Judikatur VfGH: Durch Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz darf Meinungsfreiheit nicht beschränkt werden

Im Anlassfall hatte ein Tierschutzaktivist im Juni 2018 bei einer Veranstaltung zum Thema „Milch“ ein Kuhkostüm samt Kuhmaske getragen, um so auf sein Anliegen, die Bedingungen in der Milchproduktion, hinzuweisen. Weil er durch das Tragen des Kostüms samt Maske gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz verstoßen habe, wurde gegen ihn eine Geldstrafe verhängt.

Dagegen wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und vorgebracht, durch diese Bestrafung sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt worden; auch stütze sich die Strafe auf ein verfassungswidriges Gesetz. Er stellte daher den Antrag, die im Instanzenzug ergangene Strafentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) aufzuheben.

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Digitale Identität (3): Leben in der überwachten Gesellschaft?

„Digital Identity Alliance“ (Kürzel: ID2020) ist eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, einfache Zugänge zu digitalen Identifikationsformen weltweit zu schaffen.

Damit sollen sich Menschen über Grenzen hinweg identifizieren können und gleichzeitig die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben.  Ziel ist eine personalisierte, portable, biometrisch verbundene digitale Identität, die auf Lebenszeit besteht.

Gründungsmitglieder sind unter anderem Microsoft, die Rockefeller Foundation, die Impfallianz GAVI, die Unternehmensberatung Accenture u.a. Die Allianz kooperiert mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen. Finanziert wird die Allianz durch Stiftungen, private Unternehmen und Einzelpersonen. (Siehe dazu: ID2020)

Digitale Identität als Menschenrecht

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Digitale Identität (1): Schweizer stimmen gegen private Anbieter

Die Schweiz wollte mit dem „Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste“ eine digitale Identität für ihre Bürger einführen. Letztes Wochenende wurde das Bundesgesetz bei einer Volksabstimmung deutlich abgelehnt.

Streitpunkt der Gesetzesvorlage war vor allem die Rolle der privaten Unternehmen, welche die E-ID ausstellen sollen. Das neue Gesetz sah vor, dass die Nutzer ihre E-ID nur bei einem privaten E-ID-Anbieter beantragen können. Die Behörden wären lediglich für die Identifizierung einer Person zuständig gewesen.

Hauptstreitpunkt: Die Speicherung der Daten

Die Gegner der Gesetzesvorlage sahen ein großes Problem darin, dass die privaten Anbieter die Daten speichern. Dadurch bestehe ein enormes, nicht kontrollierbares Missbrauchspotenzial. Die Befürworter der Datenspeicherung durch private Anbieter betonten dagegen, damit würde mehr Wettbewerb zwischen den privaten Anbietern möglich. Diese müssten alle drei Jahre eine neue Konzession beantragen und würden deshalb nicht ihre Reputation aufs Spiel setzen wollen.

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Corona-Krise: Umstrittener EU-Impfpass

Coronavirus

Der EU-Impfpass soll bei der Bewältigung der Corona-Pandemie helfen. Die Weltgesundheitsorganisation gibt dafür keine Empfehlung, ein Teil der EU-Staaten warnt davor, die Impfung mit der Freizügigkeit in Europa zu verknüpfen.

Die EU-Kommission will bald ihren Vorschlag für einen digitalen „Grünen Pass“ vorlegen, der Informationen über die CoV-Impfung, -Tests und Genesung von einer Covid-19-Erkrankung enthalten soll. Ziel ist es, einen sicheren Weg zur Aufhebung von Beschränkungen und zum Reisen in Europa zu finden.

Geimpfte und Genesene sollen mit einem Attest fälschungssicher ihre Immunisierung sowie Nichtgeimpfte negative Testergebnisse nachweisen können. Das könnte über ein einheitlich lesbares Dokument mit QR-Code geschehen, das man auf Papier oder auf dem Smartphone bei sich tragen könnte, ähnlich wie ein Zugsticket. Dazu müssen die nationalen Systeme der 27 EU-Staaten vergleichbar ausgestaltet beziehungsweise verknüpft werden.

Impfpflicht durch die Hintertür?

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Corona-Krise: Massive Kritik an geplanten Änderungen des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes

Mit den in Begutachtung gegangenen Novellen des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes (Begutachtungsende: 09.03.2021) hätte der Gesundheitsminister deutlich mehr Möglichkeiten zum Erlassen von Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Die Neuerungen wären weitreichend. Verfassungsjurist Funk spricht von einem „Hammer“.

Bisher waren die Maßnahmen des Gesundheitsministers nur gerechtfertigt, um „einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“. Das wird nun erweitert. So muss künftig nur „eine nicht mehr kontrollierbare Verbreitung“ vorliegen – also etwa das Contact-Tracing zusammenbrechen. Die Auslastung der Krankenhäuser bzw. der Intensivstationen würde somit keine Rolle mehr spielen.

