Gefährden Corona-Regeln den offenen Justizbetrieb?

In einem Gastbeitrag auf LTO.de beschäftigt sich der Präsident des OLG Frankfurt mit der Praxis der Corona-Maßnahmen an deutschen Gerichten. Er erteilt der Forderung nach zu strengen Hürden eine Absage, da der ordentliche Gerichtsbetrieb dann nicht mehr aufrecht zu erhalten sei.

Hier der Beitrag in Auszügen:

Gerichte haben keine einheitlichen Corona-Regeln

Das gesellschaftliche Leben außerhalb der Gerichte unterliegt zunehmend wieder strengeren Anforderungen. Das führt auch in der Justiz zu Diskussionen. Sollte nicht auch der Gerichtsbetrieb unter 2G- oder 3G-Bedingungen gestellt werden? Dabei zeigt sich aktuell ein höchst heterogenes Bild in der deutschen Gerichtslandschaft. Es entspricht der allgemeinen  Aufgabenverteilung, dass die Gerichtsverwaltung Anordnungen für die Eingangsbereiche und die Verkehrsflächen trifft; im Sitzungssaal bestimmt dagegen der Vorsitzende über den Ablauf der Verhandlung einschließlich der einzuhaltenden Corona-Schutzmaßnahmen.

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Meinungsfreiheit: EGMR stärkt Anonymität im Netz

Österreichische Gerichte zwangen eine Zeitung rechtswidrig, die Identität von Nutzern ihres Online-Forums nach beißender Kritik an einer politischen Partei preiszugeben.

„Abschreckende Wirkung“ auf öffentliche Debatte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass Österreich mit nationalen Urteilen zur Herausgabe persönlicher Daten von Nutzern eines Online-Diskussionsforums der Zeitung „Standard“ gegen die in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Meinungsfreiheit verstoßen hat. Die Straßburger Richter betonten, dass eine Pflicht zur Offenlegung von Informationen über die User „eine abschreckende Wirkung“ auf die öffentliche Debatte hätte.

In der Auseinandersetzung ging es um die Preisgabe der Identität von drei Foren-Teilnehmern, deren Beiträge aus den Jahren 2011 bis 2013 unter anderem den österreichischen Rechtspopulisten Herbert Kickl (FPÖ) sowie die Freiheitlichen in Kärnten, eine Landesgruppe der FPÖ, zu Klagen veranlasst hatten. Die Verlagsgesellschaft hatte die Kommentare, in denen rechtsgerichtete Politiker mit Korruption oder Neonazis in Verbindung gebracht wurden, zwar geprüft und entfernt. Sie weigerte sich aber, die persönlichen Daten der Verfasser der Postings preiszugeben.

Offene Diskussion fördern

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VwGH Judikatur / Richterdienstrecht: Revision gegen Dienstbeurteilung durch Personalsenat zulässig; keine Parteistellung des Personalsenats vor dem Höchstgericht 

Die Entscheidungen eines Personalsenats eines Verwaltungsgerichts (hier: BFG) können mit Revision beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden, auch wenn dies im Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz nicht ausdrücklich normiert ist (VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007, Ro 2021/09/0030).

Dienstbeurteilung eines Personalsenats erfolgt als „Beschluss“

Der Personalsenat des Bundesfinanzgerichts hatte für den Revisionswerber für das Kalenderjahr 2020 von Amtswegen eine Dienstbeschreibung durchgeführt und festgestellt, „unter Berücksichtigung der Kriterien des § 54 Abs. 1 RStDG“ habe sich die Gesamtbeurteilung „nicht entsprechend“ ergeben. Gemäß § 55 Abs. 2 RStDG könne der Richter gegen die Gesamtbeurteilung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung Beschwerde an den Personalsenat des übergeordneten Gerichtshofes erheben. Da für das Bundesfinanzgericht kein Personalsenat eines übergeordneten Gerichtshofes bestehe, sei gegen diese Mitteilung ein Rechtsmittel nicht zulässig.

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Corona-Krise: Ist ein Lockdown auch für dreifach geimpfte Personen verhältnismäßig?  

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Zuerst ein Lockdown nur für ungeimpfte Personen, jetzt der Lockdown für alle, damit auch für Personen mit einer dritten Impfung („Geboostete“). Hier stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe neu. Ebenso die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz.

Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustandes

Bereits im Jänner 2021 veröffentlichte der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestags ein Gutachten zur Frage, ob Einschränkungen gegenüber Geimpften überhaupt zulässig sind. Die Autoren schickten darin voraus, dass nicht feststehe, „ob der neue Impfstoff auch verhindert, dass geimpfte Personen weiterhin infektiös sind“.

Sollte jedoch künftig gesichert sein, dass von geimpften Personen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, stelle sich die Frage der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aber neu. Bei der Aufhebung der Maßnahmen gegenüber Geimpften handle es sich um kein „Privileg“, sondern um die „Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustandes“.

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Verfassungsjuristische Zweifel am Lockdown für Ungeimpfte

Verfassungsjurist Funk stellt aufgrund der schweren Überwachbarkeit infrage, ob ein wie in Oberösterreich geplanter Lockdown verhältnismäßig und verfassungskonform ist

Ab kommendem Montag werde es in Oberösterreich einen Lockdown für Ungeimpfte geben – so der Bund bis dahin die rechtlichen Voraussetzungen schaffe –, verkündete Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Donnerstag. Für den Verfassungsrechtsexperten Bernd-Christian Funk kommt das einem „Zurückspielen des Balles an den Bund“ gleich. Dieser habe für eine solche Maßnahme erst eine Verordnung zu schaffen, die vom Minister sowie im Hauptausschuss des Nationalrats abgesegnet werden müsse.

