3. Piste: Klimaschutz weginterpretiert?

FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts überraschte in mehrfacher Hinsicht: Da war einmal die äußerst kurze Verfahrensdauer von nicht einmal vier Monaten, dann die von vielen als „Lehrstunde“ empfundene Verkündung der Entscheidung und letztlich das Erkenntnis selbst. Die vom Verfassungsgerichtshof argumentierte grobe Verkennung der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht und die daraus folgende Verfassungswidrigkeit der Entscheidung hatten so wohl nur wenige erwartet.

In einem Beitrag im Bezahlteil der Tageszeitung die „Presse“ wird unter dem Titel“ VfGH interpretiert Klimaschutz entschlossen weg“ der Versuch unternommen, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes noch vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung zu analysieren. Besonders wird der Frage nachgegangen, ob Klimaschutz „ein sonstiges öffentliches Interesse“ im Sinne des Luftfahrgesetzes darstellt oder nicht. Eine Frage, die unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bejaht wird. Auch die Zulässigkeit der Heranziehung der Klimaschutzbestimmung in der Landesverfassung bzw. nicht unmittelbar anwendbarer völkerrechtlicher Verträge zur Rationalisierung der Interessensabwägungen wird bejaht.

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Verbotene Warnung vor Polizeikontrollen: Gestern Lichthupe, heute Facebook

Die Webseiten der Gerichte des Kantons St.Gallen (Schweiz) können nicht nur als Beispiel für moderne und transparente Öffentlichkeitsarbeit dienen, sie sind auch eine Fundgrube für interessante Fälle.

So wurde vor dem Kreisgericht St. Gallen letzte Woche eine Strafsache betreffend „öffentliches Warnen vor behördlichen Kontrollen im Straßenverkehr“ behandelt. Das Besondere daran: Die Warnung vor der Polizeikontrolle erfolgte nicht mittels Lichthupe, wie dies schon wiederholt auch Gegenstand von Verwaltungsstrafverfahren vor den Höchstgerichten war, sondern mittels Facebook-Eintrags.

 

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EuGH-Urteil zur Ermittlungspflicht und Unabhängigkeit der österreichischen Verwaltungsgerichte

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte aus Anlass eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz beim EuGH die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahren beantragt.

Die an den EuGH herabgetragene Fragestellung (Antrag vom 14.12.2015) zielte zur Klärung der Frage ab, ob die Stellung der Verwaltungsgerichte im Verwaltungsstrafverfahren in Österreich mit der Stellung eines Gerichtes im Sinne des Unionsrechts vereinbar ist.

Im Kern war damit die Verpflichtung der österreichischen Verwaltungsgerichte gemeint, in ein und derselben Funktion initiativ den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln (Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung) und in der Folge über den so ermittelten Sachverhalt selbst zu entscheiden.

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Judikatur VwGH/VStG: Fortgesetztes Delikt auch bei fahrlässiger Begehung

Die Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt im Bereich der Vorsatztaten kann nicht zur Folge haben, dass im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz die wiederholte Begehung derselben Verwaltungsübertretung im Rahmen eines  erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs stets  zu einer separaten Bestrafung jeder einzelnen der Taten zu führen hat.

Im Revisionsfall hatte ein Unternehmen eine Vielzahl von Werbemails an einen Empfänger ohne dessen Einwilligung geschickt. Wegen Übertretungen des Telekommunikationsgesetzes 2003 wurde für jede einzelne Email eine Geldstrafe von EUR 500,- verhängt. Begründet wurde die Bestrafung von der Behörde damit, dass die Versendung der E-Mails automatisiert erfolgt, weshalb es auch zur Versendung einer solch großen Anzahl gekommen sei. Es liege fahrlässige Tatbegehung vor, daher bleibe kein Raum für die Annahme eines fortgesetzten Delikts, sodass eine separate Bestrafung der Zusendungen zu erfolgen habe.

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VwGH Judikatur/Verfahrensrecht: Ohne Antrag auf Ausfertigung ist Revision unzulässig

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 20.04.2017, Ra 2017/19/0099, erstmals mit der Auslegung der Bestimmung des § 25a Abs. 4a letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 24/2017 (verkürzte Ausfertigung von Erkenntnissen) auseinander gesetzt.

Im Anlassfall hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Bescheidbeschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist. In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht von der mündlichen Entscheidung eine schriftliche Ausfertigung her, die den Parteien zugestellt wurde. Ein Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG war von keiner der Verfahrensparteien gestellt worden.

