Corona als Stresstest für den Rechtsstaat

Eilverfahren vor dem VfGH stehen angesichts der geplanten Impfpflicht zunehmend in Diskussion.

Schnell soll es gehen, am besten immer schneller, aber die Entscheidung darf dann bloß nicht unüberlegt sein – vor allem nicht, wenn sie vom Höchstgericht kommt: Die Einführung von Eilverfahren vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) steht aktuell angesichts der zahlreichen Covid-19-Maßnahmen, die diesen beschäftigen, zunehmend in Diskussion.

Zuletzt hat die oberösterreichische FPÖ diese gefordert, und zwar, um die für 1. Februar 2022 geplante Impfpflicht auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen. Bereits im Vorjahr, zu Beginn der Pandemie in Österreich, brachten die Neos einen diesbezüglichen Antrag im Nationalrat ein. Und auch der Präsident des Rechtsanwaltskammertages Rupert Wolff plädierte nach Erlass der ersten Covid-19-Maßnahmengesetze dafür.

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VwGH Judikatur / Richterdienstrecht: Revision gegen Dienstbeurteilung durch Personalsenat zulässig; keine Parteistellung des Personalsenats vor dem Höchstgericht 

Die Entscheidungen eines Personalsenats eines Verwaltungsgerichts (hier: BFG) können mit Revision beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden, auch wenn dies im Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz nicht ausdrücklich normiert ist (VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0007, Ro 2021/09/0030).

Dienstbeurteilung eines Personalsenats erfolgt als „Beschluss“

Der Personalsenat des Bundesfinanzgerichts hatte für den Revisionswerber für das Kalenderjahr 2020 von Amtswegen eine Dienstbeschreibung durchgeführt und festgestellt, „unter Berücksichtigung der Kriterien des § 54 Abs. 1 RStDG“ habe sich die Gesamtbeurteilung „nicht entsprechend“ ergeben. Gemäß § 55 Abs. 2 RStDG könne der Richter gegen die Gesamtbeurteilung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung Beschwerde an den Personalsenat des übergeordneten Gerichtshofes erheben. Da für das Bundesfinanzgericht kein Personalsenat eines übergeordneten Gerichtshofes bestehe, sei gegen diese Mitteilung ein Rechtsmittel nicht zulässig.

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Judikatur VfGH / Epidemiegesetz: Keine finanzielle Vergütung bei Absonderung nach telefonischer Empfehlung durch „Gesundheitsnummer 1450“

Nach dem Epidemiegesetz besteht ein Anspruch auf Vergütung für entstandene Vermögensnachteile nur, wenn der Betroffene gemäß § 7 EpidemieG 1950 behördlich abgesondert wurde. Eine freiwillige Absonderung nach telefonischer Empfehlung durch einen Mitarbeiter vom Bürgerservice der „Gesundheitsnummer 1450“ führt zu keinem Anspruch auf Entschädigung, weil diese nicht hoheitlich tätig ist (VfGH 06.10.2021, E 221/2021 ua).

Freiwillige Absonderung liegt auch vor, wenn sie nach staatlicher Empfehlung erfolgt

Gemäß § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 können zur Verhütung der Weiterverbreitung von COVID-19 kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.

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Judikatur VwGH / Versammlungsgesetz: Keine Zuständigkeit für eine Amtsrevision gegen das  Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts , welches den Kernbereich der Grundrechte betrifft

Unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung verneint der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit für Fragen des Eingriffs in den Kernbereich der Grundrechte (hier: Versammlungs- und Vereinsfreiheit) auch dann, wenn diese Fragen im Wege der Amtsrevision einer Behörde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts an ihn herangetragen wurden.

Dies betrifft auch verfahrensrechtliche Fragen, welche im Zusammenhang mit einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts stehen, welche den Kernbereich der Versammlungs- oder Vereinsfreiheit zum Inhalt hat. Der Umstand, dass einer Behördenpartei das Beschwerderecht an den Verfassungsgerichtshof nicht zukommt, ändere nichts daran, dass die diesbezügliche Prüfungsbefugnis alleine dem Verfassungsgerichtshof zukomme.

Amtsrevision bieten keinen Anlass für Änderung der Rechtsprechung

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Rechtsstaatlichkeit: Wer Karlsruhe und Warschau gleichsetzt, irrt grundsätzlich

In einem Beitrag auf Verfassungsblog.de vergleicht Univ. Prof Alexander Thiele (Law School Berlin) das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2021 mit dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 zum Nachkaufprogramm der Europäischen Zentralbank.

Sein Fazit: Unabhängig davon, was man über das BVerfG-Urteil denkt, hat das polnische Urteil eine völlig andere Qualität. Es erschüttert die Grundlagen der europäischen Integration, beeinträchtigt das Funktionieren des supranationalen europäischen Justizsystems massiv und betrifft in diesem Zusammenhang in erster Linie die Zukunft.

Hier der Beitrag auszugsweise:

1. In seinen Leitsätzen stellt das polnische Gericht die Verfassungswidrigkeit zentraler primärrechtlicher Normen (Art. 1 und 19 des Unionsvertrages) fest und stellt den etablierten Vorrang des Europarechts im Hinblick auf die polnische Verfassung prinzipiell in Frage. Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert hingegen in ständiger Rechtsprechung den Vorrang auch vor der Verfassung und hat in seinem Urteil lediglich einen einzelnen sekundären Rechtsakt einer EU-Institution für ausnahmsweise ultra-vires eingestuft.

