Umweltrecht: Deutsches Bundesverfassungsgericht fällt richtungsweisendes Klima-Urteil mit Signalwirkung

Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärt mit seiner gestern veröffentlichten Entscheidung die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens für verfassungsrechtlich verbindlich. Damit erhält Klimaschutz in Deutschland Verfassungsrang.

Nach dem als historisch bezeichneten Urteil des „Hohe Rat der Niederlande“ im Dezember 2019 und dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Paris im Februar 2021 hat nun das nächste nationale Höchstgericht mehrere Klimaklagen für – zumindest teilweise – begründet erklärt. Die Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes sind im Hinblick auf die verfassungsrechtlich bindenden Ziele des Pariser Klimaabkommens aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts in Teilen verfassungswidrig. Die Richter aus Karlsruhe haben den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 zu konkretisieren.

BVerfG warnt vor radikaler Reduktionslast für nachfolgende Generationen

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Umweltrecht (2): Nationale Justiz und der Aarhus-Acquis (ERA-Seminar)

Die Europäische Rechtsakademie in Trier veranstaltet unter dem Schwerpunkt „Zugang zum Recht“ ein Online-Seminar zu den drei Säulen der Aarhus-Konvention.  

Teilnahmeberechtigt sind Richter und Staatsanwälte. Die Arbeitssprache ist Deutsch, die Teilnahme ist kostenlos.

Der Schwerpunkt des Seminars liegt in Anbetracht der einschlägigen Mitteilung der Europäischen Kommission vom April 2017 auf Fragen des Zugangs zum Recht. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Klagebefugnis, dem Umfang der gerichtlichen Überprüfung, wirksamen Rechtsbehelfen, den Kosten des Zugangs zum Recht und den Verfahrensfristen.  Die Behandlung dieser Themen unter Berücksichtigung des Übereinkommens von Aarhus als Bestandteil des Umweltrechts der EU soll den Workshop-Teilnehmern den Umgang mit künftigen Gerichtsverfahren zu diesem Thema erleichtern.

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Umweltrecht (1): EuGH weist „Klimaklage“ wegen fehlender Betroffenheit zurück

Im Jahr 2018 hatte die Europäische Union in ihrem Klimapaket eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2030 beschlossen. Zehn vom Klimawandel betroffenen Beschwerdeführer aus Europa, Kenia und Fidschi war das nicht genug. Sie klagten gegen die EU-Gesetze und forderten ambitioniertere Ziele. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies die Beschwerde nun wegen Unzulässigkeit zurück. (EuGH 25.3.2021, C-565/19 P)

Fehlende „individuelle Betroffenheit“

Bereits im Mai 2019 hatte das Europäische Gericht in erster Instanz (EuG) die Nichtigkeitsklage aus formalen Gründen zurückgewiesen. Die Antragstellerinnen seien aufgrund mangelnder „individueller Betroffenheit“ nicht dazu befugt, die EU-Klimagesetze anzufechten. Die Tatsache, dass sich der Klimawandel auf bestimmte Personen anders auswirken könne als auf andere, führe nicht zur Klagebefugnis. Andernfalls würden die im EU-Vertrag aufgestellten Anforderungen „ausgehöhlt“ und „ein Klagerecht für jedermann“ geschaffen werden.

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Umweltrecht: Verwaltungsgericht Paris stellt Untätigkeit Frankreichs beim Klimaschutz fest

Erstmals in Frankreich hat ein Gericht festgestellt, dass die staatlichen Klimaschutzmaßnahmen unzureichend sind, um die Klimakrise zu stoppen.

Mit Urteil vom 3. Februar 2021 erkannte das Verwaltungsgericht Paris die Existenz ökologischer Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel an. Das Gericht ist der Auffassung, dass der französische Staat für die teilweise Nichterfüllung der Ziele, die er sich im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen gesetzt hat, die Verantwortung trägt.

Greenpeace und andere Organisationen hatten in ihrer Klage dem französischen Staat mit Unterstützung von mehr als zwei Millionen Bürgern Untätigkeit beim Klimaschutz vorgeworfen. Die Klimaklage stand unter dem Motto „Affaire du siècle“ (Affäre des Jahrhunderts).

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Dieselgate: EuGH bestätigt Unzulässigkeit der „Abschaltvorrichtungen“

Die Rechtfertigung der Hersteller, die Abschalteinrichtung verhindere den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors, wird verworfen.

Zulassungsbehörde kann Betriebsuntersagung oder -beschränkung aussprechen

In Österreich hatte das Oberlandesgericht Wien bereits im November 2019 festgestellt, auf Grund der in Dieselfahrzeugen eingebauten Abschalteinrichtungen bestehe latent die Gefahr, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung verhänge, weil das Fahrzeug aufgrund der Abschalteinrichtung gegen die EU-Verordnung 715/2007/EG verstoße und so nicht dem genehmigten Typ entspricht. Und weiter: „Dass das deutsche Kraftfahrtbundesamt (KBA) dieses Thermofenster mit der Freigabe der Software nicht als unzulässige Abschalteinrichtung (…) eingestuft hat“, sei nebensächlich, denn ob eine Abschalteinrichtung unzulässig sei oder nicht, stelle eine Rechtsfrage dar, die von Gerichten zu prüfen ist. (Siehe dazu: „Dieselgate“ oder die Erosion in das Vertrauen staatlicher Einrichtungen)

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Filmtipp: „Ökozid“ (Drama)  

Mit dem Stilmittel des „Courtroom-Drama“ wird der deutschen Klimapolitik der Prozess gemacht.

