UNO-Konferenz in Doha: Richterliche Integrität als globales Thema (2)

Politische Einflussnahme auf die Justizsysteme

Breiten Raum gab die Konferenz Fragen der Richterauswahl und Ernennung sowie den neue Herausforderungen, welche die aktuellen politischen Entwicklungen für die richterliche Unabhängigkeit mit sich bringen. Auch wenn viele nationale Besonderheiten und unterschiedliche Blickwinkel bestehen, so zeigten die Vorträge und Diskussionsbeiträge doch nachdrücklich, dass Versuche politischer Einflussnahmen auf ein Justizsystem mittlerweile nicht nur ein nationales oder europäisches, sondern ein globales Phänomen sind.

Lozan Panov, Präsident der Obersten Kassationsgerichtshofes in Bulgarien und Teilnehmer am Maiforum 2018 in Salzburg, erklärte, gegen ihn werde ein Verfahren geführt, weil er am „Marsch der 1000 Roben“ in Warschau im Jänner dieses Jahr teilgenommen hatte, welcher sich gegen die polnische Justizreform richtete. Ihm werde vorgeworfen, durch seine Teilnahme das Ansehen der bulgarischen Justiz geschädigt zu haben.

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UNO-Konferenz in Doha: Richterliche Integrität als globales Thema (1)

Das „Global Judicial Integrity“ – Netzwerk wurde im Jahr 2018 auf Initiative des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien gegründet. Ziel war es, die Zielsetzungen der sog. „DOHA-Declaration“  aus dem Jahr 2015 mit Leben zu erfüllen.

Das Netzwerk sollte insbesondere durch die Ausarbeitung eines universellen Ethik-Codex für Richter die nationalen Justizsysteme bei der Korruption-Prävention unterstützen.

Die in der letzten Februarwoche in DOHA stattgefundene 2. Konferenz des Netzwerkes zeigte allerdings, dass die Herausforderungen für richterliche Integrität weit über reine Korruptions-Prävention hinausgehen. Zukünftige Herausforderungen sind auch der Umgang von Richterinnen und Richtern mit sozialen Medien, elektronische Aktenführung bei den Gerichten, der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Rechtsprechung, gendergerechte Justizsysteme und die versuchte politische  Einflussnahme auf die Justizsysteme.

Königshofer, Zeller mit RichterkollegInnen aus Paraquay, Schweiz, Niederlande, Rumänien und Polen (v.l.)

All diese Themen wurden sowohl im Plenum (600 Teilnehmer aus 117 Staaten) als auch in den verschiedenen Panels behandelt. Als Vertreter der  Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung nahmen Edith Zeller und Siegfried Königshofer an der Konferenz teil.

Richter/innen und soziale Medien

Als „Gesicht“ eines Justizsystems sind Richterinnen und Richter  zur Einhaltung der höchsten Standards für Integrität und Unparteilichkeit verpflichtet, da nur so das Vertrauen in das Funktionieren eines Justizsystems gewährleistet ist. Umso wichtiger ist es, bestehende ethische Dilemmas zu identifizieren und effektive Lösungen zu entwickeln.

Eines dieser Dilemmas ist der Umgang mit sozialen Medien. Das zeigte eine Vielzahl von Statements und Diskussionsbeiträgen. Soziale Medien sind unstrittig Teil des gesellschaftlichen Lebens geworden, ist doch in der Zeit zwischen 2004 und 2017 die Zahl der Menschen, die sozialen Medien nützen, auf 1,7 Milliarden gestiegen. In den Diskussionen bestand Übereinstimmung, dass Richterinnen und Richter nicht von der Nutzung dieser Medien ausgeschlossen werden können. Dies würde einerseits in Widerspruch zum Recht auf Meinungsfreiheit stehen,  andererseits würden sie sich von einem Teil der gesellschaftlichen Entwicklungen abschotten. (Siehe auch: UN-Sonderberichterstatter – Leitlinien für Richter und Staatsanwälte zur Ausübung ihrer Grundfreiheiten)
 

Gefahr des „social profiling

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Das war der Juristenball 2020

Unter dem Motto „Die Goldenen Zwanziger“ bot der ausverkaufte Juristenball 2020 neuen Schwung und gute Laune.