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EuGH / Judikatur (2): Bestrafung wegen verweigerter Lenkerauskunft ist auch grenzüberschreitend zulässig

Ungarisches Gericht muss eine nach österreichischem Recht verhängte Geldstrafe wegen Verweigerung der Lenkerauskunft ungeprüft anerkennen und vollstrecken.

Wie der EuGH in der Rechtssache C-136/20 entschieden hat, darf ein ungarisches Kreisgericht die Anerkennung und Vollstreckung der von den österreichischen Behörden übermittelten Sanktionsentscheidung nicht verweigern.

Im Anlassfall war die in Ungarn wohnhafte Besitzerin eines Autos, mit dem im Juni 2018 in Österreich eine Übertretung der StVO begangen wurde, mittels Lenkeranfrage aufgefordert worden, bekannt zu geben, wer das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt hatte. Wegen der Verweigerung der Lenkerauskunft wurde die Ungarin in Österreich bestraft: Sie sollte 80 Euro zahlen, war hier aber nicht greifbar.

Kreisgericht zögerte mit Vollstreckung

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EuGH / Judikatur (1): EU-Bürger müssen bei Reisen ein Ausweisdokument dabeihaben

Eine Einreise ohne Ausweisdokument darf aber nicht verwehrt werden.

EU-Bürger müssen bei Reisen in andere Mitgliedsstaaten ein Ausweisdokument mitführen. Eine solche Auflage verstoße nicht gegen das Recht auf Freizügigkeit. Ein gültiger Reisepass oder Ausweis erleichtere die mögliche Überprüfung der Identität von Personen, um festzustellen, ob sie ein Recht auf Freizügigkeit haben.

Auch von ihren eigenen Bürgern dürfen die Mitgliedsstaaten verlangen, ein Reisedokument vorzuzeigen. Eine Einreise ohne Pass oder Ausweis darf ihnen aber nicht verwehrt werden (Rechtssache C-35/20).

Strafen müssen verhältnismäßig sein

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VfGH Judikatur / Asylgesetz: Eingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerbende ist gesetzwidrig

Zwei Erlässe aus dem Jahr 2018 bzw. 2004, die die Beschäftigung von Asylwerbenden eingeschränkt haben, sind gesetzwidrig. Die betreffenden Bestimmungen der Erlässe sind nämlich als Verordnungen einzustufen. Als solche hätten sie aber im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden müssen. Da eine derartige Kundmachung nicht erfolgt ist, hat der VfGH diese Bestimmungen als gesetzwidrig aufgehoben.

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat bestätigt, dass sich diese Erlässe nicht in einer bloßen Information über die geltende Rechtslage erschöpfen, sondern darüber hinaus verbindliche (einschränkende) Regelungen über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerbende  enthalten.

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LVwG Steiermark: „Push-back“ von Migranten nach Slowenien für rechtswidrig erklärt

In der beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingebrachten Maßnahmen-Beschwerde war vorgebracht worden, der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsbürger, sei ohne Reisdokument in der Nähe der Österreich-Slowenischen-Grenze auf österreichischem Bundesgebiet angetroffen und festgenommen worden.  Er hätte gegenüber verschiedenen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes das englische und das französische Wort für „Asyl“ verwendet und habe damit ausreichend zu verstehen gegeben, Schutz vor Verfolgung zu benötigen. Es sei kein Verfahren zur Prüfung des Antrages auf Asyl eingeleitet worden, sondern sei der Beschwerdeführer nur wenige Stunden nach der Einreise nach Slowenien abgeschoben worden.

Obwohl sich der Beschwerdeführer während der gesamten Amtshandlung ruhig und kooperativ verhalten und den Anweisungen der Polizeibeamten Folge geleistet habe und kein Anlass zur Vermutung vorgelegen sei, dass der Beschwerdeführer gefährlich ist, sei der Beschwerdeführer zum vollständigen Ausziehen aufgefordert und der unbekleideten Körper des Beschwerdeführers durchsucht worden.

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Verkehrsrecht: Dashcams in der Grauzone

Immer mehr Autolenker benutzen Dashcams. Das sind kleine Kameras, die auf dem Armaturenbrett befestigt werden und die Fahrt mitfilmen. Kommt es zu einem Unfall, sollen die Videoaufnahmen wichtige Beweise liefern. In Österreich ist das dauerhafte Filmen des Verkehrs aus Datenschutzgründen eigentlich verboten – was aber nicht heißt, dass die Videos nicht doch manchmal vor Gericht Verwendung finden.

Permanentes Filmen ist unerlaubte Überwachung

„Eine Dashcam zu haben ist nicht verboten, die Überwachung des öffentlichen Raums mit einem solchen Gerät ist aber verboten“, so Martin Hoffer, Chefjurist beim ÖAMTC. Wer mit einer Dashcam den Verkehr filmt, macht sich strafbar. Denn wer vorsorglich andere Verkehrsteilnehmer aufzeichnet, filmt dabei größtenteils unschuldige Personen. Das ist laut heimischer Datenschutzbehörde verboten.

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