Auch, sagt Funk, stelle sich die Frage, ob ein Lockdown für Ungeimpfte verhältnismäßig und damit verfassungskonform sei. Hier habe er aufgrund der schweren Überwachbarkeit der Maßnahme seine Zweifel, denn um Verhältnismäßigkeit zu garantieren, müsse sichergestellt werden, dass sich der Bewegungsspielraum von Menschen ohne Immunisierung tatsächlich auf Wohnung, Arbeitsplatz und Spazierengehen beschränke.

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2G-Nachweis durch COVID-19-Maßnahmenverordnung

Rechtzeitig vor Mitternacht wurden gestern die am Freitag verkündeten Verschärfungen in der 2. Novelle zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung und der Änderung der Verordnung BGBl. II Nr. 456/2021 kundgemacht, die ab heute gilt.

Hier die wesentlichen Änderungen:

2G-Regel:

In der Gastronomie, Hotellerie, im Kulturbereich und im Sport haben nur noch geimpfte und genesene Personen Zutritt. Die bisher gültige 3G-Regelung wird damit weitestgehend von 2G abgelöst.

Übergangsfrist für Einmalgeimpfte

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Filmtipp: „Propagandamaschine Social Media“ (Dokumentarfilm)

Der investigative Dokumentarfilm blickt hinter die Kulissen der globalen populistischen Bewegungen, analysiert ihre Online-Strategien und spürt die „Ingenieure des Chaos“ auf: Informatiker, Meinungsforscher und Big-Data-Experten, die im Verborgenen Schlachtpläne für Politiker erstellen.

Das Zeitalter der Vernunft – die Ära des Beweisarguments – geht zu Ende 

„Auf der ganzen Welt appellieren heute Demagogen an unsere schlimmsten Instinkte. Verschwörungstheorien, die einst auf den Rand beschränkt waren, werden zum Mainstream. Es ist, als ob das Zeitalter der Vernunft – die Ära des Beweisarguments – zu Ende geht. Das Wissen wird delegitimiert und der wissenschaftliche Konsens wird verworfen“, erklärte der britische Comedian Sacha Baron Cohen in einer viel beachteten Rede im November 2019 zur Verantwortung der sozialen Netzwerke. Und fuhr fort: „Die Demokratie, die von gemeinsamen Wahrheiten abhängt, befindet sich im Rückzug, und die Autokratie, die von gemeinsamen Lügen lebt, ist auf dem Vormarsch. Hassdelikte nehmen zu, ebenso wie mörderische Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten. Was haben all diese gefährlichen Trends gemeinsam? Ich bin nur ein Komiker und Schauspieler, kein Gelehrter. Aber eines ist mir ziemlich klar: All dieser Hass und die Gewalt wird von einer Handvoll Internetfirmen gefördert, die die größte Propagandamaschine der Geschichte bilden.“

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EuGH / Judikatur (2): Bestrafung wegen verweigerter Lenkerauskunft ist auch grenzüberschreitend zulässig

Ungarisches Gericht muss eine nach österreichischem Recht verhängte Geldstrafe wegen Verweigerung der Lenkerauskunft ungeprüft anerkennen und vollstrecken.

Wie der EuGH in der Rechtssache C-136/20 entschieden hat, darf ein ungarisches Kreisgericht die Anerkennung und Vollstreckung der von den österreichischen Behörden übermittelten Sanktionsentscheidung nicht verweigern.

Im Anlassfall war die in Ungarn wohnhafte Besitzerin eines Autos, mit dem im Juni 2018 in Österreich eine Übertretung der StVO begangen wurde, mittels Lenkeranfrage aufgefordert worden, bekannt zu geben, wer das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt hatte. Wegen der Verweigerung der Lenkerauskunft wurde die Ungarin in Österreich bestraft: Sie sollte 80 Euro zahlen, war hier aber nicht greifbar.

Kreisgericht zögerte mit Vollstreckung

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Afghanische Richterin: „Taliban wollen uns systematisch verfolgen“

Als die Präsidentin der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (AEAJ), Edith Zeller, am 20. August der Hilferuf einer afghanischen Richterin erreichte, zögerte sie keinen Augenblick, um dieser zu helfen.

Mit unzähligen Emails und Telefonaten versuchte sie über die Vereinigung der europäischen Verwaltungsrichter Hilfe zu organisieren. Über ihren luxemburgischen Kollegen Carlo Schockweiler gelang es der Vereinigung schließlich, die Unterstützung des luxemburgischen Außenministers zu erhalten. Unter größter Geheimhaltung konnte dann mit Hilfe der Sicherheitskräfte Belgiens und der Niederlande tatsächlich die Richterin Nilab Dian und ihre Familie in Sicherheit gebracht werden.

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Richterin hilft Richterin

Wie eine Richterin eine afghanische Kollegin unterstützte und warum sie dabei nicht das Außenministerium einschaltete (Ein Beitrag aus dem Profil vom 29.08.2021).

Edith Zeller, Richterin am Verwaltungsgericht Wien und Präsidentin der Europäischen Vereineigung der Verwaltungsrichter, erreichte am 20. August ein E-Mail einer Familienrichterin aus Mazar-i-Sharif, Afghanistan. Ein Hilferuf. Zwölf Jahre habe sie für den Staat gearbeitet und werde nun völlig im Stich gelassen. Sie sei mit ihrer Familie nach Kabul geflüchtet und halte sich dort versteckt. Sie habe ein Reihe von Taliban ins Gefängnis gebracht. Sie und ihre Familie fürchten um ihr Leben.

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