Hält ein mutiger EU-Gerichtshof die Europäische Union zusammen?

Thomas Jaeger, Professor für Europarecht (Universität Wien)  im „Standard“ über die Polykrise der EU und wie der Europäische Gerichtshof einigend wirkt

Vor gut zwanzig Jahren hätte ich, hätten Fachkollegen auf die Frage „Was eint Europa?“ geantwortet: die gemeinsamen Werte, auf die sich die Union gründet. Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) listet sie auf, etwa die Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit oder Menschenrechte und vieles mehr.

Frei von ethnischem, geografischem, historischem oder religiösem Dünkel, inklusiv statt exklusiv. In jenen Jahren der „EU-Phorie“, zwischen dem Fall der Berliner Mauer 1989 und der Ablehnung des Europäischen Verfassungsvertrags bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden 2005, in die auch der österreichische EU-Beitritt von 1995 fällt, schienen die Bäume der Integration in den Himmel zu wachsen. Die Schäden von 200 Jahren Nationalismus in Europa, vor allem in den Köpfen, schienen überwunden.

Polykrise der EU mit Brexit als Super-GAU

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VfGH Judikatur / Überprüfungspflicht des Betretungsverbots

Mit Erkenntnis vom 25.9.2018, G 414/2017, hat der VfGH einen gegen § 38a Abs. 6 SPG gerichteten Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Wien hatte gegen die mit BGBl. I Nr. 152/2013 geänderte Fassung des § 38a Abs. 6 SPG verfassungsrechtliche Bedenken geäußert: Während  die Sicherheitsbehörde in der Erstfassung verpflichtet worden war, durch ihre Organe verhängte Betretungsverbote binnen 48 Stunden ex nunc zu überprüfen, bezog sich diese Prüfungspflicht jetzt nur mehr auf den Zeitpunkt der Verhängung, also ex tunc.

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RZ Editorial 12/18: Die Ruhe vor dem Sturm?

2018 war ein hartes, schwieriges Jahr für die österreichische Justiz.

von Mag. Christian Haider

 

Das heurige Frühjahr war in der gesamten Justiz von der Sorge geprägt, dass die massiven Einsparungen im Justizbudget das Funktionieren der Gerichtsbarkeit beeinträchtigen oder gar gefährden könnten. Auch wenn die von allen Bedienstetengruppen getragenen Proteste Erfolg zeigten und die schlimmsten Spitzen ab geschliffen werden konnten, blieb dennoch ein harter, spürbarer Sparkurs bestehen, der nach wie vor negative Auswirkungen zeigt, trotz aller Bemühungen, die vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen.

Leider besteht kein Grund, die Einschätzungen aus dem Frühjahr neu zu bewerten oder zu revidieren.

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Judikatur VfGH / Burgenländische Mindestsicherung teilweise verfassungswidrig

Teile der burgenländischen Mindestsicherung sind verfassungswidrig, das hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt. Die Deckelung pro Haushalt und die Wartefrist werden aufgehoben.

Das burgenländische Mindestsicherungsgesetz wurde im März 2017 mit Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Teilen der Liste Burgenland im Landtag beschlossen. (Siehe dazu: Burgenland kürzt und deckelt).

Fixbetrag für Deckelung unzulässig

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Judikatur VfGH / Oberösterreichische Mindestsicherung großteils verfassungskonform

Das  LVwG Oberösterreich hatte Zweifel gehegt, ob die Leistungsdeckelung für  Haushaltgemeinschaften im oberösterreichischen Gesetz sachlich  gerechtfertigt und damit verfassungskonform ist.

Dies vor dem  Hintergrund  der  Rechtsprechung  des  Verfassungsgerichtshofs,  wonach  der Fokus in einem System der sozialen Sicherheit am individuellen Bedarf liegt (Siehe dazu: LVwG Oberösterreich zweifelt an der Verfassungskonformität der Deckelung)

Kein Fixbetrag für Deckelung

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Judikatur VfGH / Doppelstaatsbürger: Türkische „Wählerevidenzliste“ ist kein taugliches Beweismittel

(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Die türkischen „Wählerevidenzliste“ ist kein taugliches Beweismittel, da Herkunft und Authentizität dieses Datensatzes ungeklärt sind. Behörden und Gerichte trifft die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes. Das Überwälzen der Beweislast auf den Betroffenen verbietet sich aus verfassungsrechtlicher Sicht ( VfGH 11.12.2018, E 3717/2018).

Das Verwaltungsgericht Wien war im Anlassfall davon ausgegangen, dass der fragliche Datensatz den Inhalt einer türkischen „Wählerevidenzliste“ im Hinblick auf in Österreich bzw. in Wien Wahlberechtigte und damit türkische Staatsangehörige wiedergibt. Inhalt und Form einer solchen Wählerevidenzliste war für das Verwaltungsgericht, wie insbesondere die im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahmen der zuständigen Bundesminister ergaben, aber nicht feststellbar.

