Politische Einflussnahme auf die Justizsysteme
Breiten Raum gab die Konferenz Fragen der Richterauswahl und Ernennung sowie den neue Herausforderungen, welche die aktuellen politischen Entwicklungen für die richterliche Unabhängigkeit mit sich bringen. Auch wenn viele nationale Besonderheiten und unterschiedliche Blickwinkel bestehen, so zeigten die Vorträge und Diskussionsbeiträge doch nachdrücklich, dass Versuche politischer Einflussnahmen auf ein Justizsystem mittlerweile nicht nur ein nationales oder europäisches, sondern ein globales Phänomen sind.
Lozan Panov, Präsident der Obersten Kassationsgerichtshofes in Bulgarien und Teilnehmer am Maiforum 2018 in Salzburg, erklärte, gegen ihn werde ein Verfahren geführt, weil er am „Marsch der 1000 Roben“ in Warschau im Jänner dieses Jahr teilgenommen hatte, welcher sich gegen die polnische Justizreform richtete. Ihm werde vorgeworfen, durch seine Teilnahme das Ansehen der bulgarischen Justiz geschädigt zu haben.
Madan Lokuv, bis Dezember 2019 Richter am Supreme Court in Indien, schilderte die Versuche der indischen Regierung auf die Richterauswahl Einfluss zu nehmen. So verweigere der Staatspräsident immer wieder die Ernennung der von der richterlichen Auswahlkommission vorgeschlagenen Kandidaten mit dem Hinweis, er habe Informationen, dass vorgeschlagene Kandidaten nicht geeignet seien. Die betreffenden Informationen könne er aber nicht öffentlich machen, da diese geheim seien. Dieser Konflikt zwischen Justiz und Regierung habe zur Folge sei, dass von den rund 1100 Positionen für indische Höchstrichter rund 500 nicht besetzt seien, womit das Funktionieren des gesamten Justizsystems bedroht sei (siehe dazu: Retired SC judge says government is trampling on judicial independence through appointments)
Eine ähnliche Vorgangsweise bei der Richterauswahl schilderte der Vertreter Kenias von der kenianischen Regierung.
Die Vertreter der Türkei und des Iran nützten das Plenum wiederum für Beiträge, um die Unabhängigkeit ihrer Justizsysteme zu präsentieren. Übereinstimmend stellten beide fest, Richter hätten in ihren Ländern nichts zu befürchten, solange sie ihre Arbeit „ordentlich“ (properly) erledigten.
(wird fortgesetzt)