UNO-Konferenz in Doha: Richterliche Integrität als globales Thema (1)

Das „Global Judicial Integrity“ – Netzwerk wurde im Jahr 2018 auf Initiative des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien gegründet. Ziel war es, die Zielsetzungen der sog. „DOHA-Declaration“  aus dem Jahr 2015 mit Leben zu erfüllen.

Das Netzwerk sollte insbesondere durch die Ausarbeitung eines universellen Ethik-Codex für Richter die nationalen Justizsysteme bei der Korruption-Prävention unterstützen.

Die in der letzten Februarwoche in DOHA stattgefundene 2. Konferenz des Netzwerkes zeigte allerdings, dass die Herausforderungen für richterliche Integrität weit über reine Korruptions-Prävention hinausgehen. Zukünftige Herausforderungen sind auch der Umgang von Richterinnen und Richtern mit sozialen Medien, elektronische Aktenführung bei den Gerichten, der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Rechtsprechung, gendergerechte Justizsysteme und die versuchte politische  Einflussnahme auf die Justizsysteme.

Königshofer, Zeller mit RichterkollegInnen aus Paraquay, Schweiz, Niederlande, Rumänien und Polen (v.l.)

All diese Themen wurden sowohl im Plenum (600 Teilnehmer aus 117 Staaten) als auch in den verschiedenen Panels behandelt. Als Vertreter der  Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung nahmen Edith Zeller und Siegfried Königshofer an der Konferenz teil.

Richter/innen und soziale Medien

Als „Gesicht“ eines Justizsystems sind Richterinnen und Richter  zur Einhaltung der höchsten Standards für Integrität und Unparteilichkeit verpflichtet, da nur so das Vertrauen in das Funktionieren eines Justizsystems gewährleistet ist. Umso wichtiger ist es, bestehende ethische Dilemmas zu identifizieren und effektive Lösungen zu entwickeln.

Eines dieser Dilemmas ist der Umgang mit sozialen Medien. Das zeigte eine Vielzahl von Statements und Diskussionsbeiträgen. Soziale Medien sind unstrittig Teil des gesellschaftlichen Lebens geworden, ist doch in der Zeit zwischen 2004 und 2017 die Zahl der Menschen, die sozialen Medien nützen, auf 1,7 Milliarden gestiegen. In den Diskussionen bestand Übereinstimmung, dass Richterinnen und Richter nicht von der Nutzung dieser Medien ausgeschlossen werden können. Dies würde einerseits in Widerspruch zum Recht auf Meinungsfreiheit stehen,  andererseits würden sie sich von einem Teil der gesellschaftlichen Entwicklungen abschotten. (Siehe auch: UN-Sonderberichterstatter – Leitlinien für Richter und Staatsanwälte zur Ausübung ihrer Grundfreiheiten)
 

Gefahr des „social profiling

Gleichzeitig wurde an Hand konkreter Beispiele verdeutlicht, welche Risiken mit der Nutzung von sozialen Medien verbunden sein können. So wurde etwa ein Fall geschildert, bei dem Essenbestellungen auf einer Online-Plattform durch Richter von dem betreffenden Restaurant-Betreiber zu Werbezwecken  benützt wurde. In einem anderen Fall führte die Veröffentlichung eines privaten Fotos auf einem Social-Media-Account eines Richters zu Äußerungen eines beteiligten Anwalts über das Privatleben des  Richters, welche von der Gegenseite für einen Befangenheitsantrag benützt wurden.  Das Risiko besteht somit darin, dass jede veröffentlichte private Information für die Vorspiegelung eines persönlichen Naheverhältnisses oder für ein „social profiling“ missbraucht werden kann.

Bewusstseinsbildung erforderlich  

Viele Diskussionsbeiträge beschäftigten sich mit der Notwendigkeit einer  Bewusstseinsbildung, die für die Nutzung sozialer Medien durch Richterinnen und Richter erforderlich ist. Als Leitlinie gilt: Es ist nicht wichtig wie es aussieht, sondern wie es aussehen könnte (z.B, Bilder, Witze etc), weil der äußere Anschein zählt.

In den USA wird von der Justiz den sozialen Medien große Aufmerksamkeit geschenkt. So wurde bei Umfrage von 81% der Richterinnen und Richtern eine Fortbildung in diesem Bereich gefordert. Aktuell sind bei den Gerichten Ansprechpersonen vorgesehen, welche Richterinnen und Richter bei unklaren Situationen im Zusammenhang mit sozialen Medien informell und formell beraten. Zur Fortbildung zählt auch die Vermittlung des Wissens, wie soziale Medien technisch funktionieren, welche Daten gesammelt und wie sie weiterverarbeitet werden.  Auch die nichtrichterliche Gerichtsbedienstete werden in die Fortbildungsmaßnahmen einbezogen.

Ein kaum lösbares Problem ist die Nutzung von sozialen Medien durch Laienrichterinnen- und Richter.

Problem: „digitale“ Biographie

Äußerst problematisch können auch Aktivitäten in sozialen Medien sein, die von einem Richter/einer Richterin vor ihrer Ernennung getätigt wurden. Hier wurde vorgeschlagen, Bewerberinnen und Bewerber aufzufordern, im Bewerbungsverfahren ihre „digitale“ Biographie offenzulegen. Dies ist in jenen Ländern derzeit unmöglich, welche die Richterauswahl in einem Wettbewerbssystem durchführen (z.B. Frankreich, Italien, etc). Ein großes Problem besteht auch dort, wo sich die Richterschaft vorwiegend aus der Anwaltschaft rekrutiert, weil diese vor ihrer Ernennung oft in sozialen Netzwerken aktiv waren.

Verbot von Pseudonymen

In Frankreich wurde bereits ein Leitfaden für Richterinnen und Richter zur Nutzung sozialer Medien veröffentlicht. Grund war die Veröffentlichung einer Kommunikation durch Printmedien, welche zwischen einem Richter und einem Staatsanwalt auf Twitter über ein bestimmtes Strafverfahren  geführt wurde. Im Disziplinarverfahren haben sich die Beteiligen damit verantwortet, dass ihnen nicht bewusst war, dass die Kommunikation über Twitter nicht sicher ist.  Die Kommunikation über konkrete Verfahren in sozialen Medien ist in Frankreich nunmehr untersagt, ebenso wenig ist es Richterinnen und Richtern gestattet, bei einem Social-Media-Account Pseudonyme zu verwenden.

Es gab aber auch aus verschiedenen Ländern Beiträge, welche  die Nutzung von sozialen Medien befürworteten, um die Arbeit der Justiz transparente  darstellen zu können und um mit den Bürgerinnen und Bürgern in einen Diskurs einzutreten.

Leitfaden veröffentlicht

Das „Global Judicial Integrity“ – Netzwerk hat zu diesem Thema bereits eine – unverbindlichen – Leitfanden veröffentlicht, der bisher nur in Englisch verfügbar ist. Dieser beschäftigt sich mit den Risiken und Möglichkeiten bei der Verwendung sozialer Medien durch Richterinnen und Richter, mit dem Inhalten und dem Verhalten in sozialen Medien, mit der Frage ob Klarname oder Pseudonym, mit Freundschaften und Naheverhältnissen in sozialen Medien, Privatsphäre und Sicherheit sowie mit der Fortbildung in diesem Bereich.

Hier sind die Guidelines abrufbar…

(wird fortgesetzt)

 

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