Umweltrecht (1): EuGH weist „Klimaklage“ wegen fehlender Betroffenheit zurück

Im Jahr 2018 hatte die Europäische Union in ihrem Klimapaket eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2030 beschlossen. Zehn vom Klimawandel betroffenen Beschwerdeführer aus Europa, Kenia und Fidschi war das nicht genug. Sie klagten gegen die EU-Gesetze und forderten ambitioniertere Ziele. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies die Beschwerde nun wegen Unzulässigkeit zurück. (EuGH 25.3.2021, C-565/19 P)

Fehlende „individuelle Betroffenheit“

Bereits im Mai 2019 hatte das Europäische Gericht in erster Instanz (EuG) die Nichtigkeitsklage aus formalen Gründen zurückgewiesen. Die Antragstellerinnen seien aufgrund mangelnder „individueller Betroffenheit“ nicht dazu befugt, die EU-Klimagesetze anzufechten. Die Tatsache, dass sich der Klimawandel auf bestimmte Personen anders auswirken könne als auf andere, führe nicht zur Klagebefugnis. Andernfalls würden die im EU-Vertrag aufgestellten Anforderungen „ausgehöhlt“ und „ein Klagerecht für jedermann“ geschaffen werden.

Der EuGH folgte nun der Entscheidung des Erstgerichts und bestätigte die Abweisung der Beschwerde. Allein das Vorbringen, ein Rechtsakt der Union verletze die Grundrechte, führe noch nicht zur Zulässigkeit der Klage. Diese Auslegung entspreche auch den ausdrücklichen Bestimmungen des EU-Vertrags und den Vorgaben der EU-Grundrechtecharta.

Änderung der Rechtsprechung gefordert

Mit sogenannten Nichtigkeitsklagen können Rechtsakte der Europäischen Union wie Verordnungen, Richtlinien oder Beschlüsse angefochten werden. Für private Kläger ist diese Möglichkeit allerdings stark eingeschränkt. Sie können nur dann gegen Rechtsakte vorgehen, wenn sie „unmittelbar und individuell betroffen“ sind. Wie genau diese „individuelle Betroffenheit“ definiert wird, ist allerdings strittig.

Der Europäische Gerichtshof folgt der sogenannten Plaumann-FormelDemnach ist man nur dann klagebefugt, wenn man sich durch persönliche Eigenschaften im Vergleich zu anderen Betroffenen besonders hervorhebt. In der Praxis führt das oftmals zu erheblichen Rechtsschutzlücken. Viele Rechtswissenschaftler fordern daher seit Jahren eine Abkehr von der restriktiven Rechtsprechungslinie.

Daniel Ennöckl, Professor für Umweltrecht an der Universität Wien verweist dazu auf einen Satz im Rechtsmittel an den EuGH: „Es kann doch nicht sein, dass, wenn alle betroffen sind, niemand betroffen ist, und weil jeder zum Klimawandel beigetragen hat, niemand dafür verantwortlich ist.“

EU verschärft Klimaziele

Zwischenzeitlich haben die EU-Institutionen selbst die Notwendigkeit der Verschärfung der Klimaziele erkannt. Im Rahmen des Green Deals schlug die EU-Kommission im September 2020 vor, die Zielvorgabe für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf mindestens 55 Prozent anzuheben. Vergangenen Dezember einigte sich auch der Europäische Rat auf den neuen Richtwert.

Rechtsgrundlagen für die Senkung sind das EU-Emissionshandelssystem, die Lastenteilungsverordnung mit den Zielvorgaben für die Mitgliedstaaten und die Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft. Bis Juni 2021 sollen für alle drei Rechtsakte aktualisierte Gesetzesvorschläge vorliegen.

Dazu den Beitrag im Standard lesen …

Hier geht’s zum Urteil des EuGH Rs C‑565/19 P, ECLI:EU:C:2021:252, vom 25.03.2021  …

Hier geht’s zur Pressemitteilung des EuGH …

Siehe dazu auch: Klimaklagen in entscheidender Phase

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