VfGH Judikatur / Überprüfungspflicht des Betretungsverbots

Mit Erkenntnis vom 25.9.2018, G 414/2017, hat der VfGH einen gegen § 38a Abs. 6 SPG gerichteten Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Wien hatte gegen die mit BGBl. I Nr. 152/2013 geänderte Fassung des § 38a Abs. 6 SPG verfassungsrechtliche Bedenken geäußert: Während  die Sicherheitsbehörde in der Erstfassung verpflichtet worden war, durch ihre Organe verhängte Betretungsverbote binnen 48 Stunden ex nunc zu überprüfen, bezog sich diese Prüfungspflicht jetzt nur mehr auf den Zeitpunkt der Verhängung, also ex tunc.

Bis dahin hatte es regelmäßig Fälle gegeben, bei denen das Betretungsverbot zunächst – auch im Hinblick auf den Zeitdruck der einschreitenden Beamten – vertretbar war, die Behörde aber in den folgenden 48 Stunden auf leicht zugängliche und für die Gefährdungsprognose entscheidende Beweismittel nicht zurückgegriffen hat. In solchen Fällen hatte das Verwaltungsgericht die Maßnahme nicht ab Verhängung, sondern erst ab Überprüfung durch die Behörde für rechtswidrig erklärt.

Das VwG befürchtete, dass diese Überprüfungspflicht künftig ausgeschlossen werden solle. Dies greife nicht nur in das Recht auf Achtung des Privatlebens ein, sondern sei auch unsachlich, weil die Rechtsprechung sowohl bei Freiheitsentziehung und als auch bei Beschlagnahmen von einer solchen laufenden Überprüfungspflicht ausgehe.

Der VfGH teilte die Bedenken nicht, sondern verwies auf die Erläuternden Bemerkungen, wonach die Behörde „das Betretungsverbot von sich aus aufzuheben hat, sobald sie von Tatsachen Kenntnis erlangt, deren amtswegige Prüfung die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme im Sinne des § 29 [SPG] ergibt“. Diese Pflicht besteht somit unabhängig von § 38a Abs. 6 SPG. Allerdings sagt der VfGH nicht, ob und inwieweit die Behörde lediglich auf – ohne  ihr Zutun –  bekannt werdende Tatsachen reagieren muss, oder ob sie – wenigstens bei Vorliegen bestimmter Hinweise – dazu auch aktiv Erhebungen zu pflegen hat.

Das VwG Wien hat diese Frage in einem ähnlich gelagerten Fall so gelöst, dass ein Betretungsverbot ab der wegen wahnhafter Verfolgungsängste erfolgten zwangsweisen Unterbringung der (dem ersten Anschein nach) gefährdeten Person für rechtswidrig erklärt wurde. Gleich nach Verhängung des Betretungsverbots hatte es bereits erste Anzeichen eines schizophrenen Schubs gegeben, und fünf Tage später musste die Person durch Polizeiorgane nach dem UbG vorgeführt werden. Die Behörde hätte diese Informationen – schon aufgrund der frühen Anzeichen – zusammenführen und daraus (spätestens einen Tag nach Einweisung) den Schluss ziehen müssen, dass das rein auf Anschuldigungen der Gefährdeten gestützte Betretungsverbot nicht aufrechterhalten werden kann.

VfGH 25.09.2018, G 414/2017

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