Gegen das schriftlich ausgefertigte Erkenntnis wurde vom Beschwerdeführer Revision erhoben.

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VwGH Judikatur / Verhaltensbeschwerde

Die Verweigerung der Aktenübermittlung auf elektronischem oder postalischem Weg im Rahmen der Kriminalpolizei kann – ungeachtet der Frage, ob nach Maßgabe der Bestimmung des § 53 Abs. 2 StPO ein diesbezüglicher Anspruch des Beschuldigten überhaupt besteht (und eine Verletzung der Revisionswerberin in ihren Rechten im vorliegenden Fall daher überhaupt in Betracht kommt) – nicht im Wege einer Verhaltensbeschwerde nach …

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Vermeidung einer Umweltverträglichkeitsprüfung kann teuer werden

(c) imago/blickwinkel (imago stock&people)

Die dritte Flughafen-Piste war spektakulärer, juristisch mehr Facetten hatte aber ein anderer umweltrechtlicher Streitfall: Jener um die Umfahrung Schützen im Burgenland.

Skurriler Höhepunkt: Die längst eröffnete Straße führte plötzlich über Privatgrund. Der Verwaltungsgerichtshof hatte nicht umhin gekonnt, die Enteignungsbescheide zu kippen.

Unionsrechtswidriges Bewilligungsverfahren

Begonnen hatte es vor Jahren damit, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) partout vermieden werden sollte. Aus der zunächst geplanten Schnellstraßen-Verlängerung – die jedenfalls UVP-pflichtig gewesen wäre – wurde eine Landesstraße. Dann bescheinigte sich das Land selbst, dass keine UVP nötig sei. Per Feststellungsbescheid. Ohne Mitsprache der Anrainer, die man dann aber auf Basis eben dieses Bescheides enteignete.

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Führerschein­ent­zug als „versteckte Nebenstrafe“

Foto: KURIER/Gerhard Deutsch

Justiz: Fahrverbot nach Urteil auch bei kleinen Delikten führt zu Jobverlust.

Ricardo Peyerl (Kurier) 

Der Bewährungshilfe-Verein Neustart schlägt Alarm: Regelmäßig wird Klienten nach Verurteilungen, die in gar keinem Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeuges oder mit Alkoholkonsum stehen, der Führerschein entzogen.

Eine bedingte Strafe wegen Nötigung, Körperverletzung oder räuberischen Diebstahls reicht schon, um Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen. Wobei die Behörde die gesundheitliche Eignung des Verurteilten gar nicht prüft, sondern den Führerschein automatisch für mehrere Monate entzieht. Die Folge dieser „versteckten Nebenstrafe“, wie sie Winfried Ender von Neustart Vorarlberg nennt, ist häufig der Jobverlust und damit erst recht das Abrutschen.

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Judikatur LVwG OÖ/Mindestsicherung: Leistungskürzungen für subsidiär Schutzberechtigte unionsrechtskonform

Im Sommer letzten Jahres hatte der oberösterreichische Landtag die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte beschlossen.J

Jetzt hatte das Landesverwaltungsgericht erstmals über eine Beschwerde eines subsidiär Schutzberechtigten zu entscheiden (Personen, deren Asylantrag zwar abgewiesen wurde, aber deren Leben oder Gesundheit im Herkunftsland bedroht wird).

Dieser bekam anstatt der vollen Mindestsicherung in Höhe von rund 920 Euro nur mehr insgesamt 560 Euro.

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Angriff auf den Rechtsstaat – die Politik schweigt

Nationalbankpräsident Claus Raidl: Nominierung von Richtersenaten anschauen

Die Diskussionen rund um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur dritten Landepiste des Flughafens Wien reißen nicht ab. Der Tenor der öffentlichen Berichterstattung verdichtet sich immer mehr zu einem Angriff auf den Rechtsstaat selbst.

Hatte Flughafenvorstand Günther Ofner in einem Interview bereits Bewilligungsverfahren „a la Erdogan“ zum Vorbild erklärt, nimmt sich jetzt auch der Präsident der Nationalbank, Claus Raidl,  kein Blatt mehr vor dem Mund. Raidl stellt die Frage „ob sich die Politik womöglich die Art und Weise der Zusammensetzung beziehungsweise Nominierung von Richtersenaten am Bundesverwaltungsgericht anschauen sollte.“

Angriff auf die innere Organisation des Bundesverwaltungsgerichts und dessen Unabhängigkeit von der Politik

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