Der fiktive Prozess findet im Jahr 2034 vor dem – auf Grund von Klimaereignissen – nach Berlin ausgewichenen Internationalen Gerichtshof statt. Verhandelt werden die klimarelevanten Entscheidungen aus dem Zeitraum zwischen den 1990er-Jahren und der jetzigen Gegenwart.  31 Staaten des globalen Südens, von Afghanistan bis zur Zentralafrikanischen Republik, verklagen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz in Höhe von 60 Milliarden Dollar. Pro Jahr.

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Umweltrecht: Soll die Zerstörung der Natur vor den Internationalen Strafgerichtshof?

Die Kampagne „Stop Ecocide“ will Umweltzerstörung vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. Nun schließen sich auch immer mehr Länder der Bewegung an.

Die Forderung ist Teil einer internationalen Bewegung aus Aktivisten, Wissenschaftlern, Anwälten und Politikern, die mit der Kampagne „Stop Ecocide“ Umweltzerstörung zu einem Straftatbestand des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag machen wollen. Der Strafgerichtshof kann derzeit vier Verbrechen, darunter Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression, strafrechtlich verfolgen. Umweltzerstörung kann lediglich innerhalb von Kriegsverbrechen verfolgt werden.

Stattdessen legen Staaten selbst fest, welche Umweltschäden auf eigenem Boden wie und wann zu verhindern und zu bestrafen sind. Die Zerstörung der Natur, worunter auch der Klimawandel fällt, habe jedoch weltweite Auswirkungen und könne deswegen laut Kampagne nur mithilfe internationalen Rechts gestoppt werden.

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Umweltrecht: Irischer Klimaplan erfüllt „gesetzlichen Auftrag“ nicht

Das Oberste Gericht Irlands hat den Plan der Regierung für den Kampf gegen den Klimawandel einkassiert. Die Regierung muss nun ein neues, überarbeitetes Strategiepapier vorlegen.

Nach der EU-Verordnung 2018/824 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele zur Treibhausgasemissionsreduktion („Effort Sharing“) sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, eine Langzeitstrategie im Sinne des Klimaschutzübereinkommens von Paris auszuarbeiten und vorzulegen.

Der von der irischen Regierung vorgelegten Strategie fehle es an „Spezifizität“, die Regierung habe ihren „gesetzlichen Auftrag“ nicht erfüllt, so das irische Höchstgericht in seinem Urteil Anfang August. Gegen den Maßnahmen-Fahrplan, den  die Regierung im Jahr 2017 veröffentlicht hatte, ging die Umweltorganisation „Friends of the Irish Environment“ gerichtlich vor.  Nach dem einstimmigen Gerichtsurteil muss die Regierung nun detailliert festlegen, wie die in der Gesetzgebung von 2015 festgelegten Ziele bis 2050 erreicht werden sollen.

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Corona-Krise: Webinar zu den staatlichen Reaktionen auf die Pandemie

Das „Global Pandemic Network“ (GPN), ein weltweites Netzwerk von Wissenschaftlern und Experten zum Austausch über die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, veranstaltet am 15. Juli 2020 ein Webinar zum Thema „Covid-19 und Städte. Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Menschenrechten und Umweltschutz“.

Für das Netzwerk, welches auch von der UNO unterstützt wird, ist die COVID-19 Pandemie die bestimmende globale Gesundheitskrise unserer Zeit und die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit seiner Entstehung in Asien Ende letzten Jahres habe sich das Virus auf allen Kontinenten außer der Antarktis ausgebreitet. Die Länder seien dabei, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, indem sie Patienten testen und behandeln, Kontaktsuche durchführen, Reisen einschränken, Bürger unter Quarantäne setzen und große Versammlungen wie Sportveranstaltungen, Konzerte und Schulen absagen.

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Deutschland: Sind die „Dieselrichter“ nicht unabhängig?

In einem Schadensersatzverfahren betreffend abgasmanipulierte Dieselfahrzeuge hat sich ein Richter des Landgerichtes Erfurt an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gewandt. In einem Vorabentscheidungsverfahren verlangt er u.a. nach Klärung, ob „es sich bei dem vorlegenden Gericht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 S. 3 EUV sowie Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ handelt.

Damit zweifelt nach dem Verwaltungsgericht Wiesbaden schon das zweite deutsche Gericht seine eigene Unabhängigkeit an. (Siehe dazu: Vorlage an den EuGH – Deutsches Verwaltungsgericht zweifelt an seiner Unabhängigkeit)

Enge Verzahnung von Justiz und Verwaltung

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