Ungarn: Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte gekippt

Ab Jänner 2020 sollten in Ungarn ein neues Oberstes Verwaltungsgericht und 8 Verwaltungsgerichte erster Instanz ihre Arbeit aufnehmen. Die Auswahl der rund 300 neuen Richterinnen und Richter war bereits abgeschlossen. Letzte Woche beschloss die Regierung zur Überraschung aller Betroffenen, die vom Parlament bereits beschlossene und kundgemachte Justizreform zu kippen.

Die von Ungarn beschlossene Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte war von EU-Parlament mit Sorge betrachtet worden, da die Unabhängigkeit der neuen Gerichte durch die Möglichkeit politischer Einflussnahme nicht gewährleistet erschien. (Siehe dazu: Umstrittene Justizreform in Ungarn – Österreich als Vorbild genannt)

Neben der politischen Ernennung der Gerichtspräsidenten war ein besonderer Kritikpunkt das Auswahlverfahren für jene neuen Verwaltungsrichter, die nicht bereits zuvor an den Zivilgerichten tägig waren, sondern aus der öffentlichen Verwaltung rekrutiert wurden.

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EuGH: Deutsche Staatsanwälte sind nicht unabhängig

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg spricht deutschen Staatsanwälten das Recht ab, EU-Haftbefehle auszustellen: Dies deshalb, weil sie – ähnlich wie in Österreich – den Weisungen des Justizministeriums unterliegen.

Der Gerichtshof hält damit an seinem Prüfungsmaßstab fest, den er in einem Vorabentscheidungsverfahren gegen Polen zur Unabhängigkeit des Justizsystems entwickelt hat (siehe dazu: EuGH zum Prüfungsschema der Unabhängigkeit der Justiz und der Richter in Polen).

Auch bloß theoretische Weisungsgebundenheit schadet Unabhängigkeit

Der Fall war – wie schon im Falle Polens – vom irischen High Court an den EuGH herangetragen worden. Zwei Litauer und ein Rumäne, denen Mord und bewaffneter Raub vorgeworfen wird, hatten sich dort gegen die Vollstreckung der EU-Haftbefehle gewehrt. Die Haftbefehle waren von deutschen Staatsanwaltschaften und dem Generalstaatsanwalt von Litauen ausgestellt worden. Die Verdächtigen orteten eine Gefahr politischer Einflussnahme, weil die deutschen Staatsanwälte einer Verwaltungshierarchie unter Leitung des Justizministeriums angehörten.

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Diskussionsveranstaltung: Richterliche Unabhängigkeit, kollegiale Selbstverwaltung und feste Geschäftsverteilung

Am Freitag, 7. Juni 2019, findet ab 14:30 Uhr im Dachgeschoss des „Juridicum“ (Schottenbastei 10-16, 1010 Wien) eine prominent besetzte Podiumsdiskussion statt.

Neben der Aufgabe der Personalsenate als Bindeglied zwischen Rechtsprechung und Justizverwaltung ist Gegenstand der Vorträge die feste Geschäftsverteilung und deren Anfechtbarkeit in Straf- und Zivilverfahren.

Hier geht’s zum Programm …

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Diskussionsveranstaltung: „Climate Litigation“ – Möglichkeiten von Klimaklagen in Österreich und Europa

Immer mehr Menschen versuchen, ambitioniertere Klimaschutzziele und -maßnahmen rechtlich zu erzwingen. Der Ansatz sogenannter Klimaklagen wird schon in zahlreichen Ländern verfolgt. Laut einer Studie von UN-Environment wurden weltweit bereits über 800 solcher Klagen angestrengt.

In einer Diskussionsveranstaltung wird über internationale Erfahrungen mit Klimaklagen diskutiert und der Frage nachgegangen, ob in Österreich nach geltendem Recht überhaupt eine weitergehenden Emissionsreduktionszielen einklagbar ist (siehe dazu auch: EU-Gericht weist Klimaklage ab)

Dienstag, 4.6.2019, Dachgeschoß des Juridicums, 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr

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Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (6): Weltraumrecht

Als beeindruckend erwies sich die Darstellung des Weltraumrechts durch den Physiker und Bereichsleiter des Missionsbetriebs der ESA in der ESOC Darmstadt Dr. Paolo Ferri und durch den Weltraum-Rechtsexperten Prof. Dr. Dr. h.c. Stephan Hobe von der Universität Köln.

Anhand von Bildern, Videos und Darstellungen wurde zunächst „der Weltraum“ und die Situationen und Umstände, die es zu regeln gilt, erklärt. Unter Weltraumrecht werden menschliche Regelungen für menschliche Aktivität im Weltraum zusammengefasst. Unter Weltraum wird nicht nur das interplanetarische  (Sonnen-), sondern auch das irdische (terrestrisch-lunare) System verstanden.

Weltraumrecht ist ein besonderer Teil des Völkerrechts. Kern des internationalen Weltraumrechts bilden fünf völkerrechtliche Verträge, die zwischen 1967 und 1979 abgeschlossen wurden: der Weltraumvertrag, das Weltraum-Rettungsabkommen, das Weltraum-Haftungsabkommen, das Weltraum-Registrierungsabkommen und schließlich ein Mondabkommen. Nach der Ratifizierung sind diese Verträge verbindlich. Daneben bestehen weitere sieben Resolutionen der UN-Generalversammlung, die jedoch nicht verbindlich sind. Das UNOOSA (United Nations Office for Outer Space Affairs) hat seinen Sitz in Wien.