Bundeministerin Alama Zadić

Neben vielen Prominenten, angeführt von Bundeministerin Alama Zadić, Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein und dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Christoph Grabenwarter, beim festlichen Einzug des Ehrenkomitees: unsere Kollegen Edith Zeller, Präsidentin der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (vom Ball direkt zur Konferenz des Global Judicial Integrity Network in Doha, Qatar), Siegfried Königshofer, Präsident der Österreichischen Verwaltungsrichtervereinigung (im Frack!) und, trotz Gipsbein entschlossen und äußerst würdevoll, Gabriele Krafft, Präsidentin der Finanzrichtervereinigung.

Beste Stimmung auch am gut besuchten Tisch der Verwaltungsrichtervereinigung im Zeremoniensaal – in diesem Zusammenhang vielen Dank an unseren Kollegen und Vorsitzenden des Ballkomitees Reinhard Hohenecker. Sein Ziel, dem als etwas verstaubt geltenden Juristenball ein neues Image zu verleihen, ist zweifellos erreicht, wie das zahlreich erschienene, junge und ausgelassen feiernde Publikum bewies.

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MAIFORUM 2020 – „Independence, Efficiency and Responsibilities“

Die Verwaltungsgerichte im Spannungsfeld zwischen Unabhängigkeit und Effizienz Anforderungen – Herausforderungen Aufgrund der von der Bundesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus getroffen Maßnahmen, deren zeitliche Dauer realistischer Weise kaum einschätzbar ist, haben die richterlichen Standesvertretungen beschlossen, das 26. Maiforum auf vorerst unbestimmte Zeit zu verschieben.  

Bundesverwaltungsgericht: Wahrnehmungsbericht des Justizministers bestätigt Forderungen des Dachverbandes der Verwaltungsrichter

 Wie vom Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) und dem Verein der Richter/innen des Bundesverwaltungsgerichtes bereits gefordert, empfiehlt auch der Wahrnehmungsbericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner, einen Stopp der „Planstellenrückführung“ am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und mehr zusätzliche Planstellen.

Nicht ausreichende Planstellen bedeuteten lange Asylverfahren. Die damit verbundenen Grundversorgungskosten würden als erhebliche Mehrbelastung die Kosten der dargestellten Maßnahmen um ein Vielfaches übersteigen. Der Bericht stützt seine Empfehlungen auf eine umfassende Analyse der Belastungssituation des Gerichtes. Hier auszugsweise das Kapitel über das BVwG:

a) Befund

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Türkei: Internationale Richtervereinigungen kritisieren Klima der Angst, politische Richterernennungen und menschenunwürdige Haftbedingungen

In einem offenen Brief an den türkischen Justizminister Abdulhamit  Gülin üben internationale Richtervereinigungen (AEAJ, EAJ, „Judges for Judges“ und MEDEL) massive Kritik an den Vorgängen in der Türkei.

Abschreckende Wirkung der Massenentlassungen 

Die  Massenentlassung  von Richtern und Staatsanwälten habe eine  abschreckende Wirkung  auf die Bereitschaft der Richter, unabhängig und unparteiisch in Verfahren zu handeln, an denen der Staat beteiligt ist. Es sei eine  Atmosphäre der Angst unter den verbleibenden Richtern und Staatsanwälten geschaffen worden. Dies sei von ehemaligen Häftlingen  wie z. B. ausländischen Journalisten bestätigt worden, die wegen mutmaßlicher Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation festgenommen worden waren.

Ernennung neuer Richter erfolgt nach politischer Zugehörigkeit

Es gebe  viele unerfahrene neue Richter‚ die übereilt ernannt wurden. Deren  Auswahl dürfte  auf der Grundlage  politischer Zugehörigkeiten erfolgt sein. Die Berichte über die laufenden Verfahren und die Berichte ehemals inhaftierter Personen zeigten, dass die grundlegenden europäischen Standards für Verfahren zur  Richterernennung sowie die Anforderung an den Anschein der Unabhängigkeit der Justiz nicht erfüllt würden. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit sei in der Türkei seit Juli 2016 nicht wieder hergestellt worden, zumal auch der türkische Rat der Richter und Staatsanwälte  unter politischem Einfluss stehe.

 

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Treffen des DVVR mit Finanzminister Müller

Am 3.10.2019 empfing Finanzminister, Dipl.-Kfm. Eduard Müller, Vertreter des Dachverbandes der Verwaltungsrichter (DVVR) zu einem Informations- und Gedankenaustausch, welcher in einer sehr konstruktiven Gesprächsatmosphäre stattfand.