Zusammenkunft von vier Personen könnte bereits als Veranstaltung gelten  

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EuGH: Richter-Besetzungsvorschläge in Polen ohne effektive Beschwerdemöglichkeit können gegen EU-Recht verstoßen

Die schrittweisen Änderungen des polnischen Gesetzes über den Landesjustizrat, die die effektive gerichtliche Kontrolle der Entscheidungen des Landesjustizrats, mit denen dem Präsidenten der Republik Kandidaten für das Richteramt am Obersten Gericht vorgeschlagen werden, abgeschafft haben, können gegen das Unionsrecht verstoßen.

Gegenstand des neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens ist die Reform des Gesetzes über den Landesjustizrat (im Folgenden: KRS-Gesetz). Danach sind Beschwerden gegen Entscheidungen der Landesjustizrates (KRS) über die Unterbreitung oder Nichtunterbreitung von Kandidatenvorschlägen für die Ernennung auf Richterstellen des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) nicht mehr möglich. Zudem wurden mit dieser Reform solche noch anhängigen Beschwerden ex lege für erledigt erklärt und dem vorlegenden Gericht de facto seine Zuständigkeit für die Entscheidung über eine dieser Beschwerden sowie die Möglichkeit genommen, eine diesbezügliche Vorabentscheidung des EuGH zu erlangen. Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht den EuGH in seinem ergänzenden Vorabentscheidungsersuchen zur Vereinbarkeit dieser neuen Regelung mit dem Unionsrecht befragt.

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Not und Gebot: Grundrechte in Quarantäne

Die Staaten greifen im Kampf gegen Corona zu Maßnahmen, die sonst nur im Krieg denkbar wären. Den Protest dagegen zu verachten ist falsch. (Gastkommentar des ehemaligen Richters und Staatsanwalts und langjährigen Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“, Heribert Prantl, im „Standard“).

Unmut muss ein Ventil haben: zu demonstrieren ist ein solches

Nicht die Freiheit muss sich rechtfertigen, sondern ihre Beschränkung und Begrenzung: So lernen es die Juristen schon im Anfängerseminar. In der Corona-Zeit begann dieser Satz zu wackeln und zu bröckeln; er wurde von der Politik umgedreht. Daher war und ist der Lehrsatz von der Verhältnismäßigkeit der Mittel noch nie so wichtig wie in der Corona-Krise. Er ist kein Wischiwaschi-Satz. Es ist ein Satz mit Substanz, ein Kernsatz des Rechts. Und „Maß halten“ – das ist kein Wort zum Schmunzeln, sondern ein Wort, das die Grundrechte vor übermäßigen Eingriffen schützen soll; es ist ein rechtsstaatlicher Überspannungsschutz.

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Corona-Krise: Europäische Lösung für Sonderrechte von geimpften Personen gesucht

Je mehr Personen gegen Corona geimpft wurden desto stärker wird die Diskussionen über Sonderrechte für diese Bevölkerungsgruppe.

Geht es nach dem Impfplan der Bundesregierung sollen bis Ende März etwa eine Million Menschen in Österreich durch eine Corona-Impfung immunisiert sein. Die Diskussion, ob für diese Bevölkerungsgruppe eine Rücknahme der Corona-bedingten Einschränkungen geboten ist, beschäftigt ganz Europa.

Staaten schaffen Fakten

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„Racial Profiling“: Kontrollgrund Hautfarbe

In Deutschland kontrolliert die Polizei jedes Jahr Millionen Menschen ohne Tatverdacht. Gegen die Anwendung der sog. „verdachtslosen Ausweiskontrolle zur Verhinderung von Straftaten“ wird vor den Verwaltungsgerichten immer wieder Klage erhoben, mit dem Vorwurf, die polizeiliche Kontrolle sei nur wegen der Hautfarbe erfolgt.  

Deutsche Verwaltungsgerichte können in diesen Beschwerdeverfahren auf eine umfangreiche und sehr differenzierte Rechtsprechung zurückgreifen. (Siehe dazu: Polizei darf nicht mehr ohne Verdacht kontrollieren)

Ein Beitrag auf „zeitonline“ gibt dazu einen informativen Überblick, bei dem alle Beteiligten zu Wort kommen.

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Corona–Maßnahmen als Herausforderungen für den Rechtsstaat (2)

Hinnerk Wißmann, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Münster, bezweifelt in seinem Beitrag auf Verfassungsblog.de die Angemessenheit und Evidenzbasiertheit der Grundrechtseinschränkungen durch die von der deutschen Bundesregierung ergriffenen Corona-Maßnahmen.

Die Infektionsschutzpolitik könne sich nicht dem Hinweis auf die notwendige „Vorsorge“ von einem verbindlichen Tatsachenbezug verabschieden, um in den Bereich der dauernden Modellierung von Wirklichkeit zu wechseln. Und dem entsprechend reiche es auch nicht aus, die Frage nach der Geeignetheit der brachialen Maßnahmen über Wochen und Monate angesichts bescheidener Erfolge mit der Feststellung abzuwehren, ohne genau diese Maßnahmen stünde man jedenfalls schlechter da. Das sei in einem ganz schlichten Sinn nicht zu widerlegen, verwechsle aber letztlich die Welt mit einem Labor.

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