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Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (5): Realisierung von Großvorhaben als Quadratur des Kreises

Die Abschlussveranstaltung war der Verfahrensführung und Entscheidung in Großverfahren in Deutschland – insbesondere aus Sicht des Baurechts und der Umweltverträglichkeit und unter Beteiligung der Öffentlichkeit – gewidmet.

So wurde nicht nur eine konzentrierte Verfahrensführung diskutiert, sondern auch ob es sinnvoll ist, Fristen für das Verfahren und Präklusionsbestimmungen für Einwände vorzusehen.

Wenn für die Einwände Präklusion vorgesehen wird, wurde von den Diskutierenden eingeräumt, kann dies zu einer ineffizienten Verfahrensführung führen, da vorerst alle möglichen Einwände – auch noch ohne entsprechende Informationen – vorgebracht werden müssen, auch wenn sie sich später als haltlos darstellen. So wurde auch daran erinnert, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit nach dem europäischen Recht und der Aarhus Konvention zur Einbindung der Öffentlichkeit in einer frühen Phase vorgesehen ist, um das Projekt mithilfe der Öffentlichkeit noch zu gestalten. Des weiteren wurde einheitlich festgehalten, dass es keine Belege gibt, wonach die Abschaffung der Präklusion aufgrund der Aarhus Konvention u einer Verfahrensverzögerung geführt hat.

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Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (4): „The discretionary power of the judge“ – richterliches Ermessen

In dem von der Europäischen Verwaltungsrichtervereinigung (AEAJ) organisierten Arbeitskreis wurde zunächst von Prof. Dr. Bartosz Woichiechowski, Richter des polnischen Höchstgerichts, über das Konzept des richterlichen Ermessens referiert. Wann hat der Richter Ermessen bei seiner Entscheidung und in welcher Hinsicht? Nach Ansicht des Vortragenden gibt es überall dort, wo nicht ausschließlich eine Entscheidungsmöglichkeit zur Verfügung steht, …

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Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (3): „Good Judging“ – Maßstäbe für richterliches Arbeiten

Dem Vortragenden Dr. Udo Schneider, Präsident des Verwaltungsgerichts Meiningen, zufolge ist es verkürzt, die Beurteilung der richterlichen Arbeit nur anhand des Ergebnisses, nämlich der Entscheidung selbst, vorzunehmen.

Vielmehr ist der Prozess zu beleuchten, wie die einzelne Person aufgrund der fundierten Ausbildung, Erfahrung und Sozialisation zum Richter wird und das unabhängige und unbefangene, fachlich fundierte Urteil in einem von ihr zu leitenden fairen Verfahren „findet“ bzw. erkennt“. Dabei spielt nicht nur die fachliche, sondern auch die soziale Kompetenz eine wesentliche Rolle.

Wie kann ein Richter ein gutes Erkenntnis „finden“, nach welchen Maßstäben erfolgt die Beurteilung „gut“? Was sind die Kriterien für eine gute Entscheidungsfindung und gute Prozesskultur? Wie unterliegt die Beurteilung dem gesellschaftlichen Wandel?

Neben den erlernbaren Methoden und dem Handwerkszeug ist vor allem die Haltung zur guten richterlichen Tätigkeit gefragt. Die Judikative kann ihre Funktion nur erfüllen, wenn die Richter nicht nur den juristischen Anforderungen an ihre Tätigkeit gerecht werden, sondern auch ihr Amt mit uneingeschränkter Integrität ausüben. Die Beschäftigung mit ethischen Verhaltensstandards ist für die Justiz daher ein unverzichtbarer Bestandteil.

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Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (2): Leistungsbeurteilung von Richtern – schnell, viel und billig?

Prof. Dr. Jan Bergmann, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und Honorarprofessor an der Universität Stuttgart, referierten in diesem Arbeitskreis zum Thema „Gerechte Beurteilung von Beamten- und insbesondere Richterarbeit“.

Im Allgemeinen hat nach seinem Verständnis eine gerechte Beurteilung unparteiisch, sachlich und verantwortungsfreudig zu sein. Bei der Beurteilung ist eine Differenzierung in Bezug auf den jeweiligen Aufgabenbereich erforderlich und die Heranziehung von Richtwerten und Quoten ist zulässig. Derartige Quoten dürfen jedoch nur dann herangezogen, wenn sie „weich“ gehandhabt werden und nach der Gaußschen Verteilung eine Gruppe von zumindest 30 Personen als Vergleich dient.

Bei der Beurteilung der Arbeit von Richterinnen und Richter steht der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit im Vordergrund. Jede Einflussnahme auf die richterliche Unabhängigkeit, und sei es auch nur eine psychologische, ist unzulässig. Er verwies dabei auf die Lage der Unabhängigkeit der Justiz in Polen, Ungarn und der Slowakei. Für die Abgrenzung des geschützten Kernbereiches der Unabhängigkeit ist es nach Auffassung des Vortragenden zielführend einen funktionalen Ansatz zu wählen, damit sind von dieser alle richterlichen Tätigkeiten umfasst.

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19. Deutscher Verwaltungsgerichtstag Darmstadt (1): Schwerpunkt Asyl- und Ausländerrecht

Von 15.-17. Mai 2019 fand der seit über 20 Jahren alle drei Jahre veranstaltete Deutsche Verwaltungsgerichtstag statt, im „ darmstadtium“, dem Wissenschafts- und Kongresszentrum der Wissenschaftsstadt Darmstadt. (Berichte von Eva Wendler, Richterin am Bundesverwaltungsgericht und Gudrun Müller, Richterin am Verwaltungsgericht Wien) Die Veranstaltung bot den knapp 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch dieses Jahr hochkarätige Arbeitskreise …

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