Breiten Raum nahm die Personalsituation an den Bundesverwaltungsgerichten ein. Gabriele Krafft verwies als Vertreterin der Finanzrichtervereinigung auf den Umstand, dass innerhalb der nächsten 8 Jahre rund 80% der derzeitigen Richterinnen und Richter am Bundesfinanzgerichte in Pension gehen werden. Es müssten daher dringend Maßnahmen ergriffen werden, um einen „Know-how“ – Transfer und einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Es wurde ein Bündel an Maßnahmen diskutiert und zeigt sich der Herr Finanzminister bereit, diese näher zu prüfen.

 

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Gericht der Europäischen Union: Das unbekannte Verwaltungsgericht

Bericht von einer Studienreise (2) 

Während der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch eine Reihe von Entscheidungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, arbeitet das zweite Gericht im Europäischen Gerichtssystem, das Gericht der Europäischen Union (EuG), von außen weitgehend unbeachtet. Zu Unrecht, wie wir uns im Rahmen unserer Studienreise nach Luxemburg überzeugen konnten.

EuG als erstinstanzliches Verwaltungsgericht

Während der EuGH als oberstes Rechtsprechungsorgan der EU im Wesentlichen zur Entscheidung in Vorabentscheidungsverfahren und Vertragsverletzungsverfahren zuständig ist, hat das EuG (Englisch: „General Court“) die Funktion eines erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts, welches zur Kontrolle der Entscheidungen von EU-Organen (hauptsächlich der EU-Kommission) berufen ist.

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Luxemburger Verwaltungsgerichte: Rechtsschutz ohne Sprachbarriere

Bericht von einer Studienreise (1)

Der schmucklose 70er Jahre-Bau, in dem die beiden Verwaltungsgerichte des Großherzogtums untergebracht sind, war damals eines der ersten Gebäude auf dem Kirchberg. Heute ist es neben den drei neuen Türmen des EuGH und den anderen Gebäuden europäischer Institutionen in der neu geschaffenen Stahl-Glas-und Asphaltwüste des heutigen Kirchberges fast zu übersehen.

Frankreich als Vorbild

Notwendig geworden war die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in Luxemburg im Jahr 1997, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) die Doppelfunktion des nach französischem Vorbild eingerichteten Staatsrats als Beratungsorgan der Regierung und als Verwaltungsgericht als unzulässig erklärt hatte (Urteil“ Procola“).

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Treffen des DVVR mit Vizekanzler und Justizminister Jabloner

Am 12. August fand ein Treffen von Vertretern des Dachverbands der Verwaltungsrichter (DVVR) sowie der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (AEAJ) mit Hrn. Vizekanzler und Justizminister (BMVRDJ) Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner statt, bei dem die Forderungen und Anliegen der Standesvertretungen der VerwaltungsrichterInnen vorgetragen wurden.

Der Vizekanzler kündigte an, einen Wahrnehmungsbericht über die Justiz verfassen zu wollen, in den auch Anliegen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Eingang finden sollen.

Er stimmte dem von Markus Thoma (Vereinigung der Richterinnen und Richter des VwGH) eingangs hervorgehobenen Ziel eines einheitlichen Richterbildes und einer Vertiefung der gemeinsamen Aus- und Fortbildung von Justiz- und Verwaltungsrichtern zu, um die wechselseitige Durchlässigkeit zu erhöhen.

Im Hinblick auf die prekäre Belastungs- und Planstellensituation am Bundesverwaltungsgericht befürwortete der Vizekanzler von Michael Fuchs-Robetin vom Verein der Richter/innen des Bundesverwaltungsgerichtes geforderte Sofortmaßnahmen noch in dieser Legislaturperiode.

Sigrid Lammer von der Verwaltungsrichter-Vereinigung verwies auf den aktuellen GRECO-Bericht aus Dezember 2018 und das Gutachten des CCJE vom 29. März 2019 zur Situation am Verwaltungsgericht Wien, die ihrer Ansicht nach aufzeigen, dass Handlungsbedarf zur besseren Absicherung der Unabhängigkeit aller Verwaltungsgerichte bestehe.

Der Vizekanzler teilte die Einschätzung von Unzulänglichkeiten zu einzelnen Besetzungsverfahren.

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