VW-Akte zur Einsicht – in komplett geschwärzter Form.

Schwärzungen waren unzulässig

Jetzt gab auch das Verwaltungsgericht Berlin der DUH recht: Der Bundesverkehrsminister muss der DUH das von der Volkswagen AG im November 2015 übermittelte Dokument zu den seinerzeit eingestandenen falschen CO2-Werten bei den manipulierten Fahrzeugen aushändigen.

Den Rest des Beitrags lesen »

Justizministerium nun auch für Verwaltungsgerichte zuständig

Mit der aktuellen Novelle zum Bundesministerien-Gesetz wird der bisher beim Bundeskanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst eine Sektion des Bundesminiteriums für Justiz. Damit fällt neben den Angelegenheiten der Verfassungsgerichtsbarkeit auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit – mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes – in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums, das nun in das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) umbenannt wurde.

Die Zuständigkeit für das Verfahrensrecht der Behörden und Verwaltungsgerichte liegt jetzt ebenso beim Justizministerium wie die Organisation der Verwaltungsbehörden und sonstigen Einrichtungen, die Aufgaben der staatlichen Verwaltung zu besorgen haben. Auch die Datenschutzbehörde ist nicht mehr beim Bundeskanzleramt, sondern dort angesiedelt.

Den Rest des Beitrags lesen »

Deutschland: „Asylkrise“ zeigt Schwächen im Verfahrensrecht

 

Schwerpunkt Migration

Die deutschen Verwaltungsgerichte ächzen immer mehr unter der hohen Zahl von Klagen abgelehnter Asylbewerber. Die Zahl der Verfahren habe sich im abgelaufenen Jahr gegenüber 2016 auf rund 200.000 verdoppelt, wie der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte. Insgesamt habe sich die Zahl der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Asylklagen im vergangenen Jahr von rund 70.000 auf 320.000 erhöht.

Uneinheitliche Rechtsprechung verursacht zusätzliche Verfahren

Seegmüller sagte, die „Asylkrise“ habe auch Schwächen des Prozessrechts offenbart. So seien die Regeln für Beweisanträge und Ablehnungsgesuche zu schwerfällig.

Den Rest des Beitrags lesen »

VfGH Judikatur / Höhe der Verwaltungsstrafen nicht mehr begrenzt

Der Verfassungsgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung, wonach Geldstrafen ab einer gewissen Höhe nur von regulären Strafgerichten und nicht von Behörden verhängt werden dürfen, geändert. Der Gerichtshof hat damit einen Antrag des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) abgewiesen, die entsprechende Bestimmung im Bankwesengesetz (BWG) für verfassungswidrig zu erklären.

Dem Verfahren zugrunde lagen Beschwerden von Meinl-Bank und Western Union gegen Geldstrafen in der Höhe von mehr als 900.000 beziehungsweise mehr als 200.000 Euro, die die Finanzmarktaufsicht (FMA) wegen Verstößen gegen Bestimmungen zur Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsprävention verhängt hatte. Das BVwG berief sich dabei auf die frühere Judikatur des Höchstgerichts und beantragte die Aufhebung der Strafbestimmungen als verfassungswidrig, da diese gegen Artikel 91 des Bundesverfassungsgesetzes verstoße.

Änderung der Rechtsprechung

Den Rest des Beitrags lesen »

Illegales Glücksspiel: Verwaltungsstrafen schrecken nicht ab

Foto: KURIER/Dominik Schreiber

Finanzbehörden, die aus Sicherheitsgründen nur mit der Eliteeinheit WEGA, Feuerwehr, Elektrikern und Entminungsdienst zu Razzien ausrücken – aus Angst vor Angriffen mit Reizgas oder Stromfallen. Steigende Gewalt der albanischen, ex-jugoslawischen und tschetschenischen „Security-Mitarbeiter“ von Automatenbetreibern.

Verwaltungsstrafen, die oft ins Leere laufen und geschätzte rund 70.000 (teils minderjährige) Spielsüchtige, die das letzte Geld ihrer Familien und Freunde in Automaten verspielen, bevor sie straffällig werden, um Bares herbeizuschaffen. Zweistellige Millionenbeträge als Reingewinn jedes Jahr für die Hintermänner.

So wurde in einem Beitrag in der Tageszeitung „Kurier“  die aktuelle Situation rund um das illegale Glückspiel in Österreich beschrieben.

Verwaltungsbehörden fehlen Mittel zur Strafverfolgung

Die Landesverwaltungsgerichte Tirol und Burgenland hatten bereits im Jahr 2014 verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erhoben, dass die Verfolgung des illegalen Glückspiels ausschließlich in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden  fallen sollte. Gerade das Glücksspiel sei mit besonderen Gefahren verbunden und dessen Sozialschädlichkeit nachweislich gegeben. Die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden bedeute einen Eingriff in den Kernbereich strafgerichtlicher Zuständigkeiten und würde die Bestimmung des § 168 StGB inhaltsleer machen.

Den Rest des Beitrags lesen »

Verfassungsgerichtshof prüft Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG)

Im Anlassfall war der Antrag der Beschwerdeführerin –  einer nigerianischen Staatsbürgerin, deren Kind österreichische Staatsbürgerin ist –  auf Zuerkennung der Mindestsicherung vom Magistrat der Stadt Wien abgewiesen worden.  Das Verwaltungsgericht Wien hat die Abweisung des Antrages im Wesentlichen mit der Begründung bestätigt, dass es sich beim Aufenthaltstitel der Beschwerdeführerin („Familienangehöriger“ gemäß § 47 NAG) um keinen der in § 5 Abs. 2 Z 3 und 4 WMG taxativ aufgezählten Aufenthaltstitel handelt, sodass eine Zuerkennung rechtlich unzulässig ist.

Der Verfassungsgerichtshof hegt in seinem Prüfungsbeschluss (E 2239/2016-15 vom 13. Dezember 2017) Bedenken, ob es sachliche Gründe dafür gibt, Drittstaatsangehörigen, denen in Österreich ein Aufenthaltsrecht als „Familienangehörige“ iSd § 47 NAG zukommt, das Existenzminimum nach mindestsicherungsrechtlichen landesgesetzlichen Vorschriften für sich und ein minderjähriges Kind österreichischer Staatsangehörigkeit zu verweigern, obschon sie für das im gemeinsamen Haushalt lebende Kind unterhaltspflichtig sind.

Den Rest des Beitrags lesen »

EuGH: Mehr Rechte für anerkannte Umweltorganisationen

Der  Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat zur Frage der Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren entschieden, dass anerkannte Umweltorganisationen Parteienrechte einzuräumen sind und diese Bescheide, die gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstoßen, vor Gericht als Partei anfechten können.

Fehlende Umsetzung der Aarhus-Konvention

In Österreich fehlte bisher bei kleinen und mittelgroßen Bau- und Industrieprojekten, die das Wasserrecht, Abfallrecht oder Naturschutzrecht berühren, die Rechtsschutzmöglichkeit für Umweltorganisationen. Vor allem Artikel 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention, der eine gerichtliche Beschwerde- und Überprüfungsmöglichkeit der Öffentlichkeit für sämtliche Verstöße gegen das innerstaatliche Umweltrecht vorsieht, hat noch keinen Eingang in die heimische Rechtsordnung gefunden (siehe dazu: Lücken im innerstaatlichen Rechtsschutz).

Den Rest des Beitrags lesen »