Der Verfassungsgerichtshof stellte dazu fest, dass damit ein Ergebnis des Verfahrens unterstellt wird, das im Verfahren gerade nicht geklärt werden konnte. Vielmehr ergibt das Verfahren unstrittig, dass der Datensatz nicht authentisch und hinsichtlich seiner Herkunft und des Zeitpunktes seiner Entstehung nicht zuordenbar ist. Die mangelnde Authentizität und die ungeklärte Herkunft der Inhalte dieses Datensatzes, die festgestelltermaßen dem schreibenden Zugriff von wem auch immer offen standen, schließen es von vorneherein aus, dass dieser Datensatz für die Zwecke des § 27 Abs. 1 StbG im Hinblick auf den Beschwerdeführer ein taugliches Beweismittel darstellt. (Siehe dazu: VwGH zum Beweiswert des türkischen Personenstandregisters)

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LVwG Steiermark: Fragwürdige Beförderung eines Richters

Für einiges Rumoren sorgt laut einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ die Beförderung eines Richters am Landesverwaltungsgericht Steiermark.

Durch eine Anfrage an den Steirischen Landtag war hervorgekommen, dass ein Richter des Gerichtes – ohne dienstrechtliche Grundlage – zum Hofrat ernannt worden war.

Ernennung als „Belohnung“

Diese Ernennung erfolgte laut dem zuständigen Landesrat Christopher Drexler „ad personam“ auf Grund der Leistungen des betroffenen Bediensteten. Diese „hervorragenden Leistungen“ seien aber nicht am Landesverwaltungsgericht, sondern im vorangegangenen Aufgabengebiet im Landesdienst erbracht worden.

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Griss weist Aussagen von Landesrat Doskozil scharf zurück

 

Irmgard Griss (Archivbild) – (c) Die Presse (Clemens Fabry)

„Die Reaktion von Landesrat Doskozil zeigt die mangelnde Sensibilität für dieses Thema in der Politik.“

Die frühere Präsidentin des OGH und nunmehrige Justizsprecherin der NEOS, Irmgard Griss, übt in einer Presseaussendung scharfe Kritik an den Aussagen des burgenländischen SPÖ-Landesrates Hans Peter Doskozil bezüglich der umstrittenen Kür der Nachfolge des Landesverwaltungsgerichts-Präsidenten: „Die Reaktion von Landesrat Doskozil zeigt die mangelnde Sensibilität für dieses Thema in der Politik.

Ohne unabhängige Gerichte gibt es keinen funktionierenden Rechtsstaat. Jede Form parteipolitischer Einflussnahme ist strikt abzulehnen. Richterinnen und Richter sind verpflichtet, jeden derartigen Versuch öffentlich zu machen und sich dagegen zu verwahren“, nimmt sie den amtierenden Präsidenten sowie die Richters des Landesverwaltungsgerichts gegen die öffentliche Kritik des Landesrates Doskozil.

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Doskozil zur Präsidentenbesetzung im Burgenland: Richter haben sich durch Kritik selbst disqualifiziert

Hans Peter Doskozil

Landesrat Hans Peter Doskozil, der designierte neue Landeshauptmann für das Burgenland, hat am Donnerstag im Landtag die Kritik am Ausschreibungsverfahren für den Präsidentenposten am LVwG Burgenland zurückgewiesen. (Siehe dazu: Österreich darf nicht Polen werden)

Die Ausschreibung für den Präsidentenposten am Landesverwaltungsgericht (LVwG) sei korrekt verlaufen, eine Kandidatin zu beleidigen, sei „eine Frechheit“, so Doskozil. Das Vorziehen der Ausschreibung, bevor der Präsidentenposten überhaupt vakant wurde, sei durchaus vertretbar.

„Die Ausschreibung findet ausschließlich aufgrund der Gesetze statt“, betonte Doskozil. Die Kommission sei entsprechend zusammengesetzt, mit dem Präsidenten des Landesgerichts Burgenland an der Spitze. Kritiker hatten argumentiert, die Ausschreibung wäre auf die Büroleiterin von Landeshauptmann Hans Niessl, Christina Krumböck, zugeschnitten. Er verstehe nicht, „dass man eine Kandidatin wirklich auch persönlich diffamiert, dass man sie persönlich beleidigt. Ich glaube, das ist eine Frechheit, das ist nicht in Ordnung.“ (Siehe dazu: Dachverband der Verwaltungsrichter fordert Neuausschreibung)

Geringe Erfahrung

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Vorarlberger Verwaltungsgericht kippt Pflegeregress für Mieteinnahmen

Mieteinnahmen zählen der Entscheidung zufolge als Vermögen. Das Land Vorarlberg überlegt eine Revision.

Das Landesverwaltungsgericht in Vorarlberg hat im Zusammenhang mit dem inzwischen abgeschafften Pflegeregress den Regress auf Mieten gekippt. Mieteinnahmen zählen demnach als Vermögen und nicht als Erträgnisse, berichteten die „Vorarlberger Nachrichten“ unter Berufung auf die Gerichtsentscheidung am Mittwoch.

Eine Vorarlbergerin hatte demnach einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft beeinsprucht, wonach sie ihr Haus vermieten muss, damit Mieteinnahmen einen Teil ihres Pflegeplatzes finanzieren. Für das Landesverwaltungsgericht stellte der Bescheid bereits einen Zugriff auf Vermögen dar. Demnach sei jede Art der Verwertung von Vermögen unzulässig, die Vermietung einer Wohnung zähle dazu, so das Landesverwaltungsgericht. Außerdem entzöge man die Liegenschaft so einer anderen Nutzung.

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