Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärt mit seiner gestern veröffentlichten Entscheidung die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens für verfassungsrechtlich verbindlich. Damit erhält Klimaschutz in Deutschland Verfassungsrang.
Nach dem als historisch bezeichneten Urteil des „Hohe Rat der Niederlande“ im Dezember 2019 und dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Paris im Februar 2021 hat nun das nächste nationale Höchstgericht mehrere Klimaklagen für – zumindest teilweise – begründet erklärt. Die Regelungen des deutschen Klimaschutzgesetzes sind im Hinblick auf die verfassungsrechtlich bindenden Ziele des Pariser Klimaabkommens aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts in Teilen verfassungswidrig. Die Richter aus Karlsruhe haben den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 zu konkretisieren.
BVerfG warnt vor radikaler Reduktionslast für nachfolgende Generationen
Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a des Grundgesetzes (GG) sei dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, so das BVerfG. Um das zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht seien, so das BVerfG weiter.
Mit Blick auf Art. 20a GG erklären die Richter weiter, dass es nicht einer Generation zugestanden werden dürfe, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.
Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung der grundrechtlichen Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber sei daher verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.
Hier geht’s zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Hier geht’s zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Siehe dazu auch die Dokumentation: Können Klimaklagen die Welt retten?
Und: Österreich- Trotz Gesetz enttäuschende Klimabilanz, dennoch gibt es